Auf die ganz private Tour
6. Januar 2015Über 64 Milliarden Euro geben die Bundesbürger für die angeblich kostbarsten Wochen des Jahres aus: einen Urlaub im Ausland. Damit gehören sie neben den US-Amerikanern zu den Reiseweltmeistern.
Doch selbst Weltmeister kommen rund um den Globus nicht ohne den versierten Beistand eines Ortskundigen aus, wenn sie ihr Reiseziel abseits touristischer Trampelpfade erkunden möchten. So wie Florian Ziegler aus Bochum. Vor vier Jahren wollte er in Istanbul einen ganz persönlichen Blick hinter die Kulissen der Metropole am Bosporus werfen und entdeckte dabei eine Marktlücke für ein touristisches Zusatzangebot.
Für Ziegler waren Fremdenführer bis dahin vor allem Menschen, die Regenschirme in die Höhe reckten, und denen eine Meute Touristen hinterher trottete. Nur das waren nicht die Guides, die er in Istanbul suchte. Eine Stadt aber aus der Sicht eines Einheimischen erkunden zu können, mit diesem Wunsch, war Ziegler überzeugt, könne er kaum allein stehen. Natürlich nicht nur am Bosporus, sondern letztlich überall auf der Welt.
Marktlücke im Netz
Darum machte er sich rund um den Globus auf die Suche nach Tourguides, die auf die persönlichen Wünsche von Touristen eingehen. "Im Netz habe ich zwar Preisvergleichs-Portale für Hotels, Flüge und Mietwagen gefunden. Aber ich kannte kein Portal, bei dem ich verschiedene Tourguides buchen konnte", so Firmengründer Ziegler zur DW.
Heraus kam die Idee zur Gründung eines Start-up-Unternehmens für ein touristisches Zusatzprodukt, und zwar "rent-a-guide". Das Unternehmen mit Sitz in Bochum stellt auf private Anfrage spezielle Touren mit deutschsprachigen Führern zusammen.
Weltweit hat "rent-a-guide" fünfeinhalbtausend Tourguides in über 110 Ländern unter Vertrag. Mit jedem dieser Führer steht man in Kontakt, entwickelt mit ihnen gemeinsam das Angebot vor Ort. Inzwischen hat das Start-up-Unternehmen aus dem Ruhrgebiet rund 16.000 Touren im Programm. Kulinarische und architektonische Führungen gehören ebenso dazu wie eine Kostümtour in Dresden.
Trüffeltour oder Hochzeitsbegleiter
Darüber hinaus prüft das 20-köpfige Team nach den Worten von Mitarbeiterin Nicole Griefhahn, ob sich spezielle Wünsche realisieren lassen. In der Regel erfährt der Kunde dann innerhalb von zwei Tagen, ob es für seinen persönlichen Touren-Wunsch eine zugeschnittene Lösung gibt - auch für Wünsche, die auf den ersten Blick aus dem Rahmen fallen. So suchte eine Familie einen Führer samt Hund oder Schwein mit feiner Spürnase für eine ganz spezielle Tour im Piemont, und zwar für die Trüffelsuche.
Den dafür passenden Führer mit Trüffel-tauglichem Vierbeiner konnte "rent-a-guide" ebenso ausfindig machen wie einen amtlich anerkannten Begleiter für eine Heirat in Italien. "Ein Paar aus Deutschland brauchte fürs Standesamt eine Begleitung, die von deutsch auf italienisch übersetzt hat, von italienisch auf deutsch. Danach betreute der Guide auch noch die Hochzeitsfeier, was wunderbar funktioniert hat", berichtet Nicole Griefhahn.
Vom Paris-Bummel bis zur Favela-Führung
Bei "rent-a-guide" finden sich Reiseführer für alle Zwecke, von der Shopping-Tour in Modemetropolen wie Mailand bis hin zu Besuchen von Whiskey-Brennereien in Schottland. Auch Gäste von Kreuzfahrtschiffen, die nicht im Tross an den Landausflüge der Reedereien teilnehmen mögen, können bei dem Bochumer Unternehmen einen ortskundigen Guide anheuern. Der holt sie ab, sobald das Schiff im Hafen angelegt hat.
Egal wo auf der Welt: alle Guides, mit denen man zusammenarbeitet, besitzen nach den Worten von Start-up-Gründer Florian Ziegler "die erwiesene Kompetenz für Tour und Thema. Da ist wirklich alles dabei", sagt Ziegler. "Vom pensionierten Polizeibeamten, der Reeperbahnführungen in Hamburg präsentiert, über den pensionierten Architekten, der das halbtags aus Spaß macht, bis hin zu klassischen Vollzeitprofis."
Nachfrage auch für Deutschland
Das Angebot ist breit gefächert. Dazu gehört auch eine private Tour in Paris mit Chauffeur samt einer Führung nach individuellen Schwerpunkten durch den Louvre ohne Wartezeit für rund 600 Euro.
Preisgünstiger, aber nicht minder impressionsreich, ist eine Führung durch die armseligeren Wohngebiete abseits der Copacabana in Rio de Janeiro. Unter Vertrag hat man "einen deutschen Auswanderer, der mittlerweile in einer Favela lebt. Und das ist natürlich eine ganz besondere Sicht der Dinge. Ein Einheimischer, der deutsche Wurzeln hat, der also beide Kulturen kennt."
Die Idee, die aus einem persönlichen Bedürfnis entstand, hat sich inzwischen als markttaugliche Unternehmensgründung erwiesen. Mittlerweile schickt "rent-a-guide" pro Jahr rund 100.000 deutsche Touristen auf Touren aller Art. Der Umsatz liegt im siebenstelligen Bereich - mit steigender Tendenz. Denn das Start-up-Unternehmen verzeichnet auch zunehmend Nachfragen aus dem Ausland nach geführten Individual-Touren durch Deutschland.