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Kunst

Uni Bonn bildet Provenienzforscher aus

Heike Mund26. September 2016

Die Universität Bonn hat als erste deutsche Hochschule Professuren für Provenienzforschung ausgeschrieben. Deutschland habe nach dem Fall Gurlitt seine Hausaufgaben gemacht, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen im DW-Interview.

Isabel Pfeiffer-Poensgen. (Foto: Stephanie Pilick)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

DW: Frau Pfeiffer-Poensgen, als Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste hat Sie das vermutlich sehr erfreut. Die bundesweit ersten Professuren für Provenienzforschung werden jetzt an der Universität Bonn ausgeschrieben. Bewerben können sich Wissenschaftler aus dem In- und Ausland. Beide Professuren werden von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert, kombiniert mit einer Tandem-Juniorprofessur der Uni Bonn. Von wo ist denn der Impuls gekommen - oder die Idee - dies als Stiftungsprofessuren einzurichten?

Isabel Pfeiffer-Poensgen: Es ist ja schon immer viel zur Geschichte und Herkunft von Sammlungen geforscht worden. Aber natürlich hat durch die Gründung des neuen Zentrums für Kulturgutverluste in Magdeburg die ganze Thematik der Provenienzforschung, vor allem was das 20. Jahrhundert angeht, eine große Dynamik bekommen.

Es ist das Verdienst von Professor Uwe Schneede, dem Vorstand dieses Zentrums, dass er auf die Krupp-Stiftung zugegangen ist und sie überzeugt hat, mit den beiden Stiftungsprofessuren in den Fächern Kunstgeschichte und Jura einen Schwerpunkt auf Provenienzforschung, Sammlungsgeschichte und Kunstrecht zu legen

Hat das Zentrum für Kulturgutverluste da schon gute Vorarbeit geleistet?

Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste koordiniert die ProvenienzforschungBild: picture-alliance/dpa/J. Wolf

Ja, unbedingt. Professor Uwe Schneede ist von Hause aus Forscher, Kunsthistoriker und gleichzeitig auch Museumsmann. Er hat lange die Kunsthalle Hamburg geleitet. Und ihm war es schon in der Gründungsphase, in der wir die Konzeption dieses Zentrums immer wieder diskutiert haben, ein großes Anliegen, dass nicht nur Recherchen zur Provenienz in den Museen stattfinden, sondern auch in der universitären Forschung. Und damit ist die Ausbildung von Kunsthistorikern verbunden. Wir brauchen in Zukunft junge Leute, die sich schon im Studium mit dem ganzen Instrumentarium und den Grundfragen der Provenienzforschung beschäftigt haben.

Wo wird bei diesem neuen Lehrstuhl und für die Studenten der größere Schwerpunkt liegen? Auf der juristischen Kompetenz oder mehr auf dem kunsthistorischen Fachwissen? Oder kann man das gar nicht voneinander trennen?

Da ich ja selber Juristin bin, kann ich mir erlauben, zu sagen: die Grundlagenarbeit liegt aus meiner Sicht bei der Kunstgeschichte. Und da besonders in der historischen Forschung, denn man muss bei jedem einzelnen Kunstwerk sehr genau nachvollziehen können: Wie war sein Weg? In welchen Kunstsammlungen hat es sich befunden? Wo sind die Übergänge? Und wo sind während des Dritten Reiches Enteignungen (u. a. jüdischer Kunstsammler und -Händler, Anm. d. Red.) zu verzeichnen. Das erfordert eine sehr präzise historische Arbeit, aber ebenso solide kunsthistorische Einordnung, denn die Recherchen gehen ja immer vom Kunstwerk aus.

Die juristischen Fragen sind natürlich auch wichtig: Wie gehen wir später damit um? Aber zunächst ist aus meiner Sicht die Kunstgeschichte in der Pflicht. Es muss jetzt und in Zukunft zum festen Bestandteil der Ausbildung von Kunsthistorikern gehören, dass sie immer auch die Frage nach der Herkunft eines Bildes oder einer Skulptur stellen. Das sollte in den Kanon jeder kunsthistorischen Ausbildung aufgenommen werden.

