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Produktpiraterie nimmt nach EU-Beitritt zu

Manfred Götzke25. April 2005

Alles nur geklaut? Immer mehr nachgemachte Markenprodukte aus Osteuropa kommen auf den deutschen Markt, fürchten Experten. Die EU-Erweiterung erleichtere den Fälschern ihr Geschäft - obwohl es Gesetze dagegen gibt.

Gute Zeiten für MarkenfälscherBild: BilderBox

Auf dem Wochenmarkt im nordrumänischen Borsa gibt es schöne Dinge zu kaufen. Zum Discount-Preis - wie der Werbefachmann sagt. Adidas-Turnschuhe für zehn Euro, "CK One"-Parfüm für sieben, und sogar die neue Britney-Spears-CD, fünf Euro, originalverpackt - nur nicht originalgemacht.

Rüdiger von Fritsch-Scherhausen, Vizechef des Bundesnachrichtendienstes (BND), befürchtet, dass diese Schnäppchen künftig vermehrt auch in Deutschland zu haben sind: "Raubkopien von CDs zum Beispiel gelangen in großem Umfang aus dem Raum östlich der Außengrenzen auf die Märkte." Die Regierungen der östlichen Staaten hätten Gegenmaßahmen getroffen und Gesetze den westlichen Normen angepasst. "Aber Kompetenzwirrwarr und Korruption verhindern die Anwendung."

Von Potenzpille bis Blinklicht

Raubkopien sind weltweit unterwegs - nicht nur DVDs, auch Parfüm und Schuhe werden nachgebautBild: AP

Der deutschen Wirtschaft entgehen so jedes Jahr 20 bis 30 Milliarden Euro und 70.000 Arbeitsplätze, wie die Europäische Kommission schätzt. Das Geschäft im Osten ist straff organisiert: Die Plagiate werden in Osteuropa oder Asien produziert, und im Straßenhandel oder durch Bestechung wieder in ganz legalen Geschäften verkauft. Der BND spricht von organisierter Kriminalität, die großen Fische seien vor Strafverfolgung gefeit - weil sie hohe Schmiergelder zahlen.

2003, also vor dem EU-Beitritt der zehn neuen Staaten, hat der deutsche Zoll 50 Millionen Produktnachahmungen beschlagnahmt. Darunter die kuriosesten Fälschungen: 41.000 Viagratabletten oder 11.000 Blinklichter. Fritsch-Scherhausen befürchtet, dass nun, nach dem EU-Beitritt, weniger sichergestellt wird: "Regelmäßige Zollkontrollen werden wegfallen, gleichzeitig werden Güter und Personenverkehr zunehmen." Ein schon lange bestehendes Angebot jenseits der Grenze werde auf den deutschen Markt kommen.

Produktpiraten spionieren Firmen aus

Auch aus diesem Grund versuchen die Unternehmen, sich zu schützen. Nicht nur die Produzenten von CDs und Markenschuhen. Der Sicherheitschef des Chipherstellers Infineon, Jürgen Järnecke, behält die Märkte im Auge, auch Internetversteigerungen - da stelle er dann oft fest, "dass Waren, die dort angeboten werden, sicher nicht von uns sein können".

Auch Maschinen haben die Piraten im Visier. Dafür spionieren sie auch Firmen ausBild: dpa

Um Hightechprodukte wie Chips oder Maschinen zu kopieren, gehört mehr dazu als das Aufkleben gefälschter Etiketten. Oft erlangen Produktpiraten die vertraulichen Informationen durch Spionage. "Wir müssen davon ausgehen, dass gerade auch deutsche Unternehmen dezidiertes Ziel der Spionage von Konkurrenzunternehmen, aber auch von Nachrichtendiensten in anderen Weltregionen sind", erklärt Fritsch.

Zu sorglos mit Geheimdaten

Und die Gefahr steigt, je mehr Daten die Unternehmen digital speichern und übermitteln. Von spektakulären Hacker-Attacken auf geheimste Dateien vermeintlich sicherer Firmenrechner wird immer wieder berichtet. Fritsch kritisiert einen unvorsichtigen Umgang mit sensiblen Daten. Unternehmen würden selbst ganze Verträge ungeschützt übers Handy übermitteln: "Genauso gut könnten wir häufig ein Megafon benutzen, das hätte denselben Effekt."

Trotz Spionagegefahr und Kopierfreude: Den Unternehmen scheint der EU-Beitritt der Osteuropäer eher zu nutzen als zu schaden. Denn sonst würden sie ihre Originale nicht zunehmend da produzieren, wo sie bisher nur kopiert werden.

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