Promi-Fotos versus Menschenrechte
28. Juni 2004
"Hannover gegen Deutschland" - der Titel der Rechtssache klingt wie ein Fußballmatch. "Hannover" steht in diesem Fall für einen Liebling der Klatschpresse, Prinzessin Caroline von Monaco, Ehefrau von Ernst August Prinz von Hannover. Die Adelige hatte beim Gericht in Straßburg Beschwerde eingelegt und bekam am Donnerstag (24.6.2004) Recht.
Fotos, die sie privat an öffentlichen Orten zeigen, dürfen nicht mehr ohne ihre Einwilligung publik gemacht werden. Die sieben Richter watschten damit das deutsche Bundesverfassungsgericht ab. Es hatte 1999 entschieden, dass die Prinzessin als "absolute Person der Zeitgeschichte" die Veröffentlichung von Fotos hinnehmen muss, wenn diese sie in einem öffentlichen Raum zeigen. Im konkreten Fall waren das Schnappschüsse in den deutschen Illustrierten "Bunte" und "Neue Post", die sie beim Reiten, Skifahren und Baden zeigten.
Fehlt die Balance?
So geht's nicht, meinten die Hüter der Menschenrechte in Straßburg. Die Balance zwischen dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Schutz des Privatlebens sei in Deutschland nicht gegeben. Die Öffentlichkeit könne "kein legitimes Interesse daran geltend machen zu erfahren, wo Caroline von Hannover sich aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält."
Europas Jet Set klatsch begeistert in die Hände. "Ein wunderbares Urteil", befand Carolines Verteidiger, der Hamburger Medienanwalt Matthias Prinz. Aber so mancher wundert sich dann doch, dass das 1959 gegründete Organ, welches sonst über gewichtige Themen wie das Todesurteil gegen den PKK-Führer Öcalan brütet, einer Prinzessin Recht gibt, deren Fürstenhaus sich jahrelang zu gern im öffentlichen Rampenlicht sonnte. Und deren Gatte nicht nur die Boulevardblätter mit Themen versorgt, wenn er mal wieder Journalisten verprügelt oder seine Notdurft bierselig an einem Pavillon der Weltausstellung Expo verrichtet.
Das Gericht vor Gericht
Die Entrüstung der Presse war vorprogrammiert. Die deutschen Blätter schießen sich auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Von Zensur und einer fatalen Auswirkung auf jegliche Art von Bildberichterstattung in Europa ist die Rede. Die Medien würden zum "Hofberichterstatter" degradiert, klagt Wolfgang Fürstner, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger. Das Gericht schreibe der Öffentlichkeit vor, was diese zu interessieren habe. Die Süddeutsche Zeitung spricht von einer "konservativ-elitären Betrachtung" Straßburgs, für die "nur ernsthafte Beiträge zur öffentlichen Debatte von Gewicht seien". Die Bundesregierung prüft laut Justizministerium, ob es eine Klage gegen das Urteil einreicht.
Legitimes Interesse an Personen?
Aber geht es nicht bloß darum, die Prominenten vor skandalsüchtigen Paparrazzi zu schützen, die nach Bildern geifernd hinter jedem Busch lauern? Ist die Pressefreiheit in Gefahr, wenn keine Fotos mehr von badenden Celebrities erscheinen dürfen? Ja, ist sie, sagen die deutschen Medienvertreter. Denn wenn die Stars sich demnächst selber aussuchen dürften, wie und wann sie abgelichtet werden, könne von objektiver Berichterstattung in der Tat nicht mehr die Rede sein. Das Interesse an Personen der Zeitgeschichte sei legitim, besonders dann, wenn die sich daneben benehmen. Das sehen die Straßburger Richter offenbar nicht so.