1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Donnerstag, 14 April 2005

Reinhard Kleber. 13. April 2005

EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens / Grundsatzrede von Franz Müntefering / Bundeskanzler zu Familienpolitik

Die Kommentatoren der deutschen Tagespresse beleuchten vorrangig die grundsätzliche Zustimmung des Europäischen Parlaments zum EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens. Weitere Themen sind die Grundsatzrede von SPD-Chef Franz Müntefering und der Aufruf von Bundeskanzler Gerhard Schröder an die Wirtschaft, mehr an die Familien zu denken.

Zunächst zu den EU-Ambitionen von Rumänien und Bulgarien. Die FRANKFURTER RUNDSCHAU sieht im Straßburger Parlamentsbeschluss eine klare Warnung:

"Die Warnung heißt: Legt uns nie wieder unausgegorene Verträge vor. Nur mit der Zusicherung, dass die Abgeordneten bei der Festlegung des Beitrittstermins mitreden, hatten sich Kommission und Rat das Ja erkaufen können. Damit sind sie noch gut weggekommen. Die Unsitte, Beitrittsverträge aufzusetzen, bevor die Kandidaten wirklich reif zur Aufnahme sind, hätte eine Ablehnung verdient gehabt. Vor allem im Fall Rumäniens. Es ist höchste Zeit, dass Beitrittsverhandlungen dem Diktat politischer Symbolik entzogen werden."

In der THÜRINGER ALLGEMEINEN aus Erfurt lesen wir dazu:

"Fraktionsübergreifend von den Konservativen bis zu den Grünen hatten gestern die Abgeordneten in Straßburg Bauchschmerzen. So schwer wie im Fall Rumäniens fiel ihnen das Ja zum Beitritt in die EU bei keinem anderen Land. Das Erbe des Diktators Ceausescus wiegt einfach zu schwer, als dass es in 15 Jahren schon überwunden sein könnte. Doch sollen die Rumänen doppelt bestraft werden durch die weitere Ausklammerung aus der EU? Was übrigens dann auch Konsequenzen für die Verbindungslinien Bulgariens hätte, das gleichfalls ab 2007 Mitglied sein möchte."

Für Aufsehen hat die Kritik von SPD-Chef Franz Müntefering an der Macht des Kapitals gesorgt. Der MANNHEIMER MORGEN äußert sich skeptisch zu der Rede:

"Was wie ein Rückfall ins 19. Jahrhundert klingt, dürfte einigen Zeitgenossen aus der Seele sprechen. Der Volkszorn über die Ackermänner dieser Republik brodelt nicht nur auf der linken Stammtischseite. So wird die Botschaft des SPD-Chefs wohl gehört. Doch wirkt sie wenig glaubhaft angesichts eines sozialdemokratischen Kanzlers, der nicht erst seit seiner Agenda als Genosse der Bosse gilt, bevorzugt als weltweiter Handelsvertreter auftritt und menschenrechtliche Bedenken in bewährter Basta-Manier abtut. Nein, allein mit antikapitalistischen Parolen wird Rot-Grün die in NRW wie im Bund anstehenden Lagerwahlkämpfe kaum gewinnen."

Schärfer geht der Kölner EXPRESS mit der SPD ins Gericht:

"Völker, hört die Signale, auf zum letzten Gefecht... Müntefering lässt es krachen wie in alten Klassenkampfzeiten. Sogar die Demokratie sieht er schon bedroht. Will er etwa SPD-Freibeuter Lafontaine links überholen? Oder glaubt der alte Parteisoldat, so das Ruder in NRW herumreißen zu können? Mit seinem Griff in die rote Mottenkiste dürfte dies jedenfalls nicht gelingen. Ohne Ross und Reiter zu nennen, bringt pauschale Kritik an den 'bösen' Bossen überhaupt nichts, erst recht keine neuen Arbeitsplätze. Natürlich gibt es Missstände in der Wirtschaft, die man anprangern kann und muss. Aber bitte mit Augenmaß und Verstand!"

Zum neu entdeckten Familiensinn des Kanzlers merkt die OSTTHÜRINGER ZEITUNG aus Gera an:

"Vom Reden allein steigt weder die Zahl der Geburten, noch der dringend benötigten Hortplätze. Nicht nur aus Geldmangel zögert Schröder. Das in anderen Ländern erfolgreiche Elterngeld verstößt gegen die traditionelle SPD-Weltsicht - jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein. Das hört sich besser an, als es in der Praxis wirkt. Denn gut ausgebildete Frauen verzichten auf Nachwuchs aus Sorge um Karriere und Einkommen. Wenn die SPD eine Negativ-Auslese verhindern will, muss sie sich den veränderten gesellschaftlichen Realitäten auch bei der ökonomischen Förderung stellen. Ein nach Einkommen aufwärts gestaffeltes Elterngeld, so zeigen es jedenfalls die skandinavischen Länder, wirkt."

Die STUTTGARTER NACHRICHTEN kommentiert dagegen den Vorschlag der Familienministerin Renate Schmidt, ein einkommensabhängiges Elterngeld einzuführen.

"Die Idee hat Charme, weil sie am Kern der demografischen Misere ansetzt - der den Frauen aufgebürdeten Entscheidung zwischen Kind und Karriere. Allerdings steht Schmidts finanzielle Gegenrechnung noch aus. Angesichts der 150 Milliarden Euro muss gelten: Alle bisherigen Leistungen gehören auf den Prüfstand. Es fließt genug Geld in die Familienpolitik. Die Frage ist nur, ob auch in die richtige Richtung."