Prominente fordern Reporter-Freilassung
2. Januar 2011An der Solidaritätsaktion der Zeitung "Bild am Sonntag" (Ausgabe vom 02.01.2011), deren Redaktion die Reporter angehören, beteiligen sich unter anderen mehrere Bundesminister, Vertreter aller Bundestagsparteien, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Wirtschaftsführer sowie Nobel- und Oscar-Preisträger. Die beiden Deutschen werden in Täbris festgehalten. Sie hatten den Sohn der zum Tode durch Steinigung verurteilten Iranerin Sakineh Mohammadi Aschtiani interviewen wollen. Nach iranischer Darstellung verstießen die Journalisten gegen das Gesetz, weil sie mit einem Touristenvisum einreisten.
Ehebrecherin und Mörderin?
Der Fall Aschtiani hatte weltweit Empörung ausgelöst. Sakineh Mohammadi Aschtiani soll eine Beziehung mit dem Cousin ihres Ehemannes gehabt haben. Der Cousin soll den Ehemann später umgebracht haben. Angeblich war Aschtiani an dem Mord beteiligt. Nach scharfem internationalem Protest hatte der Iran den Vollzug der Steinigung ausgesetzt, nun könnte Aschtiani allerdings wegen Beihilfe zum Mord zum Tode durch den Strang verurteilt werden.
Im Iran wird seit 1979 die Scharia, das islamische Recht, angewendet. Es sieht unter anderem für Ehebruch, Mord und Raub die Todesstrafe vor.
"Dazu dürfen wir nicht schweigen!"
"Die beiden [deutschen Reporter] müssen so schnell wie möglich freikommen und nach Deutschland zurückkehren. Dafür werde ich mich auch im neuen Jahr mit ganzer Kraft einsetzen", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) warnte den Iran vor Konsequenzen bei einer weiteren Inhaftierung der Journalisten: "Ein Staat, der wie der Iran ständig um Verständnis wirbt, sollte darauf achten, dies nicht auf anderen Gebieten zu verspielen."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer appellierten ebenfalls an die Regierung in Teheran, die beiden Deutschen zu ihren Familien zurückkehren zu lassen. "Das ist nicht nur eine Frage der Pressefreiheit und der Menschenrechte, sondern auch ein Gebot der Humanität", ergänzte SPD-Chef Sigmar Gabriel. Für die Grünen erklärte Fraktionschef Jürgen Trittin: "Steinigungen, Folter und Unterdrückung gehören zum traurigen Alltag im Iran. Wer darüber berichten will, wird eingesperrt. Dazu dürfen wir nicht schweigen!" Der Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, Gregor Gysi, bezeichnete die Inhaftierung der Reporter als "indiskutabel".
"Faustpfand für andere Interessen"
Für die Wirtschaft schlossen sich der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, der Vorstandsvorsitzende der Telekom, Rene Obermann, BMW-Chef Norbert Reithofer und Bahn-Chef Rüdiger Grube der Forderung nach Freilassung der beiden Journalisten an. Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Dieter Zetsche erklärte: "Ein Land, das in der Welt respektiert werden will, sollte auch die Pressefreiheit respektieren."
Namhafte Künstler wie Udo Jürgens, Hannelore Elsner, Maria Furtwängler, Uschi Glas, Jan-Josef Liefers, Peter Maffay und Udo Lindenberg verwenden sich ebenfalls für die Freilassung der Reporter. Die deutsche Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller äußerte die Hoffnung, "dass der Iran die beiden Journalisten nicht als Faustpfand benutzen will für andere Interessen". Sie erinnere der Umgang mit Frau Aschtiani "an die Schauprozesse der stalinistischen Diktaturen in Osteuropa". Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff beklagt: "Willkür herrscht in Teheran, einer Stadt, die ich liebe." Und der Schriftsteller Martin Walser forderte die Bundesregierung auf, "sich mit allen Mitteln für die Freilassung der beiden deutschen Journalisten aus iranischer Haft einzusetzen".
Zu den prominenten Sportvertretern, die die Freilassung der Journalisten verlangen, gehören unter anderem der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, die Fußball-Idole Franz Beckenbauer und Günther Netzer, Nationalspieler Philipp Lahm, Handball-Bundestrainer Heiner Brand und der vielfache Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher.
Anzeige gegen deutsche Reporter?
Sakineh Mohammadi Aschtiani erklärte unterdessen, sie wolle "diejenigen verklagen, die Schande über mich und das Land gebracht haben". Dabei nannte sie "die beiden Deutschen", den Mörder ihres Ehemannes, ihren ehemaligen Anwalt Mohammed Mostafaie und die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi.
"Ich trete aus eigenem Willen vor die Kameras, um zu der Welt zu sprechen", sagte Aschtiani, die seit 2006 in Haft sitzt. Sie wolle reden, weil viele Menschen ihren Fall "ausgebeutet" und behauptet hätten, sie sei gefoltert worden, "was eine Lüge ist", meinte Aschtiani. Ihre kurze Pressekonferenz war von Justizvertretern im Gästehaus einer staatlichen Wohlfahrtsorganisation angesetzt worden.
Mina Ahadi vom Komitee gegen die Steinigung meinte dazu, Aschtiani stehe "unter enormem Druck". "Und sie sagt sowas unter Druck." Die Führung in Teheran "versucht jetzt lächerliche Sachen. Es zeigt, unsere Arbeit hat Wirkung."
Autor: Christian Walz (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Michael Wehling