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Politik

Neuer Protest gegen Regierung in Georgien

13. Juli 2021

Der Tod eines Kameramannes, der bei Protesten schwulenfeindlicher Demonstranten schwer verletzt worden war, hat in Georgien eine politische Krise ausgelöst. Im Parlament kam es sogar zu einem Tumult.

Georgien | Proteste in Tiflis
Anhänger der Opposition versammeln sich in Tiflis zum Protest gegen den RegierungschefBild: Irakli Gedenidze/REUTERS

In der georgischen Hauptstadt Tiflis haben am Abend erneut rund 2000 Menschen, unter ihnen hunderte Journalisten und Menschenrechtsaktivisten, gegen Ministerpräsident Irakli Garibaschwili protestiert. Vor dem Parlamentsgebäude kündigten sie an, die Demonstrationen solange fortzusetzen, bis Garibaschwili abtritt. Es gab zwölf Festnahmen.

Zuvor hatten oppositionelle Abgeordnete im Parlament ebenfalls den Rücktritt des Ministerpräsidenten gefordert. Dort brach ein Tumult aus, als mehrere Abgeordnete den Stuhl des Parlamentspräsidenten besetzten. Kritiker werfen Garibaschwili und seiner Regierung eine Mitverantwortung für die Gewalt gegen Medienschaffende bei den jüngsten Anti-LGBTQ-Protesten in der georgischen Hauptstadt vor. Die Parlamentssitzung konnte erst fortgesetzt werden, nachdem die vier weiblichen Abgeordneten, die den Stuhl des Parlamentspräsidenten eingenommen hatten, gewaltsam aus dem Saal gebracht worden waren.

Tod eines Kameramanns

Bereits am Sonntag hatten in Tiflis rund 8000 Menschen gegen die Regierung demonstriert. Sie zeigten sich bestürzt über den Tod des 37-jährigen Kameramanns Alexander Laschkarawa, der am Montag voriger Woche von schwulenfeindlichen Demonstranten verprügelt worden war. Er wurde war mit Frakturen im Gesicht und starken Schmerzen in ein Krankenhaus gebracht und einige Tage später entlassen worden. Am Sonntagmorgen wurde Laschkarawa tot in seiner Wohnung gefunden. Der Kameramann hatte für den unabhängigen Sender TV Pirweli gearbeitet.

Insgesamt waren bei dem schwulenfeindlichen Protest mehr als 50 Journalisten physisch attackiert worden. Die Polizei nahm danach nach eigenen Angaben zwanzig Personen fest. Die Übergriffe hatten auch im Ausland Entsetzen ausgelöst.

Bereits am Sonntag hatte es vor dem Parlament eine Protestkundgebung gegen die Regierung gegebenBild: Sputnik/dpa/picture alliance

Anlass der schwulenfeindlichen Demonstration war eine letztlich abgesagte "Parade der Würde" für mehr LGBTQ-Rechte gewesen. Bei solchen Pride-Umzügen wird rund um den Globus für die Rechte sexueller Minderheiten demonstriert. Die englische Abkürzung LGBTQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und queer.

Garibaschwili hatte sich gegen die Abhaltung des Marsches ausgesprochen. Nach Laschkarawas Tod sprach der Ministerpräsident von einer "unglaublichen Tragödie" und versprach eine sofortige Untersuchung zu den Todesumständen. Am Montagabend erklärte das Innenministerium in Tiflis dann, möglicherweise sei eine "überhöhte Dosis Drogen" der Auslöser für Laschkarawas Tod gewesen. Dies sei das vorläufige Ergebnis einer forensischen Untersuchung.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) warf den Behörden der Schwarzmeer-Republik eine "schuldhafte Passivität" beim Schutz von Journalisten vor. "Der verdächtige Tod von Alexander Laschkarawa markiert einen katastrophalen Wendepunkt für die Informationsfreiheit in Georgien", erklärte die für Osteuropa und Zentralasien zuständige RSF-Vertreterin Jeanne Cavalier.

Klare Worte der USA

Auch die US-Botschafterin in Georgien, Kelly Degnan, übte deutliche Kritik an Garibaschwilis Regierung. Es sei "enttäuschend", dass die Regierung keine "stärkere" Rolle bei der Verhinderung der Gewalt gegen Journalisten gespielt habe, erklärte die Diplomatin. Die US-Botschaft in Georgien sprach zudem Laschkarawas Angehörigen ihr Beileid aus. "Er wurde bösartig attackiert von Menschen, die einen kompletten Mangel für den Respekt menschlichen Lebens gezeigt haben." Es sei zu begrüßen, dass es nach den Angriffen einige Festnahmen gegeben habe. Doch es müssten alle Täter identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden.

Demonstranten stürmen am 5. Juli das Büro der LGBTQ-Kampagne in TiflisBild: IRAKLI GEDENIDZE/REUTERS

Die Chefin von TV Pirveli, Nana Aburjanidze, sagte der Deutschen Welle: "Er war einer der besten Kameramänner, die wir hatten. Deshalb war er auch an diesem Tag an diesem Ort. Und er war ein anständiger Mensch, sehr motiviert und hat wirklich hart gearbeitet. Wir sind am Boden zerstört und wissen wirklich nicht, wie wir das verkraften sollen."

TV-Sender kritisiert Regierung

Die Senderchefin fügte hinzu: "Die Regierung vermeidet es nicht nur, die Verantwortung zu übernehmen, sondern sie versucht, die ganze Gewalt zu rechtfertigen, weil es an diesem Tag keine Strafverfolgungsbehörden im LGBTQ-Büro gab, obwohl sie wusste, dass es dort Gewaltverbrechen geben würde." Also hätten die Strafverfolgungsbehörden von vornherein dort sein müssen. "Es gab niemanden zu schützen, weder unsere Journalisten noch die Organisatoren", kritisierte Aburjanidze.

Georgien gilt als sehr konservatives Land. Zwar strebt die Ex-Sowjetrepublik mit einer prowestlichen Politik in die EU, allerdings gibt es in der Kaukasusrepublik mit einer einflussreichen orthodoxen Kirche starke konservative Kräfte, die sich schwer tun mit liberalen Ideen. Im Jahr 2000 war in dem Land das Verbot von Homosexualität abgeschafft worden. In den Jahren 2006 und 2014 wurden Anti-Diskriminierungsgesetze verabschiedet. Am Rande von LGBTQ-Veranstaltungen gab es in den vergangenen Jahren aber immer wieder heftige homophobe Proteste. Die Organisatoren von Tbilisi Pride kritisierten nun, der Zivilgesellschaft, den demokratischen Werten und dem europäischen Kurs des Landes sei der Krieg erklärt worden.

kle/ehl (afp, dpa, ape, DW)

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