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Geänderte Quotenregel in Bangladesch: Endet nun der Protest?

Arafatul Islam | Harun Ur Rashid Swapan
23. Juli 2024

Nach den Protesten mit 150 Toten will das höchste Gericht in Bangladesch das Quotensystem für Stellen im öffentlichen Dienst deutlich einschränken. Die Regierung folgt nun der Entscheidung. Die Lage bleibt angespannt.

Bangladesch  Ausgangssperre nach Protest von Studenten gegen Quotenregelung
Ausgangssperre nach Protesten von Studenten gegen eine Quotenregelung für RegierungsjobsBild: Mohammad Ponir Hossain/REUTERS

Nach tödlichen Zusammenstößen zwischen demonstrierenden Studenten, der Polizei und regierungsfreundlichen Gruppen hat der Oberste Gerichtshof von Bangladesch entschieden, das umstrittene Quotensystem für Stellen im öffentlichen Dienst erheblich einzuschränken. Die Regierung hat nun am Dienstag angekündigt, dem Gerichtsentscheid zu folgen. Bei den schlimmsten Unruhen im Land seit Jahrzehnten waren in der Woche zuvor Berichten zufolge über 150 Menschen getötet und Tausende verletzt worden. 

Die Unruhen begannen, nachdem die Regierung angekündigt hatte, ein Quotensystem für gut bezahlte und sichere Regierungsstellen wieder einzuführen. Dieses System hätte mehr als die Hälfte dieser Stellen für bestimmte Gruppen reserviert, darunter 30 Prozent für Nachkommen von "Freiheitskämpfern", die 1971 für die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan kämpften. Diese Maßnahme wurde als Bevorzugung der Anhänger der langjährigen Premierministerin Sheikh Hasina und ihrer regierenden Partei Awami League angesehen.

Der Oberste Gerichtshof hat nun empfohlen, dass 93 Prozent aller Einstellungen im öffentlichen Dienst künftig auf Leistung basieren sollen, während fünf Prozent für Nachkommen von Freiheitskämpfern und zwei Prozent für Menschen aus ethnischen Minderheiten oder mit Behinderungen vorgesehen blieben. Das Gericht hatte jedoch betont, dass die Regierung die empfohlene Quotenregelung noch anpassen kann. Am Dienstag (23.7.) kündigte die Regierung nun an, den Empfehlungen zu folgen.

Studenten fordern Aufhebung der Ausgangssperre und Wiederherstellung des Internets

Seit vergangenen Donnerstag sind Internetverbindungen und SMS-Nachrichten in Bangladesch weitgehend abgeschaltet worden, nachdem sich die Proteste verschärft hatten. Zudem wurde eine Ausgangssperre verhängt und das Militär kam zum Einsatz mit dem Auftrag, die Zivilverwaltung bei der Aufrechterhaltung der Ordnung zu unterstützen.

Trotz des Urteils des Obersten Gerichtshofs und des harten Durchgreifens der Sicherheitskräfte zuvor haben einige Studierende, die an den Protesten teilgenommen hatten, zunächst angekündigt, diese dennoch fortzusetzen. Sarjis Alam, einer der Koordinatoren der Proteste, sagte der DW, dass die Gerichtsentscheidung die Forderungen der Studierenden nicht vollständig berücksichtigt habe. Das oberste Gericht habe es im Wesentlichen der Regierung überlassen, wie sie das Quotensystem umsetzen wird.

Am Montag hatten Vertreter der protestierenden Studenten dann aber erklärt, dass sie die Proteste für 48 Stunden aussetzen würden und forderten die Regierung auf, die Internetverbindung wiederherzustellen und die Ausgangssperre aufzuheben. Am Dienstag kündigten die Studentenvertreter an, den Stopp der Proteste auf weitere 48 Stunden auszudehnen und wiederholten dabei ihre Forderungen. 

Innenminister Asaduzzaman Khan sagte Reportern am Montag, dass "die Normalität innerhalb von ein oder zwei Tagen zurückkehren wird." Die Regierung erklärte am Dienstag, dass die Ausgangsperre ab Mittwoch in der Zeit von 10 Uhr morgens bis 17 Uhr abends aufheben werde.

