Ghetto-Präsident Bobi Wine: Uganda ist keine Monarchie
13. September 2017Nach geltendem Gesetz dürfen Präsidentschaftskandidaten in Uganda nicht älter sein als 75 Jahre. Deshalb dürfte Präsident Yoweri Museveni bei den nächsten Wahlen im Jahr 2021 nicht erneut antreten. Nach dem Willen der Regierungspartei soll eine Verfassungsänderung das nun ermöglichen. Der Musiker und Parlamentarier Bobi Wine macht sich im DW-Interview Luft.
DW: Du hast vorhin zu deinen Freunden gesagt, heute sei der traurigste Tag für Uganda. Was ist passiert?
Bobi Wine: Heute haben die Mitglieder der Regierungspartei NRM über einen Beschluss abgestimmt, die Altersbegrenzung für Staatsangestellte aus der Verfassung streichen zu wollen. Ich finde das sehr unpatriotisch und eigennützig. Sie versuchen, die Herrschaft eines Präsidenten zu verlängern, der ohnehin schon seit 31 Jahre an der Macht ist und damals durch einen Militärputsch an die Macht kam. Einst hat dieser Präsident gesagt: das Problem Afrikas sind die Präsidenten, die zu lange an der Macht sind und durch Günstlingswirtschaft regieren. Heute ist er selbst einer von ihnen. Es ist sehr schade, dass meine Kollegen im Parlament nicht einsehen, dass unser Land verkommt – und zwar aufgrund unserer Herrscher.
War Präsident Yoweri Museveni schon an der Macht als du geboren wurdest?
Ich war erst vier Jahre alt, als Museveni an die Macht kam. Heute bin ich 35, also quasi auch schon ein alter Mann mit ein paar grauen Haaren – und wir haben immer noch denselben Präsidenten. In anderen Ländern kamen neue Herrscher an die Macht, haben neue Ideen eingebracht, die letztlich zum Wachstum beitrugen. Wir scheitern daran, dank unserem Präsidenten, der noch immer derselbe ist.
Gab es einen Schlüsselmoment, in welchem du entschieden hast, in die Politik zu gehen?
Nach den Wahlen 2016, die übrigens manipuliert wurden, habe ich gesehen, dass es keine Chance auf einen friedlichen Machtwechsel gibt, und habe mich entschieden. Damals drohte das ganze Land in politische Apathie abzudriften. Da habe ich mir vorgenommen, vor allem der jungen Generation wieder Hoffnung zu geben, dass wir unser Schicksal selbst entscheiden können.
Die große Mehrheit der ugandischen Bevölkerung ist jung, rund 75 Prozent sind unter 35 Jahre alt. Wie wichtig ist es, im Parlament junge Abgeordnete zu haben?
Es ist sehr wichtig, denn nur wir jungen Leute können die Herausforderungen unserer Zeit analysieren. Wir sehen das Leben anders, wir müssen ganz anders um unser Überleben kämpfen als unsere Eltern. Wir wissen auch, welche Bildung wir brauchen, um in unserer Zeit zurecht zu kommen. Wir müssen mit dem Klimawandel klarkommen, mit dem hohen Bevölkerungswachstum und den schnellen Veränderungen in der Technologie und so weiter. Wenn wir mehr junge Leute in der Politik haben, die diese Sachen verstehen, dann können wir die Herausforderungen unserer Zeit angehen.
Wo siehst du dich in fünf oder zehn Jahren?
Ich sehe mich in Uganda – und so Gott will, hoffentlich immer noch am Leben.
In der Politik?
Tja, unsere politische Zukunft ist sehr ungewiss. Deswegen würde ich sagen, lebe ich jeden Tag so, wie es kommt. Ich hoffe das Beste und bin bereit für das Schlimmste.
Du kritisierst den Präsidenten sehr offen. Ist das ein Risiko?
Ja, unser Präsident hat nur eines im Sinn, nämlich sich an der Macht festzuklammern. Er hat absolut keine Scheu, alle erdenklichen Mittel anzuwenden gegen diejenigen, die ihn herausfordern. Aber wir können nicht einfach still dasitzen. Wenn Uganda eine Monarchie wäre, würde ich sagen: okay. Aber unsere Verfassung gibt uns Rechte. Und ich will diese Rechte nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern auch in der Praxis mich darauf berufen.
Wen siehst du als Nachfolger?
Da Uganda keine Monarchie ist, kann doch jeder ordentliche Ugander Nachfolger werden.
Siehst du dich selbst als Präsident in der Zukunft?
Na, ich bin doch Ugander! Und ich habe das passende Alter!
Warum hast du dich keiner Oppositionspartei angeschlossen, sondern entschieden, dich als unabhängiger Kandidat aufstellen zu lassen?
Was Uganda jetzt braucht, ist nicht eine politische Partei, sondern eine Stimme, die alle Ugander vereint. Jede Partei hat doch ihre eigenen politischen Interessen. Aber wir Ugander zusammengenommen haben doch auch gewisse Erwartungen und Herzenswünsche für die Zukunft. Wir sollten uns also gemeinsam dafür einsetzen, dass wir die Dinge ändern – unabhängig davon, welcher Partei man angehört, welcher Ethnie und Religion. In dieser Situation, in der wir derzeit feststecken, müssen wir zusammenhalten.
Stell dir mal vor, der 35-jährige Bobi Wine von heute hätte 1986 den damals noch jungen Präsidenten Museveni getroffen. Hättet ihr euch verstanden?
Hätte ich Museveni getroffen, als er damals in meinem Alter war, wären wir sicher die besten Freunde geworden. Denn die meisten Dinge, die ich heute sage, sind genau die Dinge, die Museveni damals in den frühen 1980er Jahren gesagt hat, als er in meinem Alter war. Es ist wirklich sehr schade, dass er jetzt genau dasselbe tut, wie die damaligen Herrscher, die ihn damals veranlasst haben, in den Busch zu gehen und gegen sie zu kämpfen. Und es ist noch bedauerlicher, dass er von uns erwartet, einfach still zu halten und ihm dabei zuzuschauen.
Ist es für dich gefährlich, ihm jetzt seine eigenen Worte von damals um die Ohren zu hauen?
Es sollte im Prinzip nicht gefährlich sein. Es sollte normal sein, die Wahrheit zu sagen. Es kommt die Zeit, in der man aussprechen muss, was weder sicher, noch bequem ist, aber richtig.
Bobi Wine, mit bürgerlichem Namen Robert Kyagulanyi Ssentamu, ist einer der bekanntesten Musiker Ugandas. Durch die gleichnamige Reality-TV-Sendung bekam er den Beinamen "Ghetto President". Im April gab er bekannt, als Parteiloser für die Nachwahl des Parlamentsabgeordneten im Bezirk Kyaddondo East zu kandidieren. Seine Kampagne, in der er Wähler in ihren Häusern besuchte, erregte großes Aufsehen. Die Wahl im Juni gewann er mit deutlichem Vorsprung. Mit 35 Jahren ist Bobi Wine einer der jüngsten Abgeordneten im ugandischen Parlament.
Das Interview führte Simone Schlindwein