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Politik

Propaganda aus der Provinz: Salafisten in Pulheim

Maximiliane Koschyk
15. November 2016

Ein Hof mitten in Nordrhein-Westfalen war Mittelpunkt einer bundesweiten Razzia gegen Salafisten. In der Lagerhalle sollen mehrere tausend Korane lagern. Sie sind Werbematerial eines Netzwerks für Hassprediger.

Pulheim Razzia Innenstadt
Bild: DW/M. Koschyk

Im Umland von Pulheim hängt der Nebel nass auf den Feldern, so wie es sich für einen typischen Novembertag in Deutschland gehört. Auf dem Reiterhof wird ein einzelnes Pferd gestriegelt, ansonsten ist es ruhig. Umgeben von Feldern sind die Gebäude nur über Landstraßen und Feldwege erreichbar. Die Polizisten sind bereits abgezogen, nichts erinnert an den Großeinsatz vom frühen Morgen: Eine Lagerhalle auf dem Gehöft wurde durchsucht, sie war im Fokus einer bundesweiten Polizeiaktion mit rund 190 Durchsuchungen in zehn Bundesländern.

Zeitgleich gab Bundesinnenminister Thomas de Maiziere das Verbot der salafistischen Vereinigung "Die wahre Religion" bekannt, dessen Mitglieder und Geschäftsräume Zielscheibe der Razzien waren. Mit Ihrer Stiftung "Lies!" war sie auch dafür bekannt, in Fußgängerzonen kostenlose Ausgaben des Koran zu verteilen. 

Mindestens 10.000 Propaganda-Korane in Pulheim

Der "Lies!"-Verlag vertreibt diese Bücher für die Stiftung europaweit in mehreren Sprachen. Die Adresse des Verlags war das Gelände in Pulheim. Auf dem Hof möchte man nicht über den Einsatz in der Lagerhalle sprechen, der Zutritt zum Gelände ist eigentlich verboten, inklusive Feldweg. Wer Auskunft will, solle sich bitte an die Einsatzleitung der Polizei in Köln wenden.

Polizisten sichern in Pulheim das Lager des KoranverlagsBild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Dort ist man mit dem Einsatz sichtlich zufrieden. "Rund 20.000 Korane wurden in ganz Nordrhein-Westfalen sichergestellt", sagte der Sprecher der Kölner Polizei, Karlo Kreitz. Auch im Pulheimer Lager seien Bücher im fünfstelligen Bereich sichergestellt worden - also mindestens die Hälfte des landesweit beschlagnahmten Bestands.

NRW-Innenminister: "Wir trocknen diese Szene aus"

Die Razzia ist die jüngste in einer Reihe von bundesweit angelegten Razzien und Verboten, die sich gegen Salafisten und andere islamistische Vereine richten. Allein das Verbot des "Lies!"-Vereins wurde ein Jahr lang vom Bundesinnenministerium und den entsprechenden Landesministerien vorbereitet. "Wir trocknen diese Szene aus", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger. "Es geht bei 'Lies!' eben nicht darum, den Koran zu verteilen."

NRW-Innenminister Ralf JägerBild: Reuters/I. Fassbender

Jäger zufolge hatte jeder fünfte Salafist, der aus NRW in die Gebiete des sogenannten IS ausgereist sei, um sich dort Terrorgruppen anzuschließen, zuvor Kontakt zu 'Lies!'. "Mit dem bundesweiten Verbot haben wir jetzt endlich eine zuverlässige rechtliche Handhabe", sagte Jäger, "damit die Stände aus unseren Fußgängerzonen verschwinden."

Gratis-Korane auch in Pulheim

Pulheim ist eine Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen mit rund 50.000 Einwohnern, die umliegenden Ortschaften inbegriffen. Mit dem Regionalverkehr ist man in einer knappen Viertelstunde in Köln, viele Leute pendeln in die Großstadt. Der Ortskern ist dennoch von einheimischen Einzelhändlern und Fachgeschäften geprägt, die alles von Spielwaren über Feinwäsche hin zu Haushaltswaren anbieten. Die Stadt wirkt aufgeräumt und ordentlich, selbst Graffitis findet man kaum. 

Von der Aufregung hat man in Pulheim nichts mitbekommenBild: DW/M. Koschyk

Der Salafist aus dem Nachbarort

Auch in der Pulheimer Innenstadt seien Korane verteilt worden, teilt der Pressesprecher der Stadt, Dirk Springob, mit: "Probleme hat es dabei aber keine gegeben." Und: "Dass der Verlag da ist, haben wir nicht gewusst." In die Razzia sei die Stadtverwaltung nicht involviert gewesen. Mitbekommen hat es ohnehin kaum einer, weder in der Dönerbude noch vor dem Bäcker hat sich der Einsatz herumgesprochen.

Der Nieselregen macht die Pulheimer nicht unbedingt gesprächiger. Wilhelmine Kehr ist eine der wenigen auf offener Straße, die die Nachricht mitbekommen hat: "Ich habe das im Radio gehört, aber gedacht, das gibt es bei uns doch nicht." Die Leute in Pulheim seien sehr angepasst.

Hassprediger aus dem Nachbarort: Salafist Pierre VogelBild: picture-alliance/dpa

Beschaulich, ordentlich, aber trotzdem ist die Nachbarschaft von Pulheim nicht unbekannt: Nur eine Ortschaft weiter, in Frechen, ist der deutschstämmige Salafist Pierre Vogel geboren, einer der Begründer der hiesigen Salafistenszene. Er soll ebenso im benachbarten Köln Anhänger für den IS wie der Prediger Abou Nagie, der Anführer der "Lies!"-Kampagne, rekrutiert haben. Der Prediger war bei den Durchsuchungen nicht anzutreffen. Das Vereinsverbot sei aber offiziell zugestellt, bestätigte die Polizei Köln am Nachmittag nach dem Einsatz.

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