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Politik

Protestwelle in den USA rollt weiter

1. Juni 2020

Die USA kommen nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz nicht zur Ruhe. Präsident Trump setzt auf Härte. Sein Vorgänger Obama sucht nach einer anderen Lösung.

USA Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt 2016
Bild: AFP/B. Smialowski

Berechtigte Wut über Missstände im Land müsse auf friedliche Weise für echte Veränderungen genutzt werden, sagte der frühere US-Präsident und Vorgänger von Trump. Dann könne dieser Moment ein wirklicher Wendepunkt werden, mahnte Barack Obama in einer schriftlichen Erklärung. Die Proteste seien Ausdruck einer echten und legitimen Enttäuschung über ein "jahrzehntelanges Versagen" bei der Reform von Polizei und Strafjustiz in den Vereinigten Staaten.

Trump setzt auf Härte

US-Präsident Donald Trump setzt dagegen auf einen ganz anderen Kurs: Bei einer Videokonferenz sagte er, wer gewaltsam protestiere, müsse verhaftet werden. Gleichzeitig warf er einer Reihe von Gouverneuren mangelnde Durchsetzungskraft vor. Das sei gefährlich, die Behörden könnten dann von den Protesten geradezu überrollt werden. Sollte die Polizei nicht für Ordnung sorgen können, müssten die Gouverneure eben die Nationalgarde anfordern, so Trump. Zugleich beschuldigte er erneut die linksradikale Antifa-Bwegung, sie würde die Gewalt noch anheizen.

Die Proteste in den USA dauern bereits den sechsten Tag in Folge an. Dabei kam es auch in unmittelbarer Nähe des Weißen Hauses in Washington zu Konfrontationen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Pfefferspray und Blendgranaten gegen Menschen ein, die sich in einem an den Amtssitz von Präsident Donald Trump angrenzenden Park versammelt hatten. Bekannt wurde inzwischen, dass Trump am Freitag Schutz in einem unterirdischen Bunker suchen musste, so angespannt war die Lage rund um seinen Amtssitz in Washington.

Sohn von Floyd ruft zu Gewaltverzicht auf

In der direkt an Minneapolis angrenzenden Stadt St. Paul versammelten sich tausende Menschen vor dem Kapitol, in dem Gouverneur und Generalstaatsanwalt sowie das Parlament von Minnesota ihre Amtssitze haben. Ihre Generation sei "die Unterdrückung leid", sagte die 31-jährige Afroamerikanerin Muna Abdi. Sie wolle, dass ihr dreijähriger Sohn "am Leben bleibt". Größere Demonstrationen gab es am Sonntag zudem in New York und Miami.

Ein Sohn Floyds rief dazu auf, bei den Protesten Gewalt zu vermeiden. In einem TV-Interview des CNN-Tochtersenders KBTX appellierte Quincy Mason Floyd an die Demonstranten, friedlich zu bleiben. Zugleich äußerte er sich bewegt über die große Anteilnahme am Tod seines Vaters. "Jeder kommt und zeigt ihm Liebe. Mein Herz ist sehr berührt von all dem."

DW-Korrespondent bei Arbeit behindert  

Die angespannte Lage erschwert Journalisten in den USA zunehmend ihre Arbeit. Der in Minneapolis tätige DW-Korrespondent Stefan Simons wurde bereits zweimal von Polizisten bei seiner Arbeit behindert. Am Sonntag kamen mit Gewehren bewaffnete Beamte auf Simons zu, um ihn zur Beendigung seiner Tätigkeit zu zwingen. Nach einem kurzen Wortgefecht entschloss sich Simons dazu, mit seinem Kamerateam wegzufahren.

DW-Korrespondent Stefan Simons wird von US-Sicherheitskräften bedroht

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Bereits in der Nacht zum Sonntag war Simons kurz vor einer Liveschalte offenbar von einem Polizeischuss aufgeschreckt worden: "Fünf Minuten, bevor wir eine Liveschalte machen wollten, hörten wir etwas an unseren Ohren vorbeisausen, das war ein Schuss." Auf dem Videomaterial des DW-Kameramannes ist im Hintergrund undeutlich zu erkennen, wie ein Polizist unmittelbar nach dem Schussgeräusch einen Gegenstand herabsinken lässt wie eine Waffe nach erfolgtem Schuss. "Mein Kameramann war der Gefahr noch stärker ausgesetzt als ich, das hätte wirklich übel ausgehen können", sagt Simons. 

DW in der Schusslinie der Polizei

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Die Schwierigkeiten und Belastungen, mit denen der Reporter der Deutschen Welle konfrontiert wurde, sind kein Einzelfall: Am Freitag war ein CNN-Korrespondent samt Fernsehteam kurzzeitig festgenommen worden. Am Samstag erlitten zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters und eine schwedische Zeitungskorrespondentin Verletzungen durch Gummigeschosse.

Die mächtige Musik-Branche macht Druck

Am Dienstag wollen große US-Plattenfirmen aus Protest gegen den Tod Floyds eine Pause einlegen. Musikkonzerne wie Atlantic Records, Capitol Music, Warner Records und Sony Music beteiligen sich an einer Aktion unter dem Motto "The Show Must Be Paused" (Die Show muss pausieren) - eine Abwandlung des Mottos "The Show Must Go On" ("Die Show muss weitergehen"). Mehrere Labels wollen an Bürgerrechtsgruppen spenden.

Columbia Records betonte, der Dienstag sei kein freier Tag, sondern ein Moment, an dem darüber nachgedacht werden solle, wie es gemeinsam "in Solidarität" weitergehen könne. "Wenn die Musik aus ist, können wir vielleicht wirklich zuhören." In den vergangenen Tagen haben zahlreiche Musikstars wie Rihanna, Beyonce, Jay-Z, Dr. Dre, Taylor Swift, Cardi B und Billie Eilish ihre Wut über Floyds Tod bekundet.

Drei Polizisten weiter auf freiem Fuß 

Der unbewaffnete George Floyd war vergangenen Montag gestorben, nachdem der weiße Polizist Derek Chauvin ihm fast neun Minuten lang sein Knie in den Nacken gedrückt hatte. Vergeblich stöhnte der Afroamerikaner, dass er keine Luft bekomme ("I can't breathe"), bevor er bewusstlos wurde und später in einem Krankenhaus in Minneapolis verstarb. Er wurde 46 Jahre alt. Ein Video des Vorfalls löste landesweites Entsetzen aus. Chauvin blieb dennoch tagelang auf freiem Fuß, bevor er schließlich festgenommen und des Totschlags und der fahrlässigen Tötung beschuldigt wurde. Floyds Familie und vielen Demonstranten reicht das aber nicht aus. Sie verlangen eine Anklage wegen Mordes. Drei weitere an dem Einsatz beteiligte Beamte wurden wie Chauvin zwar aus dem Polizeidienst entlassen, sind aber weiter auf freiem Fuß.

haz/pg/sti/ww (ehl, afp, ap, dpa, rtr)

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