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Politik

Prilepin tauscht Worte gegen Waffen

Roman Goncharenko
14. Februar 2017

Die Separatisten in der Ostukraine haben prominenten Neuzugang. Einer der bekanntesten Schriftsteller Russlands, Sachar Prilepin, kämpft an ihrer Seite - jetzt auch mit Waffen.

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Bild: picture-alliance/dpa/V. Svistunova

Sachar Prilepin hat ein Problem auf Facebook: Sein Profil in dem sozialen Netzwerk wurde für 30 Tage gesperrt. Seit dem Wochenende teilen Freunde die Botschaften des Schriftstellers, der jetzt offiziell an der Seite der prorussischen Separatisten in der Ostukraine kämpft. Das Geheimnis über seinen militärischen Einsatz lüftete am Montag die kremltreue Boulevard-Zeitung "Komsomolskaja Prawda". Die Schlagzeile "Ein bekannter Schriftsteller gründet im Donbass ein eigenes Bataillon" machte schnell die Runde und schaffte es auch beim staatlichen Fernsehen in die Top-Nachrichten. Bilder zeigten Prilepin in Tarnkleidung zusammen mit bewaffneten Männern in einer Halle. Er selbst erzählte, er kämpfe seit Oktober 2016 in Donezk als stellvertretender Kommandeur eines Bataillons.

Der 41-jährige Prilepin ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Schriftsteller Russlands. Er gilt als Stimme einer ganzen Generation, wurde mit Preisen ausgezeichnet und auch im Ausland hoch gepriesen. "Um Russland heute zu verstehen, muss man Prilepin verstehen", schwärmte 2011 das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" und verglich ihn mit Hemingway.

Vom Putin-Kritiker zum Putin-Fan

Für Kenner Prilepins kommt sein Schritt wenig überraschend. Er wurde 1975 geboren und wuchs in der Familie eines Geschichtslehrers und einer Krankenschwester in der russischen Provinz auf. Prilepin gehört zu jener Generation, die die Sowjetunion noch bewusst erlebt und nach deren Zerfall die Orientierung verloren hat. In den 1990er Jahren studierte Prilepin Philologie an der Universität in Nischnij Nowgorod und kämpfte als Offizier einer Sondereinheit der Polizei (OMON) in beiden Tschetschenien-Kriegen. Gleichzeitig engagierte er sich politisch bei der verbotenen linksradikalen National-bolschewistischen Partei Russlands. Diese Erfahrungen verarbeitete er in seinen Romanen. Sein berühmtestes Werk aus dem Jahr 2006 heißt "Sankya". Es erschien auch in Deutschland und wurde in Theatern aufgeführt. Wer die Ereignisse in der Ostukraine von russischer Seite aus verstehen möchte, solle dieses Buch lesen, sagte der DW der österreichische Prilepin-Übersetzter Erich Klein: "Da wird schon einiges klar."

Sachar Prilepin gehört zu den bekanntesten russischen SchriftstellernBild: DW/Morozov

Prilepin war ein leidenschaftlicher Nationalist und Putin-Kritiker, der mehrmals bei politischen Protestaktionen verhaftet wurde. Nach der Krim-Annexion änderte er jedoch seine Einstellung zum Präsidenten radikal. Prilepin lobt Putin und durfte auch im zweistündigen Dokumentarfilm "Die Krim. Der Heimweg" auftreten, der im staatlichen Fernsehen im März 2015 gezeigt wurde.

Die Ukraine ist für Prilepin kein wirklich unabhängiger Staat, sondern eine abtrünnige Provinz, die zurückerobert werden muss. "Unser Ziel ist Kiew", sagt er im Interview mit der "Komsomolskaja Prawda". 

Prominente Hilfe für den Donbass                        

Nach der Krim-Annexion unterstützte Prilepin auch den bewaffneten Konflikt im ostukrainischen Kohlerevier Donbass. Bisher tat er das mit Worten in seinen zahlreichen Artikeln, Büchern und TV-Sendungen. Prilepin lieferte auch Hilfsgüter nach Donezk und beriet die Führung der selbsternannten "Donezker Volksrepublik". Dann tauschte er Worte gegen Waffen.

Er ist der prominenteste Russe, der sich den Separatisten in der Ostukraine als Kämpfer anschließt. Auch andere russische Schriftsteller, Musiker und Künstler reisten regelmäßig nach Donezk, um dort aufzutreten. Doch an Kämpfen beteiligte sich keiner. Als einziger ließ sich der Schauspieler Michail Poretschenkow filmen, wie er bei Donezk auf ukrainische Stellungen aus einem Maschinengewehr schießt. An Kämpfen war er aber auch nicht beteiligt.

Der Kreml, der eine militärische Hilfe für die ostukrainischen Separatisten stets bestreitet, reagierte auf Prilepins Einsatz schmallippig. Tatsache sei, dass sich dort russische Bürger, ebenso wie Bürger anderer Staaten aufhielten, sagte Dmitrij Peskow, Sprecher des Präsidenten Wladimir Putin.

Ein Schriftsteller mit Waffe als Tradition

Die Nachricht über Prilepin als Kämpfer im Donbass kam vor dem Hintergrund der wieder aufgeflammten Kämpfe zwischen Separatisten und der ukrainischen Armee. Außerdem folgte sie auf die ausführliche Berichterstattung russischer Medien über den Tod des bekannten Separatistenkommandeurs Michail Tolstych mit Kampfnamen "Giwi". Berichten aus Donezk zufolge wurde sein Büro von draußen mit einem Flammenwerfer attackiert. Die Separatisten machen die ukrainische Armee dafür verantwortlich, doch Kiew weist dies zurück. "Giwi" teilt das Schicksal vieler bekannter Separatisten, die nicht im Kampf, sondern im Hinterhalt getötet wurden.

Der Separatistenführer "Giwi" wurde vor kurzem getötetBild: Getty Images/AFP/J. MacDougall

Möglicherweise wolle nun der charismatische Prilepin den Separatisten in ihrem Kampf um die Herzen der Menschen helfen und gleichzeitig neue Kämpfer in Russland rekrutieren, denken manche Beobachter. In seinem Interview mit der "Komsomolskaja Prawda" sagt Prilepin, in Russland stehe man Schlange, um in der Ostukraine zu kämpfen.

Beobachter weisen darauf hin, dass Prilepin erst vor wenigen Wochen ein neues Buch vorgestellt hat. Es heißt "Zug" - gemeint ist die militärische Einheit - und beschreibt Schicksale russischer Schriftsteller aus dem 19. Jahrhundert, von Derschawin bis Puschkin, die "nicht nur eine Feder, sondern auch eine Waffe in der Hand halten konnten". Prilepin sieht sich selbst in dieser Tradition. Allerdings ist noch unklar, wie lange es Prilepin an der Front aushält und welche Ziele er verfolgt.

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