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Politik

Der Protest in Polen dauert an

17. Dezember 2016

Die nationalkonservative Regierung in Warschau setzt ihren autoritären Kurs unbeirrt fort. Nun geht es um Restriktionen für die Parlamentsberichterstattung. Doch auch die Kritiker lassen nicht locker.

Demonstranten mit Flaggen Polens und der EU (Foto: Reuters/K. Pempel)
Die Demonstranten weisen mit Fahnen und Slogans auch auf die europäische Dimension ihres Protests hinBild: Reuters/K. Pempel

Nach der nächtlichen Belagerung des polnischen Parlaments aus Protest gegen eine geplante Neuregelung der Berichterstattung aus dem Sejm haben erneut tausende Menschen in Warschau demonstriert. Mit rot-weißen Nationalflaggen und EU-Fahnen zogen die Regierungskritiker vom Präsidentenpalast in Richtung Parlament. Dabei riefen sie "Schande", "Stoppt die Zerstörung Polens" und sie forderten "Freiheit, Gleichheit, Demokratie". Das Parlamentsgebäude war durch ein massives Polizeiaufgebot abgeriegelt. In anderen polnischen Städten fanden kleinere Demonstrationen statt.

"Das ist eine Verfassungskrise"

"Ich möchte nicht erleben, dass Polen auf den Kopf gestellt wird", sagte die Demonstrantin Malgorzata Kramarz mit Blick auf die Reformen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Am Freitagabend hatten tausende Menschen zunächst vor dem Parlamentsgebäude in Warschau gegen eine geplante Neuregelung der Berichterstattung aus dem Parlament protestiert. Hunderte Demonstranten hatten die Volksvertretung anschließend stundenlang blockiert und führende Politiker der Regierungspartei am Verlassen des Gebäudes gehindert.

Im Parlament selbst kam es am Freitag zu heftigen Protesten von Oppositionspolitikern. Sie besetzten das Rednerpult und riefen "Freie Medien" und "Keine Zensur". Der Präsident der Kammer verlegte daraufhin die Abstimmung über den Haushalt in andere Räume und untersagte den Medien die Aufzeichnung. Es war das erste Mal seit dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989, dass eine Sitzung der Abgeordneten nicht im Plenarsaal stattfand. "Diese Sitzung war illegal. Punkt. Das ist eine Verfassungskrise", sagte ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei Bürgerplattform (PO).

Begrenzung der Journalisten-Zahl, keine Fotos und Videos mehr

Auslöser für die Proteste sind Pläne der Regierung, die Berichterstattung aus dem Parlament vom kommenden Jahr an zu beschränken. Es soll nur fünf Fernsehsendern erlaubt sein, die Debatten aufzuzeichnen. Die Anzahl der im Gebäude zugelassenen Journalisten soll begrenzt werden. Auch sollen Journalisten künftig keine Fotos oder Videos mehr im Plenarsaal machen dürfen. Damit wäre es nicht länger möglich, Regelverstöße von Abgeordneten zu dokumentieren, etwa wenn ein Parlamentarier für einen abwesenden Kollegen abstimmt.

Polens Innenminister Mariusz Blaszczak Bild: imago/newspix

Angesichts der Blockade des polnischen Parlaments durch die Demonstranten warf Innenminister Marius Blaszczak der Opposition vor, sie wolle die Macht an sich reißen. "Meiner Einschätzung nach waren die Ereignisse am Freitag der illegale Versuch, sich die Macht zu verschaffen", sagte Blaszczak dem Privatsender RMF FM. Ministerpräsidentin Beata Szydlo nannte die Proteste der Opposition im Fernsehen eine "skandalöse Aktion".

Seit ihrem Amtsantritt im November 2015 trieb die nationalkonservative Regierung schon eine Reihe umstrittener Gesetze voran - damit gefährdet sie nach Meinung von Menschenrechtlern Polens Demokratie. Als Angriff auf die Pressefreiheit werteten Journalistenverbände bereits die Medienreform, mit der die PiS vor Monaten öffentlich-rechtliche Anstalten unter ihre Kontrolle brachte. Seitdem wurden Vorstände und zahlreiche Journalisten in Rundfunk oder Fernsehen gegen Vertreter katholischer und konservativer Medien ausgetauscht. Zudem schränkte die PiS das Verfassungsgericht in seiner Kontrollfunktion der Regierung ein, wie Kritiker mahnen. Gegen eine geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts gingen im Oktober Zehntausende Menschen auf die Straße. Jüngst erregten von den Nationalkonservativen vorangetriebene Änderungen zum Versammlungsrecht die Sorge von Menschenrechtlern. Die EU-Kommission verfolgt alle diese Initiativen mit Sorge und prüft teils per Verfahren deren Rechtsstaatlichkeit.

sti/haz (afp, dpa, rtr)

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