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Politik

Saudi-Arabiens vornehme Zurückhaltung

5. November 2019

Weithin vernehmbar hat der Iran die Proteste im Irak und im Libanon verurteilt. Die Golfstaaten halten sich hingegen eher zurück. Aus gutem Grund: Denn die sozialen Unruhen spielen vor allem Saudi-Arabien in die Karten.

Irak Proteste in Bagdad
Bild: picture-alliance/dpa/A. Al Mohammedaw

Von den Protesten in seinem Land hielt Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah von Anfang an wenig. Regierungskritische Kundgebungen solchen Ausmaßes könnten im Libanon kaum von selbst entstehen, erklärte er, um die Gründe sodann im Ausland zu suchen. Seine Organisation habe Informationen, "dass es Bemühungen gibt, den Libanon in einen Bürgerkrieg zu ziehen", erklärte er einige Tage nach Beginn der Demonstrationen. Die "Daten und Informationen" die die Hisbollah erhalten habe, bestätigten, "dass der Libanon in eine Phase regionalpolitischer Ausrichtung eingetreten ist und es sich nicht länger nur um eine Volksbewegung handelt", schob er nach. Hinter den Protesten stünden Israel und die USA.

Ähnlich sah es der iranische Revolutionsführer Ayatollah Chamenei. "Die westlichen Geheimdienste stiften mit der finanziellen Unterstützung regionaler Mächte Unruhe in der Region", erklärte er. "Ich rate dem Libanon und dem Irak, dieser Destabilisierung entschieden entgegenzutreten."

Nervosität in der Region

Die Erklärungen der beiden Politiker deuten zweierlei an: Erstens nehmen sie die Proteste als höchst bedrohlich wahr. Zweitens mögen die Demonstrationen sowohl im Irak als auch im Libanon zwar rein nationale Bewegungen sein, haben potentiell aber auch Auswirkungen über die Grenzen der beiden Länder hinaus. Mit seinen "regionalen Mächten" deutete Chamenei an, wen er für die wesentlichen Akteure in der Nachbarschaft hält: die Golfstaaten, insbesondere Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), seine beiden größten Gegenspieler in der Region.

Die Proteste in Bagdad richten sich auch gegen den Iran und die USABild: picture-alliance/dpa/A. Al Mohammedaw

Dort hält man sich mit öffentlichen Äußerungen bislang allerdings zurück. Dafür gibt es gute Gründe: Im Irak sind knapp 70 Prozent der Bevölkerung Schiiten, im Libanon rund 50. Auf Kommentare aus den beiden überwiegend sunnitisch geprägten Golfstaaten könnten sie empfindlich reagieren. Dabei erfolgen die Proteste in beiden Ländern zum ersten Mal über die Glaubensgrenzen hinweg. Die Demonstranten, Sunniten wie Schiiten, eint die Wut auf die Missstände, allen voran die in beiden Ländern grassierende Korruption.

Der ehemalige saudische Geheimdienstchef Turki al-Faisal kritisiert TeheranBild: DW/M. Martin

Hoffen auf diplomatische Verständigung

Möglicherweise will Saudi-Arabien das ohnehin angespannte Verhältnis zum Iran nicht noch zusätzlich verkomplizieren. Mit Blick auf den Krieg im Jemen warte man auf ein Signal aus Teheran, sagt der ehemalige saudische Geheimdienstchef und Ex-Botschafter in Washington, Turki bin Faisal im Gespräch mit dem Internetmagazin "Al-Monitor". Es gebe Chancen für eine diplomatische Lösung des Krieges. "Aber wir haben bislang keine Zeichen des guten Willens gesehen." Im Gegenteil, fügte der Diplomat hinzu: "Es ist der Iran, der durch seine Interventionen die Unruhe in Irak, Syrien, Libanon und Palästina anheizt."

In dieses Horn stoßen auch die saudischen Zeitungen. In Libanon und im Irak richteten sich die Proteste gegen den Iran, heißt es in der Zeitung "Al-Jazeerah" (nicht zu verwechseln mit dem katarischen Fernsehsender Al-Jazeera). Auch die Zeitung "Al Watan" bezichtigt den Iran, in mehreren arabischen Ländern für Instabilität zu sorgen. Nun aber gebe es eine "Revolution der Verletzlichen", die auch außerhalb der jeweiligen Landesgrenzen große Auswirkungen habe. "Die iranische Revolution durchlebt ihre schlechtesten Tage." Sollte der Aufstand der Völker weitergehen, bedeute dies "das Ende eines willkürlichen, unterdrückerischen Regimes und die Erlösung der Welt von ihren Sünden und Übeln".

Auch im Libanon protestieren die Menschen gegen Korruption und soziale MissständeBild: Reuters/A. M. Casares

Geld statt Waffen

Seinen Einfluss versucht das Königreich derzeit darum eher dezent geltend zu machen. So hat es dem inzwischen zurückgetretenen libanesischen Premier Saad al-Hariri zuletzt die finanzielle Unterstützung entzogen, um damit indirekt auch die Hisbollah zu schwächen, schreibt die libanesische Zeitung "Daily Star": "Wenn man dem Libanon hilft, hilft man der Hisbollah", zitiert das Blatt den Politikwissenschaftler Shafeeq Ghabra von der Universität Kuwait. Und das versucht Riad tunlichst zu vermeiden. 

"Was momentan passiert, ist für Saudi-Arabien und andere Länder, die sich in einem Stellvertreterkrieg mit dem Iran befinden, ein Geschenk des Himmels", sagt deshalb auch Sami Nadar vom Think Tank "Levant Institute" in Beirut. "Es ist offensichtlich, dass die Hisbollah der größte Verlierer ist", zumindest solange die Unruhen ihren überkonfessionellen Charakter behalten. "Jedes Anzeichen, dass eine Regionalmacht die Bewegung zu kapern versucht, wird den Protest polarisieren und entlang konfessioneller Linien zersplittern." Genau das aber gilt es aus Sicht Saudi-Arabiens und seiner Partner zu verhindern. Denn zerfielen sie in ihre konfessionellen Bestandteile, würden die Bewegungen in beiden Ländern an Schwung verlieren.

Hisbollah-Chef sucht die Öffentlichkeit

01:18

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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