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Proteste gegen erhöhte Fahrpreise

Christina Weise15. Juni 2013

In Brasiliens Großstädten kam es kurz vor Beginn des Confederations Cup zu Ausschreitungen. Grund sind Fahrpreiserhöhungen des öffentlichen Nahverkehrs - doch offenbar steckt mehr dahinter.

Demonstranten mit Plakaten in Sao Paulo (Foto: picture-alliance/AP)
Bild: picture-alliance/AP

Schon seit Anfang Juni zieht es in São Paulo und Rio de Janeiro Tausende auf die Straße. Der Grund: eine Fahrpreiserhöhung von umgerechnet knapp zehn Cent für den öffentlichen Nahverkehr. Personen mit niedrigem Einkommen gaben bereits zuvor einen erheblichen Anteil ihres Gehalts für Bus und Bahn aus - die erneute Erhöhung empfinden aber nicht nur ärmere Brasilianer als unzumutbar. "3,20 Reais (rund 1,13 Euro) für den unglaublich schlechten öffentlichen Nahverkehr von São Paulo - das können wir nicht stillschweigend hinnehmen", sagt der Investmentbanker Manuel Bari, der in São Paulo mitdemonstriert hat.

Während die Proteste in Rio weitgehend ruhig verliefen, eskalierte die Situation in São Paulo am Donnerstag (13.062013): Die Polizei ging mit Schlagstöcken, Gummigeschossen und Tränengas gegen die rund 20.000 Demonstranten vor. 100 Personen wurden vorübergehend festgenommen.

Kriegsähnliche Zustände

"Die Polizei wurde immer gewalttätiger. Sie agierte unverhältnismäßig und brutal, ohne dass eine Provokation vorausgegangen war", beschreibt der Kommunikationswissenschaftler Raphael Tsvakko Garcia, der in São Paulo dabei war, die Situation. Die brasilianische Tageszeitung "Folha de São Paulo" berichtet, sieben ihrer Reporter seien von Gummigeschossen getroffen worden, als sie über den Protest berichtet wollten. Zwei seien am Kopf verletzt worden - eine Kollegin verliere wahrscheinlich das Augenlicht.

Die Militärpolizei versuchte in São Paulo, eine Studentendemo aufzulösenBild: picture-alliance/dpa

Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) übt scharfe Kritik am Verhalten der Militärpolizei. Diese müsse die körperliche Unversehrtheit der Reporter gewährleisten, so ROG. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International protestierte gegen die zunehmende Gewalt der Polizei. Unterstützung erhielt sie von São Paulos Bürgermeister Fernando Haddad, der das Vorgehen der Sicherheitskräfte ebenfalls verurteilte. Eine Rücknahme der Preiserhöhung schloss Haddad allerdings aus: Die Tarifanhebung liege weit unter der Inflationsrate.

Drohender Verkehrskollaps bei der WM

Das schlecht organisierte Verkehrssystem der Metropolen könnte ein weiterer Faktor für den Unmut der Bewohner sein. Im Zuge der Vorbereitungen für die Fußball-WM im kommenden Jahr sollte die Infrastruktur der brasilianischen Städte verbessert werden. Doch viel hat sich bisher nicht getan. In São Paulo bricht immer noch regelmäßig der Verkehr zusammen. 

"Der Massentransport hatte Jahrzehnte lang keine Priorität für die Politik, weil nur die armen Menschen von ihm abhängig waren", erklärt die Urbanistik-Professorin Raquel Rolnik, die einen umfangreichen Ausbau der Infrastruktur für unumgänglich hält - unabhängig von den Großveranstaltungen.

In Rio de Janeiro verliefen die Demonstrationen ruhigerBild: picture-alliance/ZUMA Press

Kritik an der Wirtschaftslage

Die brasilianische Regierung begründet die Preiserhöhungen mit der Inflation und den gestiegenen Treibstoffpreisen. Sie zeigte sich besorgt über die Proteste. Angesichts der schlechten Wirtschaftslage und der hohen Inflation könnte die Gefahr bestehen, dass sich die Demonstrationen ausweiten. Im ersten Quartal 2013 l ist das Bruttoinlandsprodukt um nur 0,6 Prozent gestiegen, und die Inflation hält sich hartnäckig bei sechs Prozent.

Yesko Quiroga, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in São Paulo, sieht dagegen keinen Zusammenhang zwischen Protesten und der Wirtschaftslage des Landes. Es handle sich bei den Demonstranten überwiegend um junge Leute, die in den Randbezirken lebten und gegen die Fahrpreiserhöhungen demonstrierten. Die Aktivisten sehen das allerdings anders. "Die Proteste gehen über die Fahrkostenerhöhung hinaus, es geht um weitaus mehr", meint der Investmentbanker Manuel Bari.

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