1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Privater Strafvollzug: Lukrative Geschäfte hinter Gittern

Nik Martin
11. September 2025

Die Unterbringung von Straftätern ist teuer - und führt oft nur zu mehr Kriminalität und weniger Hoffnung. Die DW untersucht, wie private Auftragnehmer, kriminelle Banden und die Häftlinge selbst das System ausnutzen.

Hochsicherheitsgefängnis in Tecoluca, El Salvador: Ein Gefängniswärter vor Zellen, die aus Beton und schweren Gittern gesichert sind
Auch in einem Gefängnisneubau, wie hier in Tecoluca, El Salvador, ist es nicht "gemütlich"Bild: Alex Brandon/Getty Images

Weltweit geben Regierungen sehr viel Geld aus, um mehr als 11,5 Millionen Menschen einzusperren. Die genauen globalen Kosten sind unklar, doch allein in den USA - dem Land mit den meisten Gefängnisinsassen weltweit - beträgt das Gefängnisbudget 80,7 Milliarden Dollar, das entspricht 69,1 Milliarden Euro, pro Jahr. In Brasilien sind es nur rund vier Milliarden Dollar. Indien, das Land mit der viertgrößten Gefängnisbevölkerung der Welt, gibt fast eine Milliarde Dollar aus.

In vielen Ländern profitieren auch private Unternehmen von der Inhaftierung, vom Bau von Zellen bis zum Verkauf von Telefongesprächen. Im Gefängnis betreiben organisierte Verbrechersyndikate Schmuggelimperien und Erpressungsgeschäfte. Die Insassen kämpfen derweil in einer Schattenwirtschaft ums Überleben, in der Nudeln ihre Währung sind und Arbeit und oft nur wenige Cent pro Stunde einbringt.

Hochsicherheitsgefängnis Cecot in El Salvador - Überbelegung ist ein oft beklagter MissstandBild: Alex Brandon/AP/dpa/picture alliance

Neben den niedrigen Rehabilitationsraten gelingt es den Regierungen auch nicht, eine weitere wachsende Krise einzudämmen: die Überbelegung der Gefängnisse. Penal Reform International, eine Nichtregierungsorganisation, die sich weltweit für gerechte Strafrechtssysteme einsetzt, berichtet, dass 155 Länder mit Überbelegung der Gefängnisse zu kämpfen haben, wobei elf Länder ihre Kapazitäten mehr als verdoppeln. Einrichtungen im Kongo, in Kambodscha und auf den Philippinen sind sogar bis zu 300 oder gar 600 Prozent ausgelastet.

Überbelegung und Gewalt

Der Privatsektor drängt seit den 1980er Jahren in die Gefängnisverwaltung. Die USA, Großbritannien, Mexiko und Brasilien lagern Betrieb und Dienstleistungen zunehmend an kommerzielle Unternehmen aus. Die meisten europäischen, asiatischen und afrikanischen Länder haben sich bisher gegen die Privatisierung gewehrt, wobei einige die Bedeutung der öffentlichen Rechenschaftspflicht betonen.

Die US-Regierung gibt jährlich über 3,9 Milliarden Dollar für private Gefängnisse aus, deren Betreiber mit anderen Dienstleistungen wie Gefangenenverpflegung, Gesundheitsversorgung und Telekommunikation weitere Milliarden verdienen. Diese Gefängnisartikel werden bis zu 600 Prozent teurer verkauft, während Telefongespräche für nur 15 Minuten bis zu 16 Dollar kosten können.

Langeweile und Enge in einem überfüllten Gefängnis im brasilianischen BahiaBild: Brainpix Ag. O Globo/dpa/picture-alliance

Während indische Gefängnisse vollständig staatlich geführt werden, wird das brasilianische System als pervers kritisiert, da es private Betreiber wie Umanizzare dazu anregt, die Zahl der Insassen zu maximieren, anstatt sie zu rehabilitieren, was zu Überbelegung der Gefängnisse und Gewalt führt.

Dies zeigte sich bei zahlreichen Gefängnisaufständen in ganz Lateinamerika, darunter dem Aufstand im Jahr 2017, bei dem in einem überfüllten Gefängnis in Manaus, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Amazonas, fast 60 Menschen ums Leben kamen.

Private Unternehmen bauen und verwalten auch ganze Gefängnisse, liefern Überwachungstechnik, führen Arbeitsprogramme durch und transportieren Häftlinge zwischen Gefängnissen und Gerichten. Sie neigen dazu, die Kosten durch Personaleinsparungen deutlich zu senken, was wiederum die Leistungen für die Häftlinge reduziert.

Leuchtendes Beispiel

Einer der größten Erfolge des privaten Sektors ist ein Gefängnis des britischen Gefängnisbetreibers Serco in Auckland, Neuseeland: Laut Angaben des Betreibers wurden nur 13,6 Prozent der Häftlinge innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Entlassung rückfällig, wie lokale Medien im Januar berichteten. Dies ist weniger als die 34 Prozent bei staatlichen Gefängnissen und unterbietet sogar die Rückfallquote Norwegens von 20 Prozent, die als weltweiter Standard für die Leistung von Gefängnissen gilt.

Private Unternehmen, sagte Benjamin Lessing, Politikwissenschaftler an der Universität Chicago, gegenüber DW. führten Gefängnisse tendenziell effizienter als der Staat". Allerdings, fügt er hinzu: "Sie erfordern eine gründliche Aufsicht."

Philippinen: Blutige Bilanz des Drogenkriegs

03:30

This browser does not support the video element.

Während private Gefängnisse den schlechten Ruf haben, von Strafen wirtschaftlich zu profitieren, kämpfen staatliche Gefängnisse gegen Misswirtschaft und Ineffizienz. So drohte beispielsweise ein New Yorker Richter, die Strafe eines Mannes wegen Steuerbetrugs auf Hausarrest zu reduzieren, wenn er in ein Bundesgefängnis in Brooklyn eingewiesen würde. Wegen mehrerer Morde und Messerstechereien bezeichnete der Richter die Haftbedingungen dort als "barbarisch".

Kriminelle Netzwerke

Jenseits der Bürokratie floriert hinter Gittern eine dunkle Wirtschaft. Organisierte Verbrecherbanden sind tief im Gefängnissystem verankert. Sie betreiben Drogenhandel, Erpressung und Gewalt innerhalb und außerhalb der Gefängnisse. Der Schmuggel von Drogen, Handys und Waffen in Gefängnisse ist eine wichtige Einnahmequelle. Eine brasilianische Gang, deren Name übersetzt "Erstes Hauptstadtkommando" bedeutet, verkauft Drogen zum 10- bis 20-fachen ihres Straßenwerts und Smartphones für bis zu 1.500 Dollar im Gefängnis und verdient damit jedes Jahr Millionen.

Lessing sagt, dass die Versuche der brasilianischen Regierung, gegen Banden vorzugehen, zu höheren Inhaftierungsraten und zum Bau weiterer Gefängnisse geführt hätten. Und auch diese neuen Gefängnisse seien unter die Kontrolle der Banden geraten.

Ein Polizeioffizier schließt das Tor des berüchtigten Tihar-Gefängnisses in Neu Delhi Bild: Saurabh Das/AP Photo/picture alliance

"In Brasilien begannen die Gangs nicht als Mafiafamilien oder Drogenkartelle", erklärte Lessing, Autor des demnächst erscheinenden Buches "Leviathans: How Gangs Govern from Behind Bars". Sie seien als Reaktion auf die brutalen Bedingungen in den Gefängnissen entstanden. "Ihre wahre Innovation bestand darin, eine grundlegende soziale Ordnung durchzusetzen - Vergewaltigung, Diebstahl und Erpressung im Gefängnis zu ächten und gleichzeitig Gewalt zu rationalisieren."

Auch Indiens Gefängnisunterwelt wird von mächtigen kriminellen Netzwerken geprägt. Im Tihar-Gefängnis in Neu-Delhi sind Erpressung, Auftragsmorde und Drogenhandel weit verbreitet. Im Westen Gujarats hat sich das Sabarmati-Zentralgefängnis zu einem Zentrum grenzüberschreitender krimineller Aktivitäten entwickelt, darunter Drogenschmuggel und Geldwäsche.

Rechtsfreie Räume

In überfüllten Zellen haben die Insassen einen informellen, von der Not getriebenen Marktplatz aufgebaut. Alltagsgegenstände - Nudeln, Seife, Zigaretten - werden zur Währung in einem System, in dem das Überleben oft vom Handel abhängt. In vielen Gefängnissystemen gilt unter Häftlingen eine brutale Kreditregel: Nimm eins, zahl zwei oder manchmal auch drei zurück. Das ist eine Art hochverzinslicher Kredit für die Grundbedürfnisse des Lebens und für Schmuggelware, der Insassen schnell in einen Teufelskreis aus Schulden und gewalttätigen Vergeltungsmaßnahmen stürzen kann.

Drogen - hier eine Polizeirazzia in Sao Paulo, Brasilien, sind das Hauptproblem - hinter Gittern und "draußen"Bild: Oslaim Brito/TheNews2/IMAGO

Häftlinge ohne Familienvermögen oder externe Mittel verkaufen oft Drogen an andere Häftlinge, um das Nötigste bezahlen zu können. Sie fungieren als Kuriere, Aufpasser oder Wachen und erhalten dafür Schutz, Essen oder einen Anteil am Gewinn.

Verwandte werden manchmal gezwungen, bei Gefängnisbesuchen oder zur Begleichung von Häftlingsschulden Handys oder Drogen in Körperhöhlen zu verstecken. Die Familien von US-Häftlingen geben derweil laut der Prison Policy Initiative (eine NGO, die zu Kriminalität und einer gerechteren Gesellschaft forscht) jährlich 2,9 Milliarden US-Dollar für Lebensmittel, Telefongespräche und andere Ausgaben im Zusammenhang mit der Haftstrafe ihrer Angehörigen aus. Oft müssen sie auch Gerichtskosten, Schadensersatz oder Geldstrafen zahlen.

Im Gefängnis schließt er sich der Gang vielleicht nicht freiwillig an, befolgt aber deren Regeln, und nach seiner Entlassung hat er Kontakte, die ihm beim Aufbau eines Drogengeschäfts oder anderer krimineller Aktivitäten helfen können. "Auf diese Weise bringen Häftlinge die Macht der Gangs zurück auf die Straße", sagt Lessing gegenüber DW.

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen adaptiert.

 

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen