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Primor: Kontakte zur Hamas werden unmittelbar aufgenommen

Das Gespräch führte Klaudia Prevezanos29. März 2006

Nach der Wahl in Israel ist mit einer Zentrum-Links-Koalition zu rechnen, meint Avi Primor, Israels Ex-Botschafter in Deutschland, im Interview mit DW-WORLD.DE. Erste Gespräche mit der Hamas werde es schon bald geben.

Gewählt wurde auch in israelischen Militärposten an der Grenzen zum GazastreifenBild: AP

DW-WORLD.DE: Die Kadima-Partei hat bei der Wahl am 28. März schlechter abgeschnitte als vorher erwartet. Inwieweit wird die Regierungsbildung nun schwierig?

Avi PrimorBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Avi Primor: Die Regierungsbildung wird nicht so einfach sein wie vorausgesagt. Aber dennoch: Das rechte Lager ist schwächer geworden und vor allem nicht vereint. Darum kann es weder eine Koalition bilden, noch kann es eine Zentrum-Links-Koalition verhindern. Das heißt, wir werden eine Koalition haben, die auf der Kadima-Partei und der Arbeitspartei beruhen wird. Hinzukommen werden noch einige kleinere Parteien. Ich gehe davon aus, dass wir in kurzer Zeit eine feste Koalition haben, die über eine Mehrheit im Parlament verfügen wird.

Wie erklären Sie sich, dass die Kadima-Partei etwa zehn Sitze weniger bekommen hat, als vorausgesagt?

Die Experten haben immer gesagt, dass die Kadima-Partei nicht so gut abschneiden wird, wie es in den Umfragen aussah. Darüber hinaus hat der Spitzenkandidat ein paar taktische Fehler gemacht, die ihn ein paar Mandate gekostet haben. Aber was wir im Grunde sehen, ist eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung, die eine Trennung von den Palästinensern anstrebt, bzw. Verhandlungen mit den Palästinensern, wenn möglich sogar Frieden. Die auf jeden Fall aber das Ende der Besatzung und die Räumung von Siedlungen will. Dafür gibt es eine Mehrheit zwischen dem Zentrum und den Linksparteien.

Ehud Olmert hat sich am Wahlabend bereits zu den Palästinensern geäußert. Wie wird sich die neue israelische Regierung demnächst auf die Hamas-Regierung zu bewegen?

Während des Wahlkampfes haben die Spitzenpolitiker aller Parteien gesagt: 'Nie werden wir mit der Hamas-Bewegung oder einer Hamas-Regierung sprechen.' Das bedeutet, wir würden mit den Palästinensern überhaupt keine Verhandlungen führen, denn die werden nun von einer Hamas-Regierung regiert. Wenn überhaupt können wir nur etwas Einseitiges unternehmen. Das war aber wahlbedingt. Sobald die Wahlen vorbei waren, hat selbst der designierte Ministerpräsident Ehud Olmert gesagt: 'Ja, wir wollen mit den Palästinensern verhandeln.' Er hat zwar die Hamas nicht ausdrücklich angesprochen, aber mit wem will er verhandeln, wenn nicht mit der demokratisch gewählten Regierung der Palästinenser? Und das ist die Hamas heute. Er will mit den Palästinensern verhandeln. Die Arbeitspartei wird ihn auf jeden Fall dazu drängen. Und er sagt, erst wenn diese Verhandlungen scheitern, werden wir eine einseitige Lösung, einen einseitigen Rückzug aus den besetzten Gebieten in Betracht ziehen. Also sieht es eher optimistisch aus.

Welchen Zeitrahmen können Sie sich für diese Verhandlungen vorstellen, bevor Ehud Olmert sagt, wir ziehen uns jetzt einseitig zurück?

Unmittelbare Verhandlungen werden wir nicht sofort haben, weil keiner sich verleugnen will. Die Israelis nicht in Bezug auf die Hamas-Bewegung und die Hamas-Bewegung nicht in Bezug auf ihre eigene Ideologie, die Israel nicht anerkennen, die Israel vernichten will. Es wird etwas komplizierter sein.

Wie geht es also nun weiter?

Wir werden vermutlich erst mit Hilfe der Ägypter, die Vermittler sein wollen, hinter den Kulissen sprechen. Zunächst über praktische und pragmatische Dinge, die mit dem Alltagsleben zutun haben. Besonders mit der Verbesserung der Lebensbedingungen der Palästinenser in den besetzten Gebieten. Das wird sich allmählich anhand von Pragmatismus zu einem Friedensprozess entwickeln. Wie schnell das gehen kann, weiß ich nicht. Eines kann ich sagen: Beide Seiten haben Interesse daran. Die Hamas-Bewegung braucht Israel, um die Palästinenser zu befriedigen, die eine Verbesserung der Lebensbedingungen unbedingt fordern. Und Israel braucht Ruhe. Dafür kann die Hamas-Bewegung sorgen. Sie hat seit August 2004 einen einseitigen Waffenstillstand in Kraft gesetzt und respektiert. Attentate in Israel werden heute von anderen Gruppen verübt, nicht von der Hamas-Bewegung. Ich glaube, die pragmatischen Kontakte, um Alltagsprobleme zu lösen, werden unmittelbar beginnen. Sobald die Koalition bei uns gebildet ist. Die Ägypter werden dafür sorgen. Wie schnell sich diese Verhandlungen in einen Friedensprozess entwickeln, kann man nicht voraussehen.

Was kann die neue Hamas-Regierung jetzt tun?

Für Israel gibt es ein Kriterium, und das ist Ruhe. Wenn die Hamas-Bewegung nicht nur ihren eigenen Waffenstillstand weiter hält und respektiert, sondern als Regierung auch die anderen extremistischen Gruppierungen in Grenzen halten kann - um nicht zu sagen bekämpft -, dann wird das ein Zeichen für die israelische Regierung sein.

Wie bewerten Sie das gute Abschneiden der Ultranationalen Partei?

Das rechte Lager ist ja nicht verschwunden. Die Leute, die rechtsextrem oder rechtsnationalistisch oder rechtsreligiös sind, gibt es ja noch. Sie sind etwas schwächer, etwas geringer geworden, aber nicht verschwunden. Nur die Wahlaufteilung ist ein bisschen anders geworden. Eine andere rechtsextremistische Partei hat davon profitiert, dass die Likud-Partei so stark verloren hat. Das ist eine andere Teilung innerhalb des rechten Lagers, obwohl dieses rechte Lager nicht vereint ist.

Avi Primor war von 1993 bis 1999 Israels Botschafter in Deutschland. Heute ist er Direktor des Zentrums für europäische Studien an der Universität in Herzliya.

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