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PRO: Siemens muss Verträge einhalten

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Henrik Böhme
14. Januar 2020

Der Siemens-Konzern hält an seinem umstrittenen Auftrag für eine gigantische australischen Kohlemine fest. Das konnte auch gar nicht anders sein. Aber in Zukunft muss sich das ändern, meint Henrik Böhme.

Siemens-Chef Joe KaeserBild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Das wäre sicherlich interessant geworden: Luisa Neubauer, eines der bekanntesten Gesichter der Fridays-for-Future-Bewegung, im Aufsichtsrat der künftigen Siemens Energy AG. In diesem neuen Unternehmensteil will der Münchner Industriekonzern all seine Energie-Aktivitäten bündeln. Der Bau einer Signalanlage für den Zugtransport zwischen der vom indischen Adani-Konzern geplanten Kohlemine in Australien hin zu den Verladeanlagen an der australischen Ostküste hingegen wird von Siemens Mobility verantwortet, einem weiteren Tochterunternehmen des Konzerns.

Gegen die sogenannte Carmichael-Mine gibt es seit längerem schon weltweite Proteste, auch deswegen, weil die Verschiffung der Kohle das Great-Barrier-Korallenriff bedroht. Und weil - klar - die Kohle als Energieträger einen mittlerweile arg ramponierten Ruf hat. Deswegen haben sich schon etliche Unternehmen aus dem australischen Mega-Projekt zurückgezogen, auch Investoren, Versicherer und Banken gehen längst auf Distanz. Bloß eben Siemens nicht. Dort haben sie entweder den Schuss nicht gehört oder aber die Tragweite ihrer Entscheidung nicht begriffen. Vielleicht aber haben sie auch gedacht: Machen wir es nicht, macht es ein anderes Unternehmen.

Kleiner Schaden, große Wirkung

Auch der Konzernchef Joe Kaeser, der Luisa Neubauer am vergangenen Freitag getroffen hat und sie mit dem Angebot überraschte, doch Mitglied des Aufsichtsrats von Siemens Energy zu werden, auch Joe Kaeser erfuhr erst im Dezember von dem umstrittenen Auftrag. Das verwundert nicht bei einem Konzern mit einem Gesamtumsatz von 87 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr; da gehen läppische 19 Millionen für eine Zugsignalanlage nicht über den Tisch des Konzernchefs. Mit dem Auftrag ist das Unternehmen einen zu erfüllenden Vertrag eingegangen, aus dem man nicht mal eben aussteigen kann. Sonst könnten sich die Klimaaktivisten auch gleich vor den Toren des Wolfsburger VW-Werkes aufbauen und das Ende der Autoproduktion fordern. 

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Sicher könnten die Münchner einen Ausstieg finanziell verkraften, auch mögliche Vertragsstrafen oder Entschädigungszahlungen. Aber der Ruf als verlässlicher Lieferant hätte gelitten. Aber das Kind ist nun mal in den Brunnen gefallen - und daher kann die Parole nun nur noch heißen: Schadensbegrenzung. Als erstes muss der Konzern seine Frühwarnsysteme in Ordnung bringen, damit solche Dinge nicht wieder passieren. Das dürfte Kaesers erste Priorität sein, schließlich soll das Unternehmen schon in zehn Jahren klimaneutral sein.

Und zweitens ist die Abkehr von fossilen Branchen längst im Gange. Dafür steht die sogenannte Divestment-Bewegung. Die gibt es schon länger. Mal ging es darum, nicht in Südafrika zu investieren, um die Apartheid-Politik zu bekämpfen. Auch gegen die Tabakindustrie richtete sich eine Divestment-Kampagne. Nun, in Zeiten des Klimawandels geht es um das Abziehen von Geldern aus fossilen Branchen. Der weltgrößte Versicherungskonzern Allianz etwa versichert seit Mitte 2018 keinen Bau oder Betrieb von Kohlekraftwerken mehr und will bis 2040 seine Gelder komplett aus Unternehmen abziehen, die neue Kohlekraftwerke bauen wollen.

Grün, ja grün sind alle meine Kleider

Ähnlich agiert der französische Allianz-Konkurrent Axa. Selbst der Rockefeller Brothers Fund, eine Stiftung, die von Nachfahren des legendären Öl-Magnaten gegründet wurde, ist seit Jahren dabei, Hunderte von Millionen Dollar aus dem Öl- und Kohlegeschäft abzuziehen.      

All das geht in die richtige Richtung, wobei nicht sicher ist, wie wirksam zum Beispiel die Sache mit dem Divestment ist. Das dürfte am Ende nur funktionieren, wenn die ganz großen Investoren wie zum Beispiel BlackRock mitspielen würden - selbst von dort kommen neuerdings völlig neue Töne in Sachen Klimaschutz. Und immer mehr Unternehmen stellen sich unabhängig davon das Ziel, ab einem bestimmten Zeitpunkt klimaneutral oder gar CO2-frei zu produzieren. So etwas wird zunehmend zu einem Verkaufsargument.              

Dem dürfte auch Luisa Neubauer zustimmen. Dass sie das Angebot mit dem Aufsichtsratsposten nicht annehmen würde, dürfte auch dem Siemens-Chef klar gewesen sein. Andererseits muss in der Konzernzentrale klar sein: Gegen die junge Generation wird Siemens hoffentlich keine Entscheidungen mehr treffen.

Sie sind anderer Ansicht? Dann lesen Sie auch den CONTRA-Kommentar zu diesem Thema von Malte Rohwer-Kahlmann. 

 

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