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Politik

Uganda schaut nach den Haag

Simone Schlindwein
16. Januar 2017

Am Montag steht LRA-Kommandeur Dominic Ongwen vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. In Uganda, 6000 Kilometer entfernt, suchen Opfer und Täter eigene Wege der Versöhnung. Der Prozess hilft nur wenig.

Uganda Gulu Alltag Menschen
Menschen in Gulu in Norduganda (Archivbild)Bild: Getty Images/M. Di Lauro

Gulu, die Kleinstadt im Norden Ugandas, sieht schon lange nicht mehr aus wie ein Kriegsgebiet. Überall wird gebaut, werden Straßen geteert, Banken und Geschäfte eröffnet. In den vergangenen zehn Jahren hat Norduganda Frieden erlebt - seit sich die LRA-Miliz zurückzog. Die "Widerstandsarmee des Herrn" unter der Führung von Joseph Kony gilt als Afrikas brutalste Rebellenmiliz. Sie ist berüchtigt für Entführungen von Kindern, Verstümmelungen und grausame Massaker. Über 20 Jahre lang wütete die LRA in Uganda, dann zog sie sich in zurück in die Nachbarländer. Seitdem jagt Ugandas Armee mit Unterstützung von amerikanischen Spezialeinheiten die Miliz.

Die Menschen in Norduganda sind damit beschäftigt, sich wieder ein normales Leben aufzubauen. Doch jetzt lässt der Prozess gegen LRA-Kommandeur Dominic Ongwen vor dem 6000 Kilometer entfernten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die alten Wunden wieder aufbrechen.

Mit diesem Plakat fahndete der Internationale Strafgerichtshof nach Dominic OngwenBild: picture-alliance/dpa

Täter oder selbst Opfer?

Alexander Ochen sitzt mit seinen Schülern auf einer Bank vor dem Klassenzimmer der Sekundarschule von Gulu. Man könnte meinen, er sei ein ganz normaler Lehrer. Doch der heute 47-Jährige war einst Kommandeur bei der LRA. Wie der in Den Haag angeklagte Ongwen, so wurde auch Alexander Ochen als Jugendlicher von der LRA entführt - und stieg dann innerhalb der Miliz zum Kommandeur auf. "Einige von uns wurden gezwungen zu tun, was wir taten", sagt Ochen. Wenn der Kommandeur den Befehl gegeben habe, Kinder zu entführen und man sich geweigert habe, hätten schlimme Konsequenzen gedroht, sagt Ochen: "Ich habe das selbst erlebt. Viele, die entführt wurden, wurden ermordet."

Auch der in Den Haag angeklagte Dominic Ongwen wurde als 14-jähriger Junge aus seinem Heimatdorf in Nordugandaentführt und zum Kämpfer ausgebildet. Er stieg in der LRA-Hierarchie zum Kommandeur auf, befehligte Einheiten von Kindersoldaten. Ongwen ist einer von fünf LRA-Führern, die mit internationalem Haftbefehl gesucht wurden. LRA-Chef Joseph Kony ist noch immer auf der Flucht, die anderen drei Gesuchten bereits tot. Für den Internationalen Strafgerichtshof ist der Fall Ongwen eine Herausforderung. Der Angeklagte gab bei der Prozesseröffnung im Dezember an, er sei selbst Opfer und nicht Täter der LRA.

Lehrer Alexander Ochen mit seinen SchülernBild: S. Schlindwein

Auf Knien um Vergebung gebeten

Lehrer Ochen hat Dominic Ongwen gekannt. Er ist gegen den Prozess in Den Haag: "Ich weiß, dass es Gerechtigkeit geben muss," sagt er. Doch das Verfahren sende eine falsche Botschaft in den Busch an diejenigen Rebellen, die immer noch gefangen sind und sich ergeben wollen. "Ich habe insgeheim gebetet, dass er Amnestie erhält und es ein System der Gemeinde-Gerichte geben wird, in welchen sich Opfer und Täter gegenüberstehen. Das würde den Heilungsprozess voranbringen." 

Ugandas Regierung hat Lehrer Ochen Amnestie gewährt, wie tausenden weiteren LRA-Kämpfern und Kommandeuren. Wie Ochen sind sie in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt, in welchen sie grausame Verbrechen begangen haben. Sie alle mussten einen Weg finden, um Vergebung zu bitten.

Ochen erzählt, wie er eine Familie wieder traf, deren Verwandten umgebracht wurden - von Kindersoldaten, die unter seinem Kommando ein Dorf überfielen und Häuser niederbrannten. Der Junge hatte Ochen auf dem Markt gesehen und als Anführer wiedererkannt. "Das war schrecklich", erinnert sich der Lehrer. "Ich flehte auf Knien um Vergebung, die Mutter weinte. Doch sie vergab mir und wir wurden Freunde. Sie schenkte mir sogar zwei Hühner."

Hoffen auf ein normales Leben

Margaret Aciro wurde Opfer der LRABild: S. Schlindwein

Viele Menschen in Norduganda sind der Meinung, dass lokale Gerichtsverfahren mehr zur Heilung und Vergebung beitragen, als hochkarätige Strafprozesse vor dem 6000 Kilometer entfernten Weltgericht. So auch Margaret Aciro, Mutter von drei Kindern und einst Opfer der LRA. Sie wagt sich nur selten aus ihrer Hütte. Wer einen Blick auf ihr Gesicht erhaschen kann, versteht warum: Die Rebellen haben ihr Lippen und Nase abgeschnