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Prom(m)is

28. August 2009

Zu den Wörtern, die ich in meinem massenmedialen Alltag am meisten verabscheue, gehört eindeutig: Prommis.

Porträtfoto Burkhard Spinnen
Burkhard SpinnenBild: privat

Das ist die Abkürzung, oder besser Verniedlichungsform für Prominente, es müsste daher Pro-mis ausgesprochen werden, und geschrieben wird es auch so. Aber alle sagen Prommis. Und das ist auch richtig so. In der Verkürzung drückt sich bereits klanglich die Herablassung aus, mit der die Menschen, um die es hier geht, im öffentlichen Sprachgebrauch behandelt werden.Und um wen geht es? Na klar, um Menschen, die einer größeren Öffentlichkeit bekannt sind. Aber wenn auch der jeweilige Bundespräsident oder der Papst oder der Trainer des deutschen Fußballmeisters vielen Menschen bekannt und also prominent sind – Prommis sind sie nicht.

Prommis sind Kunstfiguren

Prommis hingegen sind Menschen, die von der Unterhaltungsindustrie quasi künstlich hergestellt worden sind, damit ihre Wiedererkennbarkeit die Aufmerksamkeit für gewisse Medienformate steigern möge. Prommis sehen passabel aus, lächeln immer, tun aber auch nicht viel anderes, und zwar aus Zeitmangel, denn prominent zu sein ist ein 24-Stunden-Job. Sie leben in St. Tropez, im Hotel Adlon oder im Dschungelcamp, sie heiraten andere Prommis, zeugen Kinder, um sich anschließend scheiden zu lassen – und das alles nur, damit die Boulevardmedien darüber ausführlich und mit Bild berichten können.

Eine Hassliebe

Promihochzeit: Boris Becker und Ehefrau SharlelyBild: picture-alliance / dpa

Infolgedessen ist es verständlich, dass das Publikum seine Prommis sowohl liebt als auch verachtet. Neugier, Klatschsucht und Schadenfreude sind nun einmal menschliche Bedürfnisse, vielleicht nicht ganz so vitale wie Essen und Schlafen, aber manchmal schon recht dringend. Also befriedigt man, da die eigenen Nachbarn einfach nichts Sensationelles hergeben, solche Bedürfnisse an eben jenen Prommis. Doch gleich nach einem solchen Akt merkt das Publikum, dass es mit Fälschungen abgespeist worden ist, mit künstlich hergestelltem Ersatz für das Eigentliche an Prominenz, von dem man schon gar nicht mehr weiß, wie es aussieht. Flugs kommt Katerstimmung auf, und als erstes rächt man sich, indem man diese Prominenten lautstark beschimpft. Lautstark – aber zugleich auch so, dass sie es gar nicht merken sollen.

Das klingt schwierig, ist es aber gar nicht. Man nennt sie einfach: Prommis. Im Klang dieses Wortes hat alle Verachtung für das Künstliche und Falsche ihren Platz. – Allerdings sorgt die massenhafte Verbreitung dieses Geheimfluches allmählich und fatalerweise dafür, dass auch echte Prominenz sogleich mit diesem Schandmaulwort belegt wird und also gleichermaßen als alberne Fälschung erscheint. So etwas geschieht in Sprache. Also Vorsicht im Umgang damit!

Burkhard Spinnen, geboren 1956, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Glossen und Jugendbücher. Sein Werk wurde vielfach ausgezeichnet. Spinnen ist Vorsitzender der Jury des Ingeborg-Bachmann-Preises. Zuletzt ist sein Kinderbuch "Müller hoch Drei" erschienen (Schöffling).

Redaktion: Gabriela Schaaf

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