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Proteste in Vietnam geraten außer Kontrolle

Anemi Wick, Vietnam14. Mai 2014

Proteste, wie sie Vietnam in den vergangenen Tagen erlebt hat, sind in dem Einparteienstaat äußerst selten. Normalerweise werden Demonstrationen von Polizei und Behörden unterbunden.

Anti-China-Proteste im Industriegebiet in der Provinz Binh Duong, Vietnam Foto: privat
Bild: privat

Proteste, die sich gegen chinesische Unternehmen in den Industriezonen in der südlichen Provinz Binh Duong richteten, gerieten am Dienstag und Mittwoch (13./14.05.2014) außer Kontrolle. Am Wochende zuvor verliefen Anti-China-Demonstrationen in Hanoi und Ho Chi Minh Stadt friedlich. Sogar die Staatsmedien berichteten darüber. Anlass der Proteste ist die Installation einer chinesischen Ölbohrinsel in umstrittenen Gewässern im Südchinesischen Meer.

Ein Einkäufer einer europäischen Firma, der anonym bleiben möchte, hat sich am Mittwoch morgen gegen 9.30 Uhr vor Ort ein Bild von der Lage verschafft: "Wir sahen Rauchsäulen aufsteigen. Der Vietnam-Singapur-Industriepark war abgeriegelt, die Straße blockiert, die Polizei war mit Wasserwerfern vor Ort."

Nicht nur chinesische Fabriken beschädigt

Auch in einem benachbarten Industriepark habe er mindestens sechs Fabriken mit Brandschäden gesehen, einige hätten noch gebrannt. Nachdem sich am ersten Tag die Aggressionen gegen chinesische Betriebe gerichtet hatten, seien am Mittwoch auch Unternehmen aus anderen Ländern wie Taiwan und Singapur betroffen gewesen. "Wo chinesische Schriftzeichen auf den Firmenschildern zu sehen waren, wurden Steine geworfen und Scheiben eingeschlagen."

Zusammenstöße zwischen vietnamesischen und chinesischen Schiffen bei der ÖlbohrinselBild: picture alliance/AP Photo

Schwer getroffen habe es unter anderem einen taiwanischen Fahrradhersteller, dessen Betrieb abgebrannt sei, und einen Textilhersteller aus Singapur, der schwere Schäden davontrug. Die Stimmung unter den Protestierenden, mehrere tausend mehrheitlich junge Leute auf Motorrollern, beschreibt er als "aufgebracht". Gewalt gegenüber Personen habe er jedoch nicht beobachtet.

Wie ein weiterer Augenzeuge berichtet, seien in der Industriezone sämtliche Schuhfabriken mit chinesischen oder taiwanischen Verbindungen angegriffen worden und hätten vorübergehend den Betrieb einstellen müssen.

"Betrunkene Randalierer"

"Hunderte Demonstranten", berichtet der Leiter eines Bekleidungsunternehmens aus Hong Kong, das in Binh Duong herstellt, "kamen mit Motorrollern zur Fabrik und forderten, die Arbeiter aus dem Gebäude zu lassen, damit sie sich den Protesten anschließen können, ansonsten werde die Fabrik niedergerissen. An den Toren zahlreicher Fabriken wurden Landesflaggen und Beschriftungen befestigt, um klar zu machen, dass es sich nicht um ein chinesisches Unternehmen handelt." Einige Unternehmen hängten zudem vietnamesische Flaggen aus, um ihre Unterstützung für Vietnam zu signalisieren und Angriffe zu vermeiden. Über öffentliche Lautsprecher habe es Durchsagen gegeben, die Verständnis für die Wut gegen China äußerten, jedoch zur Ruhe aufforderten.

Anti-China-Proteste am 14. Mai in der Provinz Binh DuongBild: privat

Dafür, dass die anfangs friedlichen Proteste eskalierten, mache er nicht zuletzt einen gewissen Herdentrieb verantwortlich: "Einige der Protestierenden wollten wirklich ein Zeichen gegen China setzen. Ihnen haben sich hunderte von Randalierern angeschlossen, von der Stimmung angeheizt. Mehrere von ihnen waren betrunken." Für Polizei und Behörden seien die Proteste am Dienstag wie aus dem Nichts gekommen. Am Mittwoch sei gegen Nachmittag in den Industriezonen bereits wieder Ruhe eingekehrt. "Falls die Proteste damit beendet sind, hat die Polizei einen guten Job geleistet."

Behörden hilflos

Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Vietnam, Marko Walde, hielt sich gerade in Berlin auf, als er von den Geschehnissen erfuhr. Die Randale sei völlig überraschend aufgetreten und für die ausländischen Unternehmen ein Schock, sagte er. 60 bis 70 Betriebe seien Berichten zufolge zum Teil erheblich beschädigt worden. Erschreckend sei, dass es überhaupt dazu kommen konnte, so Walde: "Die Behörden waren den Krawallen in Binh Duong gegenüber hilflos und haben diese erst viel zu spät stoppen können." In den Nachbarprovinzen, wo sich eine ähnliche Entwicklung abgezeichnet habe, sei es dagegen gelungen, frühzeitig zu reagieren.

Ausgebrannte Fabrik in Binh DuongBild: privat
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