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Politik

Prominente Journalistinnen verlassen Russland

Roman Goncharenko
10. November 2017

Olga Romanova, Ksenija Larina, Julia Latynina: drei Kreml-kritische Journalistinnen, die Russland in den vergangenen Wochen und Monaten den Rücken gekehrt haben. Ein Grund: Es ist nicht mehr lang bis zur Präsidentenwahl.

Russland Kreml
Bild: Getty Images/AFP/V. Maximov

Wenige Monate vor der für März 2018 geplanten Präsidentenwahl in Russland verlassen wieder Kreml-kritische Journalisten das Land. Innerhalb von wenigen Wochen verkündeten drei prominente Journalistinnen, dass sie Russland verlassen hatten und in absehbarer Zeit nicht zurückkehren werden. Weitere könnten folgen.

Olga Romanova: Dursuchungen nach Veruntreuungsverdacht  

Zuletzt sorgte am Dienstag Olga Romanova mit der Ankündigung, sie lebe seit September in Deutschland, für Schlagzeilen in russischen Medien. Auf Facebook teilte die 51-jährige renommierte Moskauer Journalistin und Menschenrechtlerin mit, dass sie bereits im Sommer Russland verlassen hatte. Anlass seien Durchsuchungen im Juni in der von ihr gegründeten und geleiteten Nichtregierungsorganisation "Rus Sidjaschtschaja" (Russland hinter Gittern), die sich für Rechte von Häftlingen einsetzt. Es handelte sich um Vorermittlungen wegen Verdachts auf Veruntreuung staatlicher Gelder. Romanova bestreitet die Vorwürfe, möchte ihre Unschuld jedoch lieber "in Freiheit" beweisen. Man kann das auch so interpretieren, dass sie sie mit einer Festnahme rechnete und deshalb ausgereist war. Für ein DW-Interview war Romanova zunächst nicht erreichbar.

Laut einer Mitteilung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit betreut Romanova derzeit ein Projekt in Berlin. Mitte November nimmt sie als Expertin an einer gemeinsamen Veranstaltung der Naumann-Stiftung und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur teil, die sich politischen Gefangenen in der DDR und dem heutigen Russland widmet.   

Olga Romanowa kritisierte mehrfach die repressive Politik des russischen StaatesBild: Privat

Romanova arbeitete in Russland für diverse Print- und TV-Medien. Die Journalistin war unter anderem in der oppositionellen Protestbewegung im Winter 2011/2012 aktiv, die sich gegen Wahlfälschungen und für mehr Demokratie eingesetzt hatte. 2012 wurde Romanova in Hamburg mit dem Gerd-Bucerius-Förderpreis Feie Presse Osteuropas ausgezeichnet.

Ksenija Larina: Messerattacke auf Kollegin  

Der Fall Romanova zog unter anderem deshalb so viel Aufmerksamkeit auf sich, weil er nach einer Tendenz aussieht. Wenige Tage zuvor, am 31. Oktober, verkündete der Chefredakteur des liberalen Radiosenders "Echo Moskwy" Alexej Wenediktow, dass seine Mitarbeiterin und Moderatorin Ksenija Larina Russland aus Sicherheitsgründen für mindestens ein halbes Jahr - bis nach der Präsidentenwahl - verlassen habe. Eine DW-Quelle bestätigte das. In welchem Land sie sich derzeit aufhält, bleibt geheim.

Die 54-jährige Larina moderiert ihre Sendungen derzeit über Skype. Hintergrund war zum einen eine neue Welle von Hetze gegen liberale und Kreml-kritische Journalisten im staatlichen Fernsehen. Ein einflussreicher Moderator griff dabei auch Larina persönlich an. Zum anderen gab es Ende Oktober einen Messerangriff auf eine andere Mitarbeiterin des Senders, Tatiana Felgenhauer, die am Hals verletzt wurde. Larina gab in einem Interview staatlichen Medien Mitschuld an der Stimmung im Land, die solche Angriffe möglich machten. Die verletzte Journalistin Felgenhauer selbst bleibt zunächst in Moskau. In einem Interview sagte sie, der Angreifer habe nicht den Eindruck eines geistig Verwirrten gemacht. Der Angreifer sitzt derzeit in Haft in Moskau, ihm wird versuchter Mord vorgeworfen.

Julia Latynina: Auto angezündet 

Der bisher prominenteste Fall einer Flucht ins Ausland liegt rund zwei Monate zurück. Mitte September verkündete die Journalistin und Schriftstellerin Julia Latynina, dass sie Russland samt Familie aus Sicherheitsgründen verlassen hatte. Der Anlass: Unbekannte hatten das Auto der 51-Jährigen vor ihrem Haus bei Moskau in Brand gesteckt. Zuvor wurde Latynina Opfer mehrerer Angriffe, ihr Haus wurde im Sommer mit einer giftigen Flüssigkeit besprüht.

Julia Latynina hofft nach Russland zurückzukehren - "sobald die Gefahr vorbei ist"Bild: Imago/ITAR-TASS

Bei "Echo Moskwy" hat Latynina eine eigene Wochensendung, außerdem ist sie Kolumnistin der renommierten Zeitung "Nowaja Gaseta". Sie wurde 2004 mit einem Sonderpreis der ZEIT-Stiftung geehrt. In welchem Land sich Latynina derzeit aufhält, will sie aus Sicherheitsgründen nicht bekannt geben.

Keine klassische Auswanderung

Die drei Journalistinnen sind nicht die ersten, die Russland in den vergangenen Jahren verlassen haben. Seit der Rückkehr Wladimir Putins in den Kreml 2012 und besonders nach der Krim-Annexion 2014 haben mehrere Journalisten, Oppositionspolitiker, Künstler und Experten dem Land den Rücken gekehrt.

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"Besorgniserregend an den jüngsten Fällen ist, dass sich jetzt auch bekannte Moskauer Journalisten bei Medien von landesweiter Bedeutung so bedroht fühlen, dass sie sich zur Flucht veranlasst sehen", sagt Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Berlin, der DW. "Das zeigt, wie gefährlich die verbreitete Straflosigkeit in Russland langfristig ist: Dass die Urheber von Gewaltverbrechen an Journalisten fast nie bestraft werden, ermutigt Nachahmer und schreckt Journalisten davon ab, unabhängig zu berichten." Auch das staatliche Fernsehen leiste zu diesem Klima einen unrühmlichen Beitrag, indem es etwa liberale Medien mit Hass und Verleumdungen überziehe, so Mihr.

Romanova, Larina und Latynina wollen nicht von einer Auswanderung sprechen, sondern hoffen zurückzukehren – "sobald die Gefahr vorbei ist", wie es Latynina formulierte.

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