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Privates US-Raumschiff startet zur ISS

Dirk Lorenzen16. Mai 2012

Erstmals startete eine Dragon-Kapsel zur Internationalen Raumstation ISS. Für den Flug ist nicht die NASA zuständig, sondern die private Firma SpaceX.

Dragon Raumkapsel (Foto: NASA/dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Seit dem Ende der Shuttle-Flüge im Juli 2011 hat die US-Weltraumbehörde NASA ein Problem: Die Amerikaner haben derzeit kein Raumschiff, das Material oder Menschen zur Internationalen Raumstation ISS befördern kann. US-Astronauten müssen in russische Soyuz-Kapseln klettern, um in die Erdumlaufbahn zu gelangen. Bei der Beförderung von Material sind die ISS-Betreiber auf die kleinen russischen Progress-Raumschiffe, das japanische HTV und Europas großen ATV-Transporter angewiesen. Doch zumindest beim Materialtransport könnte die für die stolze Weltraumnation fast demütigende Zwangspause bald vorbei sein.

Die Shuttle-Lücke soll die Dragon-Kapsel der privaten Firma SpaceX füllen. Der erste Start am Samstag (19.5.2012) wurde allerdings abgebrochen. Nach ersten Angaben der NASA hatte ein Computer in der Druckkammer technische Werte außerhalb der Normalwerte gemessen und daraufhin den Start gestoppt. Das Shuttle blieb am Boden. Am Dienstag, den 22.5., hob die Rakete «Falcon 9» mit der Kapsel
«Dragon» an der Spitze dann aber in Cape Canaveral im US-Staat Florida ab. Das Raumgefährt soll am Freitag an die ISS andocken.

Ein Internet-Unternehmer für die Raumfahrt

SpaceX wurde vor zehn Jahren vom Unternehmer Elon Musk gegründet, der zuvor mit Bezahlsystemen im Internet zu Reichtum gekommen war. Die Firma beschäftigt inzwischen viele erfahrene Ingenieure, die von der NASA oder anderen Firmen im Luft- und Raumfahrtbereich gekommen sind. Der nun Dragon-Flug soll das Gesellenstück von SpaceX werden: Die Kapsel von der Form eines Kegelstumpfes, knapp sechs Meter lang und gut dreieinhalb Meter dick, muss perfekt die Bahn der Internationalen Raumstation treffen. Während der ersten drei Flugtage absolvieren die Ingenieure ausgiebige Tests, die zeigen sollen, dass sich das Raumschiff fehlerfrei steuern lässt.

Rund drei Tonnen Material passen bei voller Beladung in die Dragon-KapselBild: AP

"Dieser Flug der Dragon-Kapsel ist eine Kombination aus zwei Testflügen", erläutert NASA-Chef Charles Bolden. "Zum einen müssen sie zeigen, dass sie das Raumschiff perfekt kontrollieren können. Zum anderen geht es darum, sich der ISS auf wenige Meter zu nähern, um dann von den Astronauten per Greifarm eingefangen zu werden." Nach dem Willen der US-Regierung übernehmen künftig private Firmen den Routinetransport in die Umlaufbahn. Die NASA widmet sich vor allem Zielen jenseits der ISS. Sie entwickelt eine Großrakete und ein neues Raumschiff für bemannte Flüge zum Mond, zu Asteroiden oder gar zum Mars. Nachdem SpaceX im Dezember 2010 als erste private Firma eine Kapsel in die Erdumlaufbahn und wieder sicher zurück zur Erde gebracht hat, setzt Charles Bolden große Hoffnungen in den Testflug zur ISS: "Wir sind sehr zuversichtlich. Bei SpaceX haben sie bereits gezeigt, dass sie wissen, wie man etwas ins All und zurück zur Erde bringt."

Die Raumstation schnappt den Drachen

Während der komplexen Testmanöver muss die Dragon-Kapsel einen Sicherheitsabstand von mindestens zweieinhalb Kilometern zur Raumstation einhalten. Zu groß ist das Risiko, dass die Kapsel im Falle eines Fehlers mit der ISS kollidiert und die sechs Menschen an Bord gefährdet. Erst wenn die Tests der ersten Flugtage erfolgreich verlaufen sind, geben die Partner der Internationalen Raumstation grünes Licht für den endgültigen Anflug. "Dann nähert sich die Dragon-Kapsel der ISS auf einige Meter, die Astronauten schnappen sie mit Hilfe des Greifarms der Raumstation und koppeln sie an", erklärt Charles Bolden.

Die Rakete startete am Dienstag und machte sich auf den Weg zur ISSBild: AP

Weil die Chance des Scheiterns bei einem Testflug recht hoch ist, hat die NASA die Dragon-Kapsel nur sehr wenig beladen. Die Kapsel könnte etwa drei Tonnen Material transportieren, tatsächlich sind jetzt nur etwa 450 Kilogramm an Bord: Nahrungsmittel, Kleidung und weniger wichtige Ausrüstungsgegenstände. Nach etwa zehn Tagen als Teil der ISS soll die Dragon-Kapsel wieder ablegen und etwa 600 Kilogramm Material zurück zur Erde bringen, vor allem nicht mehr benötigtes Werkzeug und Proben wissenschaftlicher Versuche, die in den ISS-Laboren durchgeführt wurden. Geht alles gut, wird SpaceX zwölf weitere Transportflüge zur ISS übernehmen, für die die NASA insgesamt 1,6 Milliarden Dollar bezahlt.

Private Industrie statt staatlicher Behörde

Zwar ist nun oft von der Privatisierung der Raumfahrt die Rede. Doch der Dragon-Flug ist keineswegs etwas so dramatisch Neues, wie manche Beobachter in den USA behaupten. "Jetzt nennen sie das kommerziell, ich würde das eher industriell nennen, weil sie nur einen Kunden haben – und der Kunde ist die NASA", erklärt Michael Menking, Direktor für die ISS bei EADS-Astrium in Bremen. "Wenn man das Ganze auch in den USA jetzt unter einem industrialisierten Ansatz fährt, dann ist das, glaube ich, für die Zukunft der richtige Weg. Das hat Europa bisher gezeigt." In Europa bauen private Firmen schon lange Raumschiffe und Raketen, etwa die Ariane oder den ATV-Transporter für die Raumstation.

Europas Weltraumorganisation ESA kauft diese Leistungen zum lange zuvor vereinbarten Festpreis ab. Diese Variante gilt als preiswerter und verlangt von den Firmen, selbst einen großen Teil der Verantwortung für die Planung und die Budgets von Raumfahrtprojekten zu übernehmen. Die NASA übernimmt bei den Dragon-Flügen zur Raumstation nun dieses Vorgehen. "Wir sehen die amerikanischen Versorgungsfahrzeuge nicht als Konkurrenz", betont Michael Menking. "Für uns sind das Partnerfahrzeuge, die gemeinsam mit uns die Raumstation versorgen und damit ihren Beitrag zur Forschung und zum Betrieb auf der ISS leisten."

"Nicht nur für die NASA entscheidend"

In der Raumstation sitzen alle im selben Boot – es ist für alle wichtig, dass künftig mehr Material nach oben und wieder nach unten gelangen kann. Gerade der Transport von Material zurück zur Erde ist seit dem Ende der Shuttle-Flüge so gut wie unmöglich. In diese russischen Soyuz-Kapseln, mit denen die Menschen zur Erde zurückkehren, passt so gut wie kein Gepäck. Europas ATV- und Japans HTV-Raumschiffe sind Einweg-Fahrzeuge, die nach dem Flug nach oben in der Atmosphäre verglühen.

"Daher ist dieser Flug nicht nur für die NASA entscheidend, sondern auch für die internationalen Partner", erläutert Jan Wörner, Chef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR. "Das gilt auch für den Transport von Menschen zur ISS, bei dem wir im Moment allein von den russischen Soyuz-Kapseln abhängen. Es wäre für alle gut, wenn in einigen Jahren zur Sicherheit auch ein zweiter Weg zur Verfügung steht." Bewähren sich die Dragon-Kapseln und die Falcon-9-Raketen von SpaceX im Routinebetrieb, so könnten sie zu bemannten Raumschiffen ausgebaut werden. Vielleicht gelangen in knapp fünf Jahren dann auch Menschen an Bord der fliegenden Drachen zur ISS.

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