Demonstranten planen Ausweitung der Proteste
14. August 2013Eine robuste Metall-Absperrung vor dem bulgarischen Parlament teilt die Straße: Auf der einen Seite stehen Polizisten und starren teilnahmslos auf die vorbeifahrenden Autos und Busse. Ihre schwarzen Uniformen und die schweren Stiefel lassen sie als Angehörige der "Spezialeinheit gegen Ausschreitungen" erkennen. Auf der anderen Straßenseite haben Demonstranten mehrere Zelte aufgestellt. Auf mitgebrachten Plakaten bezeichnen sie die bulgarische Regierung als "Mafia" und "Diebe".
Ausgelöst wurden die Proteste im Juni 2013, als die Regierung den umstrittenen Medien-Unternehmer Deljan Peewski zum neuen Leiter der nationalen Sicherheitsbehörde ernannte. Viele Bürger sahen darin ein Indiz für die korrupten Verbindungen zwischen den mächtigen Oligarchen des Landes und der politischen Elite. Seither gehen Menschen auf die Straße, um den Rücktritt der Regierung zu fordern.
Yoga auf den Barrikaden
Zwei Frauen in Leggings breiten Yoga-Matten in leuchtenden Farben auf dem Boden aus: Antonyia und Snejinka bringen anderen Demonstranten kostenlos Yoga bei und nennen das "Yoga-Protest". Sie wollen, dass die Regierung zurücktritt. Den Machthabern empfehlen sie, lange zu meditieren. Doch ob das hilft, bezweifelt Antonyia: "Politiker sind korrupt, es ist schwer für sie, Erleuchtung zu erlangen." Dann beenden die beiden das Gespräch und widmen sich mehreren Damen, die sich erwartungsvoll auf die Yoga-Matten gesetzt haben.
Die "Yoga-Protestler" beginnen mit ihren Gesängen und beugen sich nach vorne, um gemeinsam den "Sonnengruß" zu üben. Selbst Yoga könne eine Möglichkeit sein, zum Sturz einer Regierung beizutragen, meint der Politikwissenschaftler Vladimir Shopov. Der Leiter des European Strategy and Policy Institute in Sofia sitzt in einem Straßencafé, unweit der Polizei-Absperrungen. Die Demonstranten, so seine Beobachtung, seien auch in den Sommerferien kreativ geblieben, um die Proteste nicht einschlafen zu lassen.
Kein Vertrauen in politische Parteien
"Wir erleben eine tiefe Krise der politischen Institutionen. Die Menschen haben das Vertrauen verloren", sagt Shopov im Gespräch mit der Deutschen Welle.
In den beiden Jahrzehnten, die in Bulgarien den Übergang vom Kommunismus hin zur freien Marktwirtschaft kennzeichnen, ist es verschiedenen Oligarchen gelungen, sich als wichtige wirtschaftliche und politische Akteure zu etablieren. Nicht nur die aktuelle Koalitionsregierung, bestehend aus der Sozialistischen Partei und der bulgarisch-türkischen Partei DPS, steht in der Kritik: Auch der vorherigen konservativen Regierung unter Bojko Borissov wurde Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Den kleinen Oppositionsparteien ist es bisher nicht gelungen, einen politisch überlebensfähigen Kandidaten zu präsentieren.
"Ich glaube nicht, dass eine weitere Wahl die Lösung der aktuellen politischen Krise bringen könnte", sagt Shopov. Eher werde eine längere Periode folgen, "in der wir die Politik, so wie sie momentan betrieben wird, gänzlich umgestalten." Der Politik-Experte hofft, dass zivilgesellschaftliche Gruppierungen Druck auf die Regierung ausüben werden - auch die EU könne dazu beitragen, meint er.
Bisher weitgehend friedliche Proteste
Stoyan Panchev befürchtet allerdings, dass sich dieser Druck auf ein paar strenge Worte aus Brüssel beschränken könnte, die wirkungslos verpuffen würden. Der Wirtschaftswissenschaftler ist unterwegs zu einer nächtlichen Protestrunde in Sofia. "Ich bin es leid, nur herumzulaufen - ich will jetzt lieber Plätze besetzen, Straßen blockieren", sagt er. "Es wäre besser, die Abgeordneten in ihren Ferienorten aufzusuchen und dort direkt vor den Restaurants Lärm zu machen, in denen sie essen." Wenige Tage zuvor legte er sich zusammen mit anderen Protestierenden in Sofia auf die Straße.
Der Polizei blieb nichts anderes übrig, als die Menschen wegzuschleifen. Panchev grinst, wenn er davon erzählt - und beim Anblick einer Gruppe von müde aussehenden Sicherheitskräften wird sein Grinsen noch breiter. Die Proteste in Bulgarien waren bis jetzt größtenteils friedlich. Nur am 23. Juli 2013 war es zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen, als die Protestierenden für mehrere Stunden das Parlamentsgebäude blockiert hatten, damit die Abgeordneten es nicht verlassen konnten. Da die Regierung extrem unbeliebt ist, könnte sie durch weitere Konfrontation dieser Art gestürzt werden, meint Panchev.
Vor dem Parlamentsgebäude angekommen, zeigt sich der Wirtschaftswissenschaftler etwas enttäuscht: Nur einige Hundert Menschen sind zu den Protesten gekommen - nur wenige, im Vergleich zu den Tausenden von wütenden Bürgern, die an früheren Demonstrationen teilgenommen haben. Doch der August ist in Sofia sehr heiß und stickig, viele Einwohner haben Urlaub und sind ans Meer gefahren.
Organisatoren der Proteste stellen Stundenpläne auf, damit rund um die Uhr zumindest einige Demonstranten vor Ort sind. Zwischenzeitlich bereiten sie sich auf einen heißen September vor. Dann kehren Politiker und viele der Protestierenden aus dem Sommerurlaub zurück. Aus Demonstrantenkreisen hört man von Plänen, nach der Sommerpause das Parlamentsgebäude erneut zu verbarrikadieren, damit die Abgeordneten nicht hinein können - oder nicht mehr hinaus. Über kurz oder lang sollte es gelingen, die Regierung zu stürzen, so die Einschätzung der Demonstranten. "Yoga-Protest" und Barrikaden würden ihren Teil dazu beitragen.