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Politik

Heckler & Koch wartet auf Urteil

Ben Knight rb
20. Februar 2019

Es geht um mutmaßlich illegale Exporte von Sturmgewehren nach Mexiko: Ein Vorwurf der das deutsche Rüstungsunternehmen Heckler & Koch in Erklärungsnot gebracht hat. Jetzt fällt das Urteil.

Heckler & Koch Sturmgewehr G36
Das Heckler & Koch Sturmgewehr G36Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Die deutsche Justiz zieht an diesem Donnerstag einen Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Untersuchung. Dann entscheidet das Landgericht Stuttgart über fünf ehemalige Mitarbeiter des bedeutendsten Kleinwaffenherstellers des Landes, Heckler & Koch. Ihnen wird vorgeworfen, von 2006 bis 2009 mehr als 4680 Sturmgewehre vom Typ G36 illegal nach Mexiko exportiert zu haben. Besonders brisant: Einige der Waffen sollen 2014 bei der Ermordung von sechs mexikanischen Studenten und der mutmaßlichen Ermordung von 43 weiteren Studenten, die im Bundesstaat Iguala verschleppt worden waren, eingesetzt worden sein.

Korrupte Polizisten und die Drogenmafia sollen für das Massaker verantwortlich sein. Menschenrechtsaktivisten sehen allerdings nicht nur eine Mitverantwortung bei Heckler & Koch, sondern auch bei der deutschen Staatsanwaltschaft und der Bundesregierung: Bei der Staatsanwaltschaft weil sie mehrere Jahre brauchte, um den Fall zu untersuchen und bei der Regierung, weil sie ihre eigenen Exportrichtlinien nicht ausreichend kontrolliert haben soll.

Opfer-Angehörige beim Prozess nicht zugelassen

Der Sprecher der Kampagne "Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!", Jürgen Grässlin, der die Untersuchungen 2010 mit einer Klage angestoßen hatte, kritisiert, dass das Gericht Angehörige der Iguala-Opfer nicht Nebenkläger zugelassen hat. Zugleich bemängelt Grässlin, dass die Rolle der Bundesregierung nicht Bestandteil der Untersuchungen war. 

Prozessbeginn im Gerichtsaal des Landgerichts StuttgartBild: picture-alliance/dpa/S. Schuldt

"Die Beobachtung des Heckler & Koch-Prozesses führt zu dem Schluss: Die Exportgenehmigungsbehörden gehören auf die Anklagebank", erklärt er. Die Missachtung der Opfer habe den Prozess geprägt. "Die Zulassung Betroffener als Nebenkläger hätte die wahren Folgen von Waffenexporten nach Mexiko deutlich gemacht." Grässlin war an 28 Verhandlungstagen anwesend. Im Gespräch mit der Stiftung Wissenschaft und Politik berichtet er, wie schwer es für ihn zu ertragen war, "dass in diesem Prozess die mit den G36-Sturmgewehren verstümmelten, verkrüppelten und getöteten Menschen in Mexiko in keiner Weise eine Rolle gespielt haben."

Der Publizist und Rüstungsgegner Jürgen GrässlinBild: picture-alliance/dpa/Geisler-Fotopress/C. Hardt

Dennoch sieht er den Prozess als großen Erfolg. Noch nie sei in der Geschichte der Bundesrepublik im Kleinwaffenbereich ein "derart erhellendes Strafverfahren gegen eine Waffenschmiede geführt worden". Zum ersten Mal dürfte es eine Verurteilung der Firma Heckler & Koch oder mehrerer ihrer ehemaligen Mitarbeiter wegen Beteiligung an illegalen Waffengeschäften geben, glaubt Grässlin. Außerdem sei in einer erschreckenden Klarheit offenbar geworden, "dass das Rüstungsexport-Kontrollregime der Bundesrepublik Deutschland das Papier nicht wert ist, auf dem es geschrieben steht."

Lieferungen in gefährliche Regionen

Der Prozess deckt tatsächlich eine Lücke in den deutschen Waffenexportkontrollen für Mexiko auf: Während der Verkauf von Waffen an das Land im Allgemeinen erlaubt war, wollten die deutschen Behörden ihren Einsatz in bestimmten mexikanischen Bundesstaaten verbieten: Chihuahua, Chiapas, Guerrero und Jalisco - dort also, wo der Krieg mit Drogenkartellen, korrupte Polizeikräfte und Menschenrechtsverletzungen besonders weit verbreitet sind.

Doch Nachforschungen von Journalisten offenbarten, dass die G36-Gewehre sehr wohl an die Polizei dieser tabuisierten Regionen geliefert wurden. Ebenso ist es fraglich, ob das mexikanische Verteidigungsministerium, das die Waffen gekauft hatte, sich überhaupt der in der Endverbleibs-Erklärung festgelegten Einschränkungen bewusst war.  In der Zwischenzeit konnte Heckler & Koch darauf verweisen, dass die Waffen an das Ministerium geliefert wurden, obwohl dies offenbar nicht ihr endgültiges Ziel war.

Mahnwache vor dem Landgericht Stuttgart für Opfer des Massakers an Studenten im mexikanischen Iguala Bild: DW/B. Knight

Pannen im zuständigen Ministerium

"Es war von Anfang an klar, wohin die Lieferungen gehen würden", sagte Generalstaatsanwalt Karlheinz Erkert in seiner Schlusserklärung zu dem Prozess, der Mitte Mai begann. Er beschrieb die Affäre als "skandalös, schändlich und düster". Den fünf Angeklagten wird die Verletzung der allgemeinen deutschen Ausfuhrgesetze und der Kriegswaffenausfuhrgesetze vorgeworfen. Aber ihre Verantwortung wurde durch Beweise gemildert: Den zuständigen Behörden konnten Unregelmäßigkeiten bei der Erstellung der Ausfuhrbescheinigungen nachgewiesen werden. Offensichtlich hatten sie die bestehende Gesetzeslage falsch interpretiert. Für Ausfuhr-Bescheinigungen ist das Bundesministerium für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt zuständig. Allerdings wurde keiner ihrer Beamten angeklagt.

Die Staatsanwaltschaft fordert für nur zwei der Angeklagten Freiheitsstrafen. Es geht um Vertriebsleiter Ingo S. und eine Büroangestellte Marianne B., die an einem E-Mail-Verkehr beteiligt war, aus dem hervorging, dass das Unternehmen Einfluss auf die Endverbleibs-Erklärung nehmen wollte. Die Staatsanwaltschaft empfiehlt zudem eine 22-monatige Haftstrafe für Peter B., einem ehemaligen Vorstand von Heckler & Koch und früheren Präsidenten eines Landgerichts.

Nur ein Rad im Getriebe?

Nach Vorschlag der Staatsanwälte kann das Urteil ausgesetzt werden, wenn Peter B. eine Geldstrafe von 200.000 Euro bezahlt. Die Staatsanwaltschaft regte zugleich an, dass die Waffenfirma eine Geldstrafe von 4,1 Millionen Euro zahlt, was dem ungefähren Preis der Waffen entspricht, die bei dem Mexiko-Geschäft verkauft wurden. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch. Die Angeklagten seien entweder nur Befehlsempfänger oder in ihrem meist hochrangigen Positionen nicht mit Details befasst gewesen.

Ein Großteil der Verantwortung liege zudem bei den Genehmigungsbehörden. Ihnen müsse man Fahrlässigkeit vorwerfen, argumentierten die Verteidiger, weil sie Genehmigungen für Mexiko erteilten, obwohl man damit rechnen musste, dass dort nicht kontrolliert werde, wo die Waffen eingesetzt werden. Entscheidend für das Urteil wird sein, ob eine Endverbleibs-Erklärung vom Gericht als Teil der Exportgenehmigung angesehen wird oder nicht. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Frage ein juristisches Nachspiel haben könnte - vor dem Bundesgerichtshof.

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