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Pressestimmen von Dienstag, 11. Oktober 2005

Barbara Zwirner10. Oktober 2005

Große Koalition mit Kanzlerin Angela Merkel

Drei Wochen nach der Bundestagswahl ist der Machtpoker um das Kanzlerant entschieden. Union und SPD sprachen sich für die Bildung einer großen Koalition mit CDU-Chefin Angela Merkel als Bundes- Kanzlerin aus. Die Kommentare der deutschen Tagespresse zu diesem Ereignis sind eher zurückhaltend.

So schreibt die HEILBRONNER STIMME:

"Noch ist Angela Merkel nicht Regierungschefin. Noch liegt das Minenfeld wochenlanger Koalitionsverhandlungen vor dem glorreichen Einzug ins Kanzleramt. Doch die CDU-Vorsitzende wird geschmeidig genug sein, diesen, ihren persönlichen Sieg über Gerhard Schröder nicht noch auf den letzten Stufen zu verstolpern. Die Zugeständnisse, die Merkel der SPD schon vor den eigentlichen Sachverhandlungen gemacht hat, zeigen, dass sie für den Ruhm, als erste Frau und Ostdeutsche das politisch mächtigste Amt in Deutschland zu bekleiden, gleich einen ganzen Teller Kröten schluckt: Die Union verzichtet auf Kernpunkte ihrer politischen Wendeagenda. Sie begnügt sich mit nur sechs zweitrangigen Ministerposten und überlässt der SPD Schlüsselressorts. Das ist ein hoher Preis für die Kanzler-Krone und ein Anfang, dem nun wahrlich kein Zauber innewohnt."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER merkt an:

"So legitim der Führungsanspruch von CDU und CSU in einer großen Koalition von allem Anfang an war, so legitim war die Forderung der beinahe gleich starken Sozialdemokraten, in einem Kabinett Merkel massiv vertreten zu sein und gleichzeitig Ressorts zu besetzen, für die sie in den Augen ihrer Anhänger besondere Kompetenz mitbringen. Sie haben sich damit weitgehend durchgesetzt. Die Bereitschaft der Union, einen so hohen Preis zu bezahlen, mag dem Wunsch der CDU- Vorsitzenden geschuldet sein, möglichst bald zu Ergebnissen zu kommen. Sie konnte schließlich nicht von einer unbegrenzten Haltbarkeit der Solidaritätsbekundungen aus ihrer eigenen Partei ausgehen."

Die RHEIN-NECKAR-ZEITUNG aus Heidelberg gibt sich zuversichtlich:

"Ob der Preis zu hoch ist, den die Union für die Kanzlerschaft Angela Merkels an die SPD hat zahlen müssen, wird sich erst später zeigen. Bis jetzt ist die mutmaßliche erste deutsche Regierungschefin noch immer erfolgreich angekommen. Sie hat ihre politischen Feuertaufen hinter sich. Und für ihr Ziel, aus dem zunächst noch ungeliebten Bündnis eine 'Koalition der neuen Möglichkeiten' zu machen, wird sie kämpfen."

Der in Bremen erscheinende WESER-KURIER kommentiert:

"Es gibt die reale Gefahr, dass sich Union und SPD auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Zu einem Ruck durch das Land wird das nicht führen! Die Kanzlerin Merkel, geschwächt durch Wahlergebnis und Druck aus den eigenen Reihen, ist um ihre Aufgabe nicht zu beneiden. Man hätte gerade der ersten Frau in diesem Amt eine bessere Startposition gewünscht. Vielleicht aber kann gerade eine Frau diesen schwierigen Balanceakt zwischen zwei gegensätzlichen Partnern besser beherrschen als jeder Mann. Es wäre uns allen zu wünschen."

Die AUGSBURGER ALLGEMEINE appelliert:

"Einige Koalitionsabsprachen sind nicht gerade ermutigend, wie etwa die, dass die SPD in kongenialer Eichel-Nachfolge wieder den Finanzminister stellt. Für Deutschland müssen wir wünschen, dass Angela Merkel unter dem Druck der Notwendigkeiten diese eigentlich von niemandem gewünschte Große Koalition zum Erfolg führt. Dass sie also nicht nur als Frau, sondern als die Kanzlerin Geschichte macht, die unser Land verändert."

In den LÜBECKER NACHRICHTEN lesen wir:

"Vielleicht wäre uns wohler zumute, wenn Angela Merkel ein bisschen dynamischer aufgetreten wäre, ein bisschen mehr Optimismus, Selbstvertrauen ausgestrahlt hätte. Es packen wollen, griffig sein, Weltmeister werden. So aber erschien sie vor den Berliner Kameras erleichtert ja, keine Frage, aber eben auch so müde, unentschlossen, noch nicht zu Ende mit ihren Gedanken, wie sie selbst es nannte. Merkel bleibt der personifizierte Zweifel."

Abschließend ein Blick in den WESTFÄLISCHEN ANZEIGER aus Hamm:

"Ihre bekannten Stärken hat sie erneut unter Beweis gestellt: Machtbewusstsein, Taktik, Instinkt. Von nun an darf es, ja muss es ein wenig mehr sein: Die künftige Kanzlerin muss die Menschen begeistern, mitnehmen und gewinnen. Für ihre Ziele, ihre Politik. Und mehr als das auch für sich."