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Ermordet

20. Januar 2007

Der türkische Journalist Hrant Dink, einer der prominentesten Vertreter der armenischen Minderheit in der Türkei, ist in Istanbul auf offener Straße ermordet worden.

Hrant DinkBild: AP

Der wegen "Beleidigung des Türkentums" verurteilte Herausgeber der Wochenzeitung "Agos" wurde am Freitag (19.1.2007) mit drei Schüssen in Kopf und Hals getroffen, berichteten türkische Nachrichtensender. Er sei auf der Stelle tot gewesen. Die tödlichen Schüsse fielen, als der 52-Jährige das Gebäude seiner Zeitung im europäischen Zentrum der Stadt verließ. Bei der Suche nach dem Attentäter fahndete die Polizei nach einem 18 bis 19 Jahre alten Mann.

Ausgezeichnet - und verurteilt

Wegen seines Engagements für die armenische Minderheit in der Türkei war Dink im vergangenen Jahr in Hamburg mit dem Henri-Nannen-Preis für Pressefreiheit 2006 ausgezeichnet worden. In der Türkei sah sich der Journalist Anfeindungen nationalistischer Kreise ausgesetzt. Wegen eines Artikels über armenische Identität wurde Dink wegen "Beleidigung des Türkentums" zu einer Haftstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil war vom obersten Gericht der Türkei bestätigt worden.

Proteste in der Türkei gegen das französische VölkermordgesetzBild: AP

Wegen desselben Delikts drohte dem Journalisten ein weiterer Strafprozess, nachdem er die Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg in einem Interview als "Völkermord" bezeichnet hatte. Das Ergebnis der Armenier-Vertreibungen im Osmanischen Reich spreche für sich, hatte er darin gesagt: "Wir sehen, dass ein Volk, das 4000 Jahre auf diesem Boden gelebt hat, ausgemerzt worden ist." Der Anklage lag der von der EU als Einschränkung der Meinungsfreiheit in der Türkei heftig kritisierte Paragraf 301 zu Grunde, der für Beleidigung des Türkentums Haftstrafen von bis zu drei Jahren vorsieht.

Orhan Pamuk in IstanbulBild: AP

Wegen dieses Paragrafen waren in der Türkei auch der diesjährige Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und die Schriftstellerin Elif Shafak vor Gericht gestellt worden. Das Verfahren gegen Pamuk war eingestellt, Shafak freigesprochen worden. Beide hatten sich mit der Frage eines Völkermordes an den Armeniern auseinander gesetzt.

Die Türkei und der Völkermord

Das Massaker an Armeniern ist ein politisch hoch sensibles Thema in der Türkei. Dem Vorläufer der heutigen Türkei, dem Osmanischen Reich, wird systematischer Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern zwischen 1915 und 1923 vorgeworfen. Die Türkei bestreitet die Vorwürfe des Völkermords. Sie räumt zwar ein, dass tausende Armenier von Soldaten des Osmanischen Reiches getötet wurden. Zugleich macht sie geltend, dass Armenier und ihre russischen Verbündeten auch Massaker an Türken und Kurden verübt hätten.

Gedenken an den Völkermord in ArmenienBild: AP

Die Europäische Union (EU) hat die Strafverfolgung von Intellektuellen und Journalisten, die sich zum Völkermord an den Armeniern geäußert haben, scharf kritisiert und eine Änderung des Strafgesetzbuchs angemahnt. Der EU-Beitrittsaspirant hat eine Überarbeitung des umstrittenen Paragrafen zur Beleidigung des Türkentums in Aussicht gestellt. (sams)

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