1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Pressestimmen von Samstag, 10. Dezember 2005

Gerhard M Friese9. Dezember 2005

Geheimhaltung der Bundesregierung im Fall el-Masri/ Anti-israelische Äußerungen des iranischen Präsidenten

Die Politik der Nicht-Information der Bundesregierung im Fall der Verschleppung des Deutschen el-Masri durch den US-Geheimdienst CIA stößt quer durch alle Parteien auf Kritik. Und auch die Presse lässt kein gutes Haar an der Geheimhaltung. Auf einhellige Ablehnung stießen auch die israelfeindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad.

Zur Geheimhaltungspolitik der Bundesregierung meint die FRANKFURTER RUNDSCHAU:

"So reagieren Beamtenapparate. Politiker aber sollten erkennen, welchen Schaden sie durch dieses Mauern anrichten können. Seriöse Informationen gibt es jetzt im Fall el-Masri nicht. Ein Defizit, das dazu führt, dass Medien halbseidene Informationen verbreiten.... Bislang fehlt es an einer Bundesregierung, die erkennbar alles tut, um möglichst viel Klarheit in dieser Affäre zu schaffen. Die Rede und Antwort steht, und die entschieden dem Eindruck entgegen tritt, sie könnte an Auskunft nicht interessiert sein. Es wäre ihre demokratische Pflicht. So aber kann man wohl durchaus auch von einem politischen Versagen sprechen."

Der Bonner GENERAL-ANZEIGER verweist auf die schwierige Lage:

"Die Bundesregierung sagt nichts, verweist lediglich auf das Parlamentarische Kontrollgremium, das die Nachrichtendienste beaufsichtigt... Dem Bundestag steht dennoch das Recht zu, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen. Die Rufe danach werden lauter. Aber dieses parlamentarische Gremium tagt in der Regel öffentlich. Außerdem sind die meisten Untersuchungsausschüsse wie stumpfe Schwerter. Diesmal erst recht. Wenn die Regierung das PKG über die Affäre unterrichten will, kann sie wegen der Geheimhaltung vor einem Untersuchungsausschuss wiederum nur schweigen. Man würde sich also im Kreise drehen. Bis man aus anderen Quellen schlauer wird."

Das sieht die Ludwigshafener RHEINPFALZ anders:

"Jetzige und frühere Minister unterliegen keinerlei Schweigepflicht, wenn es um die politischen Konsequenzen des Falls geht. Zumal, wenn es sich um schwersten Rechtsbruch handelt wie Entführung und Misshandlung. Sie schweigen trotzdem, weitgehend jedenfalls... Das Vertrauen in Handlungsfähigkeit und -willen des Staates zum Schutze der eigenen Bürger wird dadurch jedenfalls nicht gefördert. Ebenso schwindet der Glaube an die Lösungskompetenz der Politik in schwierigen Situationen sowie an den Aufklärungswillen der neuen und alten Regierungsmitglieder.'

Auch die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG aus Halle sieht im Schweigen der Bundesregierung ein schlechtes Zeichen:

"Der erste Grund ist leider nachvollziehbar: Man weiß, dass es sich um eine Machtfrage handelt. Deutschland allein kann die USA nicht zur Umkehr bewegen. Allzu forsche Kritik hätte lediglich den Effekt, dass US-Sicherheitsbehörden den Kontakt mit deutschen Stellen meiden. Hingegen könnten Europäer und inneramerikanische Opposition zusammen wirken. Der zweite Grund für das deutsche Schweigen ist entscheidender: Angela Merkel und Franz Müntefering wollen Ruhe in der Großen Koalition. Opposition und Öffentlichkeit müssen diese Ruhe stören. Denn sie ist schäbig."

Die FRANKFURTER RUNDSCHAU kommentiert die Forderung des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, Österreich und Deutschland sollten als Kompensation für den Holocaust Teile ihres Territoriums zur Verfügung stellen, um den Staat Israel zu verlagern. Damit könne zugleich das Nahost-Problem gelöst werden.

"Teheran hatte immer auf sein Recht zur friedlichen Nutzung der Kernenergie gepocht, das ihm nicht verwehrt werden dürfe. Dieses Argument war auch in Europa schon deswegen nicht ganz ohne Wirkung geblieben, weil es vor allem gegen Amerika gerichtet war. Ahmadineschads antiisraelische Hetze gibt Washington jedoch recht: Wer mag sich ihn mit der Hand am Atomknopf vorstellen? Über die Motive, die Iran nach der Bombe streben lassen, muss man jedenfalls nicht mehr lange nachgrübeln."

Ähnlich argumentiert die Münchener Boulevardzeitung TZ:

"Ahmadinedschad, so schlicht gestrickt sein Antisemitismus auch sein mag, ist Präsident eines wirtschaftlich und strategisch bedeutenden Riesen-Reichs. Und hat möglicherweise bald die Macht, mit einem Knopfdruck Atomraketen abzuschießen! Um die atomare und verbale Aufrüstung des Iran zu stoppen, muss jetzt auch über Wirtschafts- Sanktionen nachgedacht werden. Verständlich, wenn Israels Politiker und Bürger ihrerseits auf Aufrüstung und Stärke setzen. Aussöhnung und Frieden für den Nahen Osten rücken dank Ahmadinedschad und Co. in immer weitere Ferne."

Die LÜBECKER NACHRICHTEN fragen nach dem Hintergrund der Ausfälle Ahmadinedschads:

"Wer unter Verweis auf höhere Mächte einen anderen Staat erst vernichten und ihn nun, nur scheinbar weniger absurd, auf einen anderen Kontinent verlegen will, gehört auf die internationale Strafbank, um es noch vorsichtig zu formulieren. Ahmadinedschad mag ja außenpolitisch unerfahren sein, wie mancher fast entschuldigend anführt, als müsse er ein zurückgebliebenes Kind verteidigen - der eigentliche Machthaber im Iran, Ayatollah Chamenei, ist es gewiss nicht. Wenn er jetzt seinem weltlichen Pendant im Staat nicht in die Parade des Irrsinns fällt, muss man annehmen, dass er dessen Ausführungen teilt."

Und die in Kassel erscheinende HESSISCHE-NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE sieht die internationale Gemeinschaft in der Pflicht:

"Weil der Iran ein hochgerüstetes Land ist, sollten die verbalen Angriffe seines Präsidenten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das Mullah-Regime unterstützt Terrorgruppen im gesamten Nahen Osten, den Bürgerkrieg im Nachbarland Irak heizt Teheran wahrscheinlich an. Und das Land entwickelt unverhohlen Nuklearwaffen, verzögert darüber aber hartnäckig einen Dialog mit der Atomenergiebehörde und dem besorgten Westen. Das Verhalten des iranischen Präsidenten zwingt deshalb die Bundesregierung und ihre Verbündeten darüber nachzudenken, ob Protestnoten nicht doch endlich in Sanktionen münden müssen."