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Politik

Protest gegen Entscheidung des Europarats

25. Juni 2019

Nach fünfjähriger Unterbrechung darf Russland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats wieder abstimmen. Ukrainische und baltische Abgeordnete reagierten wütend und fassungslos auf den Beschluss.

Ukraine Kiew Protest gegen Rückgabe des Stimmrechts an Russland im Europarat
Demonstration in Kiew gegen die Rückgabe des Stimmrechts an RusslandBild: picture-alliance/Zumapress/S. Glovny

Nach der Rückgabe des Stimmrechts an Russland haben ukrainische Abgeordnete aus Protest den Saal der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) verlassen. Er lehne es ab, mit "Kriminellen" in einem Raum zu sitzen, rief der sichtlich aufgebrachte Leiter der ukrainischen Delegation, Wolodymyr Ariew, und verließ den Plenarsaal im Straßburger Europaratsgebäude. Später teilte er mit, die zwölf Mitglieder der ukrainischen Delegation würden ihre Mitarbeit in der Versammlung aussetzen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich bereits zuvor kritisch geäußert. "Schade, dass unsere europäischen Partner uns nicht hörten und anders verfuhren", schrieb er auf Facebook. Er habe die Frage zuvor bei Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron diskutiert.

Auch die baltischen Staaten kritisierten die Rückgabe des Stimmrechts. Die Entscheidung sei eine Peinlichkeit, schrieb Estlands Staatspräsidentin Kersti Kaljulaid auf Twitter. "Keiner der Gründe, weshalb Russland das Stimmrecht entzogen wurde, ist verschwunden." 

Litauens Außenminister Linas Linkevicius sprach von einem "schweren Schlag für die Glaubwürdigkeit des Europarats". Das grüne Licht für eine vorbehaltlose Rückkehr Russland gehe auf Kosten der Werte und Prinzipien. "Ländern, die das Völkerrecht missachten, dürfen keinerlei Zugeständnisse gemacht werden", twitterte er. 

Sein lettischer Amtskollege Edgars Rinkevics nannte die Entscheidung auf Twitter eine "bedauerliche und enttäuschende Resolution". 

Den Forderungen Moskaus gebeugt

Nach einer mehrstündigen und ungewöhnlich leidenschaftlichen Debatte hatten 118 Abgeordnete der Parlamentarier-Versammlung des Europarats für eine Änderung ihrer Geschäftsordnung votiert. Damit ebneten sie den Weg für einen Verbleib Russlands in der paneuropäischen Organisation. 62 Abgeordnete stimmten dagegen, zehn enthielten sich.

Die nun verabschiedete Neuregelung sieht vor, dass die Parlamentarier-Versammlung künftig nicht mehr einseitig Sanktionen verhängen kann, sondern nur in Absprache mit dem Ministerkomitee, dem die Außenminister der 47 Europaratsländer angehören. Dadurch soll die russische Delegation ihre Rechte zurückerhalten, wie von Moskau gefordert. Falls Moskau diese Zugeständnisse reichen, könnten die russischen Abgeordneten in die Versammlung zurückkehren - rechtzeitig vor der an diesem Mittwoch geplanten Wahl eines neuen Generalsekretärs der Organisation.

Damit beugte sich die Versammlung den Forderungen Russlands. Moskau hatte in den vergangenen Monaten wiederholt mit einem Austritt aus dem Europarat für den Fall gedroht, dass die Sanktionen gegen die 18 russischen Mitglieder - unter anderem der Entzug des Stimmrechts - beibehalten werden.

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Unterstützung durch das Außenministerium

Bundesaußenminister Heiko Maas begrüßte die Entscheidung, Russland sein Stimmrecht zurückzugeben. "Russland gehört in den Europarat - mit allen Rechten und Pflichten", erklärte der SPD-Politiker. Dies sei auch eine gute Nachricht für die Zivilgesellschaft dort. Die russischen Bürger müssten weiter die Möglichkeit haben, sich vor dem Menschenrechtsgerichtshof Recht zu verschaffen.

Maas warb dafür, für die Zukunft einen Mechanismus zu erarbeiten, mit dem einzelne Staaten des Europarats bei Fehlverhalten satzungskonform sanktioniert werden können. Moskau sei seinerseits aufgerufen, konstruktiv zu diesem Kompromiss beizutragen, schrieb er. Deutschland werde Russland an die Verpflichtungen erinnern, die es mit der Mitgliedschaft im Europarat selbst eingegangen sei. "Dazu gehört die zügige Wiederaufnahme der russischen Mitgliedsbeiträge. Und dazu gehört, dass Russland sich an die Standards hält, zu denen es laut Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet ist."

Russischer Boykott

Die russischen Abgeordneten boykottieren die Arbeit der Versammlung, seit ihnen im April 2014 wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim das Stimmrecht entzogen worden war. Sie wurden damals auch von Spitzenämtern in der Versammlung und bestimmten Missionen - etwa zur Wahlbeobachtung - ausgeschlossen. Im Juni 2017 stellte Moskau dann die Zahlung seiner Mitgliedsbeiträge von rund 33 Millionen Euro pro Jahr ein. Dem Europarat fehlen damit rund neun Prozent seines Jahresbudgets.

Laut Satzung droht einem Land der Ausschluss, wenn es zwei Jahre lang keine Beiträge gezahlt hat. Um dies zu verhindern, hatten die Außenminister der 47 Europaratsländer am 17. Mai bei einem Treffen in Helsinki Zugeständnisse an Moskau gemacht, darunter die Aussicht auf ein Ende der Sanktionen.

Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist die größte Staatenorganisation auf dem europäischen Kontinent. Er wurde im Mai 1949 gegründet, vier Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Heute zählt er 47 Mitgliedsländer, alle europäischen Staaten mit Ausnahme Weißrusslands.

Russland wurde 1996 in die Staatenorganisation aufgenommen. Der Parlamentarier-Versammlung gehören 318 nationale Abgeordnete aus den Europaratsländern an. Die Versammlung tagt vier Mal im Jahr in Straßburg. Gemeinsam mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kümmert sich der Rat um die Einhaltung der Menschenrechte von rund 830 Millionen Bürgern in den Mitgliedsländern.

lh/ww (dpa, kna, afp)

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