Unterdessen fordern die protestierenden Studenten Gerechtigkeit für die bei den Demonstrationen Getöteten ein. Sarjis Alam beschuldigte den politischen Flügel der Regierungspartei, an der Ermordung der Demonstranten beteiligt gewesen zu sein; eine Anschuldigung, die die Regierung von sich weist. Die Demonstranten behaupten zudem, von der Polizei geschlagen worden zu sein.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erklärte, dass Videoaufnahmen von den Zusammenstößen in der vergangenen Woche zeigen würden, dass die Sicherheitskräfte in Bangladesch unrechtmäßig Gewalt angewendet hätten.

Michael Kugelman, Südasienexperte am Woodrow Wilson Center for Scholars in Washington, ist der Meinung, dass sich Hasinas Regierung verkalkuliert habe, als sie annahm, die Demonstranten könnten damit beschwichtigt werden, dass die Regierung allein auf den aktuellen Anlass der Proteste reagiere.

"In Wirklichkeit bietet diese Gerichtsentscheidung nicht der Ausweg, den Dhaka sich erhofft hat." Die Regierung scheine taub zu sein gegenüber dem Ausmaß der Wut, die sich auf den Straßen zeige. Diese habe sich zu einer Empörung entwickelt, "die weit über das Quotensystem hinausgeht", sagt er der DW. "Wenn die Regierung ihr hartes Durchgreifen fortsetzt und weiterhin Protestführer verhaftet, wird es zwar schwierig sein, die Bewegung aufrechtzuerhalten. Dennoch würden solche Maßnahmen die öffentliche Wut und die Beschwerden über Missstände weiter anheizen und ein weiteres potenzielles Pulverfass für die Regierung schaffen", fügt Kugelman hinzu.

Regierung hat Aufstand gegen Quoten "nicht erwartet"

Ali Riaz, Politikwissenschaftler an der Illinois State University, glaubt, dass die Empfehlung des Gerichts "zu spät" gekommen sei und es nun die Entscheidung der Regierung überlasse. "Bis ein Gesetz vom Parlament verabschiedet wird, bleibt es das Vorrecht der Exekutive, es irgendwann zu ändern. Die Entscheidung des Gerichts scheint von der Exekutive beeinflusst worden zu sein. Was verschafft dann eine Garantie, dass diese in Zukunft nicht wieder geändert wird?",  gibt er gegenüber der DW zu bedenken.

Riaz ergänzt, dass die Regierung nicht mit einer derart heftigen Reaktion auf die Quotenreform gerechnet habe. "Die Gewalt breitete sich aus und es gab Todesopfer, weil die Regierung eine landesweite Dimension der Reaktion nicht erwartet hatte. Nach den Wahlen im Januar war die Regierungspartei ziemlich selbstgefällig und hielt sich für unbesiegbar", sagt er.

Studentenproteste, hier in der Hauptstadt Dhaka am 18. Juli: Zusammenstöße mit SicherheitskräftenBild: Anik Rahman/AP Photo/picture alliance

"Leider wird den Opfern der Bewegung gegen die Quotenregelung keine Gerechtigkeit widerfahren, insbesondere nicht unter der gegenwärtigen Regierung", befürchtet Riaz und weist darauf hin, dass Hasinas Regierung in der Vergangenheit bereits mehrfach auf "rohe Gewalt" zurückgegriffen habe, um die Opposition zu unterdrücken.

Die Regierung beschuldigt Oppositionsparteien, zur Gewalt angestiftet zu haben. In den letzten Tagen wurden mehrere Oppositionsführer verhaftet. "Oppositionsparteien haben versucht, die Regierung zu stürzen, indem sie die Situation ausnutzten. Doch ihr Versuch ist gescheitert", erklärt M. A. Mannan, ein Abgeordneter der regierenden Partei  Awami-League und ehemaliger Planungsminister, gegenüber der DW.

Mannan räumt ein, dass die Regierung die Quotenfrage besser und früher hätte klären können, ist jedoch überzeugt, dass "die Situation jetzt unter Kontrolle" sei.

Südasienexperte Kugelman meint jedoch, dass Premierministerin Hasina durch die Unruhen zu der Quotenregelung politisch beschädigt worden sei. "Ihre Aura der Unbesiegbarkeit - die Vorstellung, dass sie die Kontrolle behalten und jede abweichende Meinung unterdrücken könne - ist zerstört. Ihre Legitimität, die bereits nach ihrer Rückkehr an die Macht bei einem von der Opposition boykottierten Wahlkampf fragil war, wurde erheblich geschwächt", sagt er gegenüber der DW.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein. Aktualisiert mit Agenturmaterial am 23.7.

Arafatul Islam Multimedia-Journalist mit den Schwerpunkten Bangladesch, Menschenrechte und Migration@arafatul