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Provinzklub bezwingt FIFA

20. September 2016

Es klingt wie im Märchen: Ein kleiner Siebtligist aus Norddeutschland lehnt sich gegen die große FIFA auf - und gewinnt. Der SV Wilhelmshaven siegt in einem Rechtsstreit vor dem BGH. Ein Urteil mit Folgen.

Deutschland Fußballverein SV Wilhelmshaven (Foto: Imago/J. Sielski)
Bild: Imago/J. Sielski

Das, was in der Kartei des Bundesgerichtshofs seit Dienstagvormittag unter dem unscheinbaren Aktenzeichen "II ZR 25/15" firmiert, hat das Potential, die Sportgerichtsbarkeit zu verändern. Denn der kleine Provinzclub SV Wilhelmshaven geht tatsächlich aus dem jahrelangen Machtkampf mit den großen Fußball-Verbänden als Sieger hervor. Der BGH erklärte den 2012 vom Weltverband FIFA verhängten Zwangsabstieg des Ex-Regionalligavereins für unwirksam. Die Begründung des obersten deutschen Gerichts: Die Satzung des Norddeutschen Fußball-Verbands (NFV), der den Abstieg vollstreckt hatte, biete dafür keine ausreichende Grundlage.

Von der Bezirksliga zurück in die Regionalliga?

Die Vorgeschichte: Der SV Wilhelmshaven hat sich seit 2008 geweigert, für einen früheren Spieler eine nach den FIFA-Regularien fällige Ausbildungsentschädigung an die beiden argentinischen Vereine River Plate und Atletico Excursionistas zu zahlen. 2007 war Sergio Sagarzazu, ein Argentinier mit italienischem Pass, nach Norddeutschland gewechselt. Er bestritt elf Partien für den Club in der Regionalliga. Dann setzte die FIFA eine Ausbildungsentschädigung von insgesamt 157.500 Euro fest. Viel Geld für einen Amateurverein und der SVW wollte die Summe nicht bezahlen. Zur Strafe ordnete die FIFA 2012 den Zwangsabstieg an, der Verein flog zum Ende der Saison 2013/14 aus der Regionalliga Nord. Heute dümpelt der SV Wilhelmshaven in der siebten Liga.

Klein gegen Groß: 2013 hatte der SV Wilhelmshaven den BVB mit Aubemeyang (l.) zu Gast und verlor das Pokalspiel mit 0:3.Bild: Getty Images

Damit soll bald Schluss sein. Denn die Wilhelmshavener wollen "eine Rückversetzung in die Regionalliga", erklärte Harald Naraschewski, Aufsichtsrat im Verein und Anwalt schon vor dem Urteil. Wie so ein sprunghafter Wiederaufstieg praktisch umsetzbar wäre, ist unklar, aber Naraschewski denke dabei "von Spiel zu Spiel". Nach mehreren verlorenen Verfahren in Vorinstanzen hatte sein Verein beim Oberlandesgericht Bremen 2014 recht bekommen. Seitdem galten die Chancen des kleinen Klubs auf einen gerichtlichen Sieg als durchaus realistisch.

Gerät die Sportgerichtsbarkeit ins Wanken?

Das Urteil könnte auch andere Verbände zwingen, ihre Satzungen rechtlich wasserdicht zu machen. Denn im Kern ging es um die Frage, ob der Verein den Abstieg hinnehmen musste, obwohl er kein Mitglied im Deutschen Fußball-Bund (DFB) war. Denn der SVW ist anders als die meisten deutschen Fußballvereine lediglich Mitglied in einem Landesverband, dem Norddeutschen Fußball-Verband NFV, nicht aber im DFB.

Das BGH-Urteil zugunsten des SV Wilhelmshaven hat aber noch weitreichendere Folgen: Sportvereine könnten nun auch in weiteren, ähnlich gelagerten Fällen vor Zivilgerichte ziehen, nicht mehr nur allein vor Sportgerichte - eine zumindest teilweise Entmachtung der Sportgerichtsbarkeit droht. Die Frage, ob Ausbildungsentschädigungen des Weltverbands FIFA überhaupt rechtmäßig sind, ist damit ohnehin aufgeworfen.

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