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Probleme statt Whiskey

Bernd Riegert, zurzeit Tullamore16. April 2004

Die EU-Außenminister werden bei ihrem Treffen wenig Muße für die Schönheiten der irischen Landschaft haben. Heikle Themen wie Nahost und der Irak stehen auf der Agenda.

Sorgen bereden: <br>Außenminister Straw und FischerBild: AP

Rund um die gotische Kirche aus grauem Sandstein im irischen Städtchen Tullamore, mitten in grünen Hügeln, auf denen Schafe grasen, geht es normalerweise beschaulich zu. Tullamore in den Midlands ist vor allem berühmt für seinen Whiskey, den Tullamore Dew. Seit einigen Tagen aber steht die Stadt Kopf. Neben dem Court Hotel, in dem die Außenminister der Europäischen Union tagen, wurde eine Stadt aus weißen Zelten und beigen Containern für Presse und Delegationen gebaut. Die Dorfschule wurde zur Sicherheitsschleuse umfunktioniert. Polizisten sichern die Zufahrten. Auf den Bürgersteigen haben die Stadtväter die Fahnen aller 25 heutigen und künftigen EU-Mitglieder aufgestellt. Die Hausfrauen haben noch schnell ihre Einkäufe erledigt, bevor am Freitag und Samstag (16.-17.4.) wegen der Sicherheitsstufe die Straßen teilweise gesperrt werden.

Heikle Probleme

In der malerischen Umgebung werden sich die Minister mit heiklen Problemen auseinandersetzen. Der Gastgeber, der irische Außenminister Brain Cowen, möchte mit seinen Kollegen vor allem über die Lage im Irak und die Nahost-Politik beraten. Die USA wollen trotz der eskalierenden Kämpfe mit radikalen Schiiten im Irak die Macht am 30. Juni an eine zivile Regierung abgeben. Die EU-Außenminister wollen überlegen, wie die Europäer diese Machtübergabe unterstützen könnten und welche Rolle die Vereinten Nationen im Irak spielen sollten. Viele Regierungen, die Truppen im Irak haben, stehen wegen der Kämpfe und der Entführungen von Ausländern unter starken innenpolitischen Druck. Erwartet wird, dass der neue spanische Außenminister Moratinos, die Abzugspläne für die spanischen Soldaten bekräftigen wird. Polen hat zwar angekündigt, seine Truppen vorerst im Irak zu belassen, erwartet aber mehr Hilfe von der NATO. Auch die italienische Regierung sieht sich mit wachsender Kritik an ihrer Truppenstationierung im Irak konfrontiert.

Einmütig werden die Minister aber das angebliche "Versöhnungsangebot" von Terroristenführer Osama bin Laden zurückweisen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte bei einem Besuch in den Niederlanden, Europa werde sich im Kampf gegen den Terror nicht spalten lassen. Jeder Versuch, die Europäer in Befürworter und Gegner des Irak-Krieges aufzuteilen und daraus auf eine unterschiedliche Haltung zum Terror zu schließen, werde fehlschlagen, so Schröder. Der britische Außenminister Jack Straw sagte vor seinem Eintreffen in Tullamore, man werde Osama bin Ladens angebliche Botschaft, wonach Terrorangriffe auf Staaten eingestellt werden, die aus dem Irak abziehen und Israel nicht unterstützen, mit Verachtung strafen. Der amerikanische Geheimdienst CIA geht davon aus, dass die Tonband-Botschaft tatsächlich von dem untergetauchten Top-Terroristen stammt, berichten amerikanische Medien.

Bush, die "Road Map" und die Europäer

Überwiegend kritisch sehen die europäischen Außenminister die Kehrtwende der USA in der Nahost-Politik. Javier Solana, der EU-Beauftragte für Außenpolitik, hält einseitige Zusagen der USA an Israel, es könne Siedlungen behalten, die nach 1967 gebaut wurden, für wenig hilfreich. Abschließende Verhandlungen können nur von den Parteien, also Israel und den Palästinensern geführt werden, so Solana. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer wird in Tullamore seinen Standpunkt bekräftigen, dass im Interesse beider Seiten eine endgültige Lösung im Rahmen des Friedensplanes "Road Map" gefunden werden müsse. Diesen Plan hatten die USA, Russland, die EU und die UN zusammen entwickelt. Er sieht die Gründung eines Palästinenserstaates vor in Grenzen, die von den Parteien ausgehandelt werden sollen. Europäische Diplomaten kritisierten in Tullamore, dass das amerikanische Vorgehen, die "Road Map" des Nahostquartetts faktisch sprenge.

Die Außenminister der Europäischen Union werden bei ihrem zweitägigen informellen Treffen auch über die Aufhebung des Waffenembargos gegen China beraten. Frankreich und Deutschland befürworten eine Beendigung das Embargos, das vor 15 Jahren wegen des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking verhängt wurde. Das sich wandelnde China und die EU seien viel zu enge Handelspartner, als dass ein Waffenembargo noch in die politische Landschaft passe. Allerdings kritisieren Menschenrechtsgruppen die anhaltende Verletzung der Menschenrechte in China, für die das kommunistische Regime in Peking nicht belohnt werden dürfe. Taiwan weist daraufhin, dass Waffen, die China aus Europa erhalte, gegen die Inselrepublik eingesetzt werden könnten. Am Montag wollen die EU-Außenminister über das Thema noch einmal mit ihrem chinesischen Kollegen Li Zhaoxing sprechen, der in Irland an einem Treffer der EU mit den ASEAN-Staaten teilnimmt. Eine Entscheidung zur Aufhebung des Embargos wird dann voraussichtlich am 26. April bei der nächsten Routine-Sitzung der Außenminister in Brüssel fallen, kündigte eine Sprecherin an.

Verfassung kein Thema

Auf der Tagesordnung in Tullamore steht noch die angespannte Lage Kosovo und die Übernahme der SFOR-Truppe in Bosnien-Herzegowina durch die Europäische Union von der NATO. Nicht gesprochen wird über mögliche Kompromisse bei der EU-Verfassung, so irische Diplomaten. Allerdings werde man wohl einen Zeitplan zum weiteren Vorgehen verabschieden. Bis Mitte Juni soll ein Verfassungskompromiss auf dem Tisch liegen, der bislang am Widerstand Polens und Spaniens gescheitert war. Das hatten die Staats- und Regierungschefs der Union bei ihrem letzten Gipfeltreffen Ende März angekündigt.

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