Presseschau: "Konflikt mit Polen"
6. Januar 2010So schreibt die polnische Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" in ihrer Online-Ausgabe am Mittwoch (06.01.2010):
"Der Preis ist hoch: Angela Merkel soll den Vertriebenen mehr Sitze im Stiftungsrat geben sowie das Recht zugestehen, die Vertreter zu entsenden, die sie wollen. Das Problem besteht darin, dass es sich hier nicht um einen Kompromiss handelt. Als Gegenleistung für ihren Verzicht auf Einzug in den Beirat verlangt Steinbach, dass das Museum von der Kontrolle der deutschen Regierung herausgenommen wird. Dank dessen könnten Leute der BdV-Chefin ohne jede Einschränkung das Museum zur Verbreitung ihres Geschichtsbildes nutzen, in dem die nach dem Krieg vertriebenen Deutschen unschuldige Opfer der Polen und Tschechen sind. Eingetreten wäre das, was Warschau seit Jahren befürchtet. In der deutschen Hauptstadt würde ein Zentrum zur Geschichtsmanipulierung entstehen, das aus dem deutschen Haushalt finanziert ist. Merkel und ihr Kabinett würden zu Geiseln der Vertriebenen werden. Deshalb wird es zu Steinbachs Vorschlag keine Zustimmung geben."
In der Tageszeitung "Dziennik" heißt es:
"Eine Akzeptanz der Forderungen von Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach würde Merkel ohne Zweifel viel Lob bringen. Besonders seitens des konservativen Teils der CDU-CSU-Wähler und einiger Medien, die die Kanzlerin wegen Nachgiebigkeit gegenüber unbegründeter Steinbachphobie kritisierten. Merkel weiß allerdings, dass ein solcher Schritt riesige Kosten nach sich ziehen würde: Berlin würde den Konflikt mit Polen, wo man die BdV-Chefin für eine Revisionistin hält, erneut eröffnen. In den vergangenen Wochen hat sich der Chef der deutschen Diplomatie, Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle, in die Blockade der BdV-Präsidentin stark engagiert, um die Beziehungen zum östlichen Nachbar nicht zu belasten. Merkel kann sich eine Gefährdung des Friedens innerhalb der Koalition nicht leisten. Paradoxerweise scheint das Szenario einer weiteren Verschiebung einer Lösung des Streits am wenigsten problematisch zu sein."
Abschließend die polnische Tageszeitung "Rzeczpospolita"; auch deren Kommentator kann dem jüngsten Vorstoß von Vertriebenen-Präsidentin Steinbach nichts Positives abgewinnen:
"Wenn man die Forderungen der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach erfüllen würde, könnte sie praktisch über alles entscheiden, was in der Stiftung und im Museum geschieht. Mit anderen Worten, in diesem Fall würden weder der Bundestag noch die Regierung, sondern ausschließlich der BdV (Bund der Vertriebenen) über die Gestalt der deutschen Erinnerung entscheiden. Steinbach will zudem, dass der Sitz des künftigen Museums, das riesige Deutschlandhaus, zum großen Vertriebenen-Zentrum mit einem Archiv und Büros umgestaltet wird. Kann so ein Kompromiss aussehen? Aus Sicht Warschaus mit Sicherheit nicht. Entscheiden wird aber Berlin."
Zusammenstelllung: Hans Ziegler (mit dpa)
Redaktion: Oliver Samson