Der "Fall Gurlitt" hat nicht nur international Wellen geschlagen. Er hat auch viel Licht gebracht in dieses Dickicht der zum Teil ungeklärten Herkunft vieler Kunstwerke, die im Fall Gurlitt unter Raubkunstverdacht standen. Ist das im Nachhinein fast schon ein Glücksfall, gerade für die Provenienzforschung?

Wenn man das ganz pragmatisch betrachtet, haben Sie nicht Unrecht. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es nicht eines solchen Eklats bedurft hätte. Aber der Fall Gurlitt hat vor allem politisch noch einmal viel deutlicher gemacht - was vorher nur die Fachöffentlichkeit interessiert hat - dass es für die Erforschung der Sammlungen mehr finanzielle Möglichkeiten und eine gezielte Förderung geben muss.

Seltener Glücksfall: das Matisse-Gemälde "Sitzende Frau" konnte an die Erben zurückgegeben werdenBild: picture-alliance/dpa/Art Recovery Group/W. Heider-Sawall

Die Umstände des Gurlitt-Falls haben gezeigt, dass die Herkunftsforscher da auch mit kriminalistischem Spürsinn herangehen mussten. Das war fast schon ein "Kunstraub-Krimi". Wie unterrichtet man denn so ein Fach Provenienzforschung?

Es wird schon seit Jahren ein Modul Provenienzforschung an der Freien Universität Berlin angeboten. Dort wird den Studenten schon seit Jahren das historische Handwerkszeug vermittelt und darauf kann man in Bonn sicher gut aufbauen. Da aufgrund der historischen Umstände wie Flucht und Ermordung häufig nur wenig Quellenmaterial zur Verfügung steht, muss man manchmal über hochkomplizierte Wege den Sammlungen auf die Spur kommen. Über Korrespondenzen, über andere Künstler oder über andere Sammler.

Wie geschickt man diesen archivalischen Spuren folgt und wie gut man über das Instrumentarium verfügt, entscheidet über den Erfolg der Provenienzrecherchen. Da gibt es dank der jahrelangen Recherchen in den Museen ein großes Reservoir an Wissen und Erfahrung, auf das man zurückgreifen kann. Doch um dieses zu nutzen, reicht es nicht, wenn man "nur" klassische Kunstgeschichte studiert hat.

Wie wichtig sind dafür eine internationale Ausrichtung der Forschung und auch die internationalen Kontakte? Das ist vermutlich inzwischen ein weltweites Netzwerk von verschiedenen Institutionen, die da ihr Wissen beisteuern.

Die Vernetzung der Provenienzforschung ist zentral in meinen Augen. Nicht zuletzt können wir von internationalen Kollegen sehr viel lernen. Es bestehen bereits Kontakte bis in die USA, aber man kann auch nur in die benachbarten Länder schauen, wie die Niederlande oder nach Österreich. Internationalität ist für die Forschung in diesem Bereich aber absolute Bedingung.

Sie haben als Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder einen guten Überblick über die Förderung der Provenienzforschung an Museen und Kunstsammlungen in Deutschland. Seit 2008 sind immerhin 17,5 Millionen Euro dafür bereitgestellt worden. Wie wichtig ist die Stärkung der Provenienzforschung, was das internationale Ansehen Deutschlands betrifft? Die jüdischen Opferverbände haben da ein kritisches Auge auf den Forschungsstandort Deutschland. Wie beurteilen Sie das?

Durch die anfängliche Aufregung über diesen Fall ist seinerzeit viel bereits geleistete Arbeit übersehen worden. Ich selber habe durch Kontakte mit amerikanischen Anwälten und Nachfahren enteigneter Sammler oft erfahren, wie anerkennend sie sich über die hier in Deutschland betriebene Forschung äußern. Wir sollten weiter mit Initiativen wie diesen Stiftungsprofessuren zeigen, dass Deutschland seine Hausaufgaben, die lange liegen geblieben sind, jetzt mit Hochtouren erledigt.

Das Interview führte Heike Mund.

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