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Was ist dran an der Windkraft-Kritik?

19. Dezember 2021

Für den Klimaschutz wird Windkraft gebraucht, doch es gibt auch Protest. Kritiker finden Windräder hässlich, ungesund oder gar umweltschädlich. Zudem würden Gemeinden von Windparks kaum profitieren. Was sind die Fakten?

Kohlekraftwerk, Feld mit Sonnenblumen und Windkrafträder in Mehrhum in Niedersachsen, Deutschland
Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Verschandelt Windkraft die Landschaft?

Windkraftanlagen verändern zweifellos Landschaften. Die Türme werden immer höher, die Flügelspitzen der Rotoren erreichen bis zu 250 Meter in die Höhe. Bei gutem Wetter sind die hellgrauen Anlagen weit sichtbar. Doch das gilt auch für andere Bauten im Energiesystem: Für den Kohleabbau werden Dörfer abgerissen und Wälder abgeholzt, Hochspannungsmasten durchziehen Landschaften. Schornsteine und Kühltürme von Kraftwerken ragen bis 200 Meter in die Höhe, Rauch und Wasserdampf steigen mehrere Kilometer hoch. 

Im dicht besiedelten Deutschland, wo die Windkraft im globalen Vergleich sehr weit fortgeschritten ist und den heimischen Strombedarf schon zu fast einem Drittel deckt, haben Windkraftanlagen eine hohe Akzeptanz. 80 Prozent der Bevölkerung halten den weiteren Ausbau von Windkraft an Land für "eher wichtig". Windanlagen in der eigenen Nachbarschaft finden 47 Prozent der Bürger in Deutschland eher gut oder sehr gut, einen Solarpark befürworten 62 Prozent, ein Atomkraftwerk jedoch nur 5 und ein Kohlekraftwerk 4 Prozent.

Macht Lärm von Windkraft krank?

Bei viel Wind wird es in der Windanlage laut. Unter Volllast entstehen an der Nabe in 100 Meter Höhe bis zu 105 Dezibel (dB), das entspricht der Lautstärke eines Baggers. In 250 Meter Entfernung sind es dann noch rund 45 dB. Das entspricht der Lautstärke eines rauschenden Waldes oder einer ruhigen Wohnung. In 500 Meter Entfernung sinkt der Schallpegel bei voller Leistung auf 40 dB, der Lautstärke eines leichten Regens.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt in Wohngebieten eine maximale Lärmbelastung durch Windparks von 45 Dezibel. In Deutschland darf der Schall in Wohngebieten nachts bei maximal 40 dB liegen und am Tag bei 55 dB – das ist so laut wie normaler Straßenverkehr. Auch darum dürfen Windparks nur mit entsprechendem Abstand zu Wohngebieten gebaut werden.

Außerdem erzeugen Windkraftanlagen sehr tiefe Töne mit sehr niedriger Frequenz unter 20 Hertz, den sogenannten Infraschall. Menschliche Ohren können so tiefe Töne nicht hören. Infraschall entsteht auch durch Wasserfälle und Meeresbrandung oder durch Maschinen, Fahrzeuge, Heizungen, Pumpen und Klimaanlagen.

Windkraftgegner fürchten, dass der Infraschall von Windkraftanlagen gesundheitsschädlich sei. Studien belegen jedoch, dass der Infraschall durch Windkraftanlagen deutlich geringer ist als zum Beispiel durch den Autoverkehr. Nach aktuellem Forschungsstand schließen Experten daher eine Gesundheitsgefahr durch Infraschall von Windkraftanlagen aus.

Schädigt Windkraft Vögel und Natur?

Windkraftanlagen sind ein Eingriff in die Natur. Sie haben ein metertiefes Zement-Fundament, versiegeln dort den Boden wie auch Gebäude oder Straßen. Die Flügel können hoch fliegende Fledermäuse und Vögel erschlagen. Das verletze den Artenschutz, sagen einige Windkraftgegner und klagen mit dieser Begründung gegen Anlagen.

Um die Klimakrise zu bewältigen und die Biodiversität zu erhalten, fordern Umweltverbände den Ausbau der Windkraft. Denn der Erfolg der Energiewende sei "auch wesentlich für den langfristigen Erhalt der biologischen Vielfalt", heißt es zum Beispiel in dem gemeinsamen Positionspapier der deutschen Umweltverbände. 

Dabei soll eine gute Vorplanung Probleme für die Natur möglichst vermeiden. So sollten keine Anlagen in besonders wertvollen Naturschutzgebieten gebaut werden. Stattdessen können oft bereits vorbelastete Gebiete wie ehemalige Kohlegruben oder intensiv genutzte Agrarflächen bei der Planung genutzt werden, oder auch naturferne Nadelwälder.

Moderne Windanlagen gefährden zudem Fledermäuse und Vögel deutlich weniger als alte. Zum einen, weil sie viel höher sind und die Tiere meist unter den Rotoren fliegen. Und es gibt inzwischen Sicherheitsmechanismen: So werden Anlagen in Fledermausgebieten mit Sensoren ausgerüstet und der Rotor stoppt, wenn die Tiere zu nahe kommen könnten.

Eine andere Technik erkennt große Raubvögel wie hoch fliegende Adler mit Hilfe von intelligenten Kameras. Die Anlagen schalten automatisch ab, um Kollisionen zu vermeiden.

Nach Schätzungen des Naturschutzbund Deutschland (NABU) sterben in Deutschland jährlich mehr als 100.000 Vögel durch Windkraftanlagen. Im Vergleich zu anderen Gefahren ist dieses Risiko jedoch relativ gering.

1000 Mal mehr Vögel (ca. 108 Millionen) sterben in Deutschland pro Jahr an den Glasfronten von Gebäuden, 700 Mal mehr durch Kollisionen mit PKW, LKW und Bahn ( 70 Millionen), 20 Mal mehr durch Stromleitungen (2 Millionen) und 10 Mal mehr durch die Jagd (1 Million). Und Hauskatzen töten jährlich allein in Deutschland 60 Millionen Vögel.

Die weitaus größte Gefahr für Vögel ist jedoch laut NABU die industrielle Landwirtschaft. Weil durch Monokulturen und Pestizide die Zahl von Insekten massiv zurückgeht, fehlt immer mehr Nahrung für die Aufzucht von Jungvögeln. In Deutschland sind so in den letzten Jahrzehnten 13 Millionen Vogelbrutpaare verschwunden (15 Prozent), dies entspricht über 170 Millionen weniger Jungvögel pro Jahr.

Ist Windkraft unzuverlässig?

An manchen Tagen weht kein Wind, die Rotoren stehen still und produzieren keinen Strom. Eine sichere Stromversorgung braucht deshalb zusätzlich auch andere Energieträger und Stromspeicher.

Norwegen und Costa Rica decken schon heute komplett ihren Strombedarf klimafreundlich mit erneuerbaren Energien. Neben der Windkraft sind dies Wasserkraft, Geothermie, Biomasse und Photovoltaik.

Auch in anderen Weltregionen können diese sauberen Energiequellen die Windkraft ergänzen. Je nach Standort eignet sich dafür ein anderer Energiemix. An manchen Orten werden außerdem noch Kraftwerke mit grünem Wasserstoff und Batterien gebraucht.

Wind, Solar und Biogas sichern die Energieversorgung - wie hier in Norddeutschland Bild: SEA

Profitieren nur die Reichen?

Eine große Windkraftanlage (6 MW) an Land kostet heute zwischen 8 und 12 Millionen Euro und erzeugt Strom für 4 bis 8 Cent pro Kilowattstunde.

Die Aussichten mit Windanlagen Geld zu verdienen, sind sehr gut, Renditen von über 10 Prozent möglich. Davon profitieren große Konzerne, aber auch Stadtwerke und lokale Bürgergenossenschaften. Unmut gegen Windanlagen gibt es jedoch, wenn die Bevölkerung vor Ort nicht einbezogen wird und nicht selbst am Gewinn beteiligt wird. Vor allem Investoren von außerhalb scheitern deshalb nicht selten mit Projekten.

Eine hohe Akzeptanz gibt es, wenn Bürger vor Ort mitverdienen, selbst in die Anlagen investieren können - das fängt an bei Anteilen für ein paar 100 Euro. Auch wenn die Gemeinde vom Windpark profitiert, Steuern einnimmt und damit zum Beispiel einen Kindergarten finanziert, ist die Zustimmung vor Ort sehr hoch.

Windparks mit Bürgerbeteiligung gibt es inzwischen in vielen Ländern der Welt und besonders viele im Norden von Deutschland. Ländliche Kommunen sehen Windkraft zudem als Chance für Wohlstand mit neuen Jobs vor Ort.

Windräder im XXL-Format

06:59

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