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Pressestimmen von Donnerstag, 22. Januar 2004

Petra Nicklis22. Januar 2004

Schröder bringt Präsidentschaftskandidaten ins Spiel / Mannesmann-Prozess hat begonnen / Bushs Rede zur Lage der Nation

Die Zeitungslandschaft in Deutschland beschäftigt sich mit dem Nachfolger für Bundespräsident Johannes Rau, den Schröder im fernen Nairobi ins Spiel gebracht hat. Schröder fand lobende Worte für den ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer.

Dazu schreibt die BADISCHE ZEITUNG aus Freiburg:

"Eins muss man Gerhard Schröder lassen: Ein schwaches Blatt spielt der Kanzler meistens gut... Indem Schröder das CDU-Mitglied Klaus Töpfer preist - ohne ihn offiziell zu empfehlen; das wäre zu plump -, erreicht er zweierlei: Entweder kommt Töpfer, der von der Saar-CDU
unterstützt wird, ernsthaft ins Gespräch. In diesem Fall wären Teile der CDU und bestimmt die CSU mächtig sauer auf Merkel. Oder - was wahrscheinlicher ist - die Union schließt nun ihre Reihen hinter Schäuble. In diesem Fall könnte die FDP erst recht ihr Heil etwa mit einer von Rot-Grün gestützten Kandidatin Schmalz-Jacobsen suchen. Ganz schön gewitzt, der Kanzler. Und das unter Afrikas sengender Sonne."

Die WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE ZEITUNG aus Essen vermutet:

"Klar ist, dass der Bundeskanzler mit seinem Vorstoß zu Gunsten von Klaus Töpfer ganz eigene Interessen im fernen Nairobi verbindet. Dennoch ist der Chef der UN-Umweltbehörde der richtige Mann für die
Nachfolge von Johannes Rau. Völlig klar ist auch, dass der frühere Bundesumweltminister von Grünen und Sozialdemokraten mitgewählt würde, wenn sich die CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu dem mutigen Schritt entschließen könnte, Töpfer als Unions-Kandidaten vorzuschlagen. Wahrscheinlich wird es dazu nicht kommen, da Guido
Westerwelle um den Einfluss seiner kleinen FDP fürchtet."

Und der Bonner GENERAL ANZEIGER fragt sich:

"Welchen Gefallen hat der Bundeskanzler in Nairobi mit seinem dicken Lob dem gelobten Ex-Minister Klaus Töpfer getan? Keinen, jedenfalls keinen, der die Aussichten des CDU-Mitglieds auf eine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten auch nur eine Spur verbessert. Wenn Schröder die Union davor warnt, mögliche Kandidaten zu 'verheizen', dann hat er genau dies mit Töpfer getan. Und die
Kanzler-Absicht, CDU-Chefin Merkel unter Druck zu setzen, ist auch daneben gegangen. Sie muss einen Kandidaten durchsetzen, der in der
Bundesversammlung sicher eine Mehrheit erhält. Das ist bei Töpfer schon wegen der starken CSU-Vorbehalte höchst unsicher. Noch nicht einmal bei Wolfgang Schäuble ist das unzweifelhaft. Das macht ja für Merkel die Suche so schwierig."

Themenwechsel. Von vielen Tageszeitungen wird der Beginn des Mannesmann Prozesses in Düsseldorf erörtert. Sechs Top-Manager und führende Gewerkschafter müssen sich für Millionen Zahlungen bei der Mannesmann-Übernahme duch den britischen Mobilfunk-Betreiber Vodafone verantworten.

DIE ZEIT aus Hamburg resümiert:

"Der Mannesmann-Prozess bietet die Chance einer neuen
Standortbestimmung. Weltweit haben Skandale wie Enron, WorldCom oder Parmalat dazu geführt, dass Investoren das Vertrauen verloren haben.
Wenn es in Deutschland gelingt, dieses Vertrauen in die Wirtschaft zurückzugewinnen, wäre das ein einzigartiger Wettbewerbsvorteil. Im
Mittelpunkt muss dabei die Entlohnung der Manager stehen. Es geht nicht darum, Gehälter zu deckeln, so funktioniert Marktwirtschaft nicht. Aber damit Marktwirtschaft funktionieren kann, muss
Transparenz herrschen. Wie viel verdienen Deutschlands Chefs
tatsächlich? Nur eine Hand voll Firmen nennt die Gehälter; was an Prämien und Aktienoptionen dazukommt, bleibt im Dunkeln. So nährt die Geheimnistuerei einen Verdacht: Die Manager selbst haben ein schlechtes Gewissen."

DIE WELT aus Berlin meint:


"Ungeschickter hätte sich Josef Ackermann nicht präsentieren
können. Der Chef der Deutschen Bank spreizte die Finger zum
Siegeszeichen, als er in den Düsseldorfer Gerichtssaal kam, wo er als Angeklagter im Mannesmann-Prozess Platz nahm. Diese Geste werden viele Beobachter als arrogant werten - und wieder jenes falsche Bild
malen, das Manager als Gierige in Nadelstreifen zeigt. Solches
Verhalten heizt unnötig die öffentliche Debatte um Maß und Moral in der Wirtschaft an, die ohnehin durch den Fall Mannesmann zu emotional
aufgeladen ist. Den Richtern machen solche Vorgänge das Leben schwer, zumal sie sich auch juristisch in einem schwierigen Grenzbereich zwischen Aktien- und Strafrecht bewegen müssen. Längst geht es nicht nur um Ackermann oder den Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser, sondern schlechthin auch um das Verhältnis von Erfolg und Moral, von Macht und Gerechtigkeit."

Auch die Rede des amerikanischen Präsidenten Georg Bush zur LAge der Nation ist ein großes Thema. Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus München urteilt dazu:

"Präsident George Bush hat mit der Tradition gebrochen. Seine Rede zur Lage der Nation war ein reiner Wahlkampfauftritt, und wenn sie ein Indiz für die politische Auseinandersetzung der kommenden Monate war, dann darf man auf eine Kampagne gespannt sein, die mit allen
erlaubten und unerlaubten Mitteln geführt wird. «Das war keine Rede zur Lage der Nation, sondern zur Lage seiner Wiederwahlkampagne», konstatierte denn auch der demokratische New Yorker Abgeordnete Charles Rangel trocken. Wenn Bush seiner Rede ein Motto hätte geben wollen, wäre er bei Edith Piaf fündig geworden: «Non, je ne regrette
rien.» Hier sprach ein Präsident, der von der Richtigkeit all seiner
Maßnahmen und Beschlüsse überzeugt ist, der keine Entscheidung bedauert."

Und abschließend meint die LAUSITZER RUNDSCHAU aus Cottbus:


"Wahlkampfzeiten sind denkbar schlecht geeignet für eine ehrliche Bestandsaufnahme politischer Entscheidungen und ihrer Folgen. Das gilt hier zu Lande ebenso wie in den USA. In seiner Rede zur Lage der
Nation hat George W. Bush unmissverständlich klar gemacht, wofür er steht: Er ist der Oberbefehlshaber in der Welt und ein bisschen auch der Präsident der Amerikaner. Erst kommt der Kampf gegen den Terrorismus - auch künftig ohne Rücksicht auf internationale Gremien wie den UN- Sicherheitsrat. Dann folgt die Sorge um die unzureichende
Krankenversicherung vieler seiner Landsleute. Zuerst steht die Verteidigung von ihm definierter amerikanischer Interessen weltweit und erst danach macht er sich Gedanken über die schwierige Situation
auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt oder das teilweise marode Bildungssystem. Bush setzt im Wahlkampf offensichtlich auf Psychologie. Er nutzt das Gefühl von Verwundbarkeit, das die
Amerikaner seit den schrecklichen Anschlägen vom 11. September 2001 quält. Er präsentiert sich als starker Mann, der die Sicherheitsinteressen der USA auch weiterhin über internationales Recht zu stellen gedenkt. Im eigenen Land wird ihm das sehr wahrscheinlich Pluspunkte einbringen. Der Rest der Welt allerdings dürfte hellhörig sein, weil Bushs Strategie fatal an das
Weltmacht-Streben aus Zeiten des Kalten Krieges erinnert."