Presseschau von Freitag, 13. Dezember
17. Dezember 2002Die Kommentare der deutschen Tageszeitungen befassen sich an diesem Freitag vor allem mit der Erklärung des Bundeskanzlers, dass deutsche Soldaten auch bei einem Irakkrieg zur Awacs-Besatzung gehören würden. Ein weiters Thema ist eine Äußerung des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, in der er einen Vergleich zwischen Reichen und Juden zieht.
Zum Awacs-Problem schreibt die KÖLNISCHE RUNDSCHAU:
'Stück für Stück rutscht die Regierung gegen ihren Willen, aber eben unausweichlich, in den Konflikt hinein: Erst die Debatte um amerikanische Überflugrechte. Dann die Bitte der Israelis um Waffenlieferungen. Schließlich die Awacs-Frage. Da wird es schon ganz heikel. Zum Beispiel: Zur üblichen Awacs-Besatzung gehören auch so genannte Jägerleitoffiziere, die auf Grund der gewonnenen Daten Zielvorgaben für Jagdbomber ausgeben können. Soll dieser Teil der Besatzung auch im Konfliktfall weiter mitfliegen? Oder: Die Daten wird man dem Nato-Partner USA wohl nicht ernsthaft verweigern können.'
In der MÄRKISCHEN ODERZEITUNG aus Frankfurt heißt es:
'Was zur Beruhigung der Öffentlichkeit gedacht war, ist in Wirklichkeit eine Täuschung. Die AWACS-Maschinen können als Frühwarnsystem und als Feuerleitstelle eingesetzt werden. Sie sind deshalb im Gegensatz zur Kanzler-Behauptung durchaus Instrumente zur operativen Kriegsführung. Schröder kann nicht im Ernst glauben machen, dass die technisch hoch gerüsteten Maschinen nur den Luftraum über der Türkei im Blick haben. Die AWACS können weit in den Irak hineinblicken und damit Einfluss auf die Kriegshandlungen nehmen. Und das ist klar ein Kampfeinsatz. Mit einem Schutz des Bündnisgebietes hat das nichts zu tun.'
DIE WELT aus Berlin meint:
'Immerhin: Was die deutschen Soldaten auf den Awacs-Maschinen der NATO anlangt, hat das Machtwort des Kanzlers einstweilen für Ruhe gesorgt. Die neuen Grünen-Führung ist auf Linie gebracht, nachdem sie - offenbar vom Chaos der eigenen Bestallung umwölkt - tagelang bös geschlingert hatte. Die deutschen Soldaten müssen auf den Awacs-Maschinen bleiben, wenn diese im Falle eines Irak-Krieges zur Luftraum-Überwachung über dem Nato-Mitgliedsstaat Türkei kreisen. Alles andere würde jene wertvollen Schritte zu Nichte machen, die Deutschland seit der Mitte der 80er Jahre in Richtung einer angemessenen Teilhabe an internationaler Sicherheitspolitik getan hat.'
Mit der umstrittenen Äußerung des hessischen CDU-Ministerpräsidenten Koch beschäftigt sich das COBURGER TAGEBLATT:
'Roland Koch spricht gern Tacheles. Dafür schätzen und rügen ihn viele. Gestern ist der hessische Ministerpräsident rhetorisch entgleist, was einem Spitzenpolitiker nicht oft verziehen wird. Wer seine Zunge nicht zügeln kann, wenn es um Vergleiche mit der dunkelsten deutschen Vergangenheit geht, disqualifiziert sich selbst für noch höhere Weihen. Immerhin ist Koch hartnäckig als möglicher Kanzlerkandidat der Union im Gespräch. Den Streit um die Vermögensteuer mit einer Bagatellisierung der Stigmatisierung der Juden in der NS-Zeit zu verknüpfen, war schädlich und dazu noch überflüssig wie ein Kropf.'
Die FRANKFURTER RUNDSCHAU merkt an:
'Auch Roland Kochs spätere 'Entschuldigung' bei Frank Bsirske zeigt, dass er die Dimension seiner Äußerung nicht verstanden hat oder, schlimmer noch, gar nicht verstehen will. Denn nicht nur den Verdi-Chef traf seine Entgleisung, sondern auch und vor allem die Opfer des Nazi-Terrors, deren Martyrium der hessische Ministerpräsident mal eben mit dem Schicksal deutscher Millionäre verglich, die von einer Vermögensteuer betroffen wären. Dazu gab es von Koch nicht ein einziges entschuldigendes Wort. Da werden zwangsläufig Erinnerungen wach an die auch von Koch einst verbreitete Mär der angeblichen 'jüdischen Vermächtnisse', mit denen die Hessen- CDU ihre Schwarzgeld-Millionen tarnte. Damals, vor knapp zwei Jahren, handelte es sich ganz eindeutig nicht um ein 'Vergaloppieren' in einer erhitzten Parlamentsdebatte, sondern um eine kühl kalkulierte, schmutzige Legende.'
Abschließend die STUTTGARTER ZEITUNG:
'Immerhin, Roland Koch hat sofort revoziert und sich öffentlich bei dem von ihm angegriffenen Verdi-Chef Frank Bsirske entschuldigt. Doch zu seinem ersten Mal auf der Stirn, das er sich im Rahmen der angeblich brutalstmöglichen Aufklärung der CDU-Spendenaffäre in Hessen eingehandelt hat, ist jetzt unübersehbar das zweite gekommen. Es wird ihn in seinen bundespolitischen Ambitionen nicht befördern. Nur, das ist sein Problem, unser aller Problem aber ist diese Vernutzung von Nazivergleichen, die den Horror der tausend Jahre mehr und mehr banalisieren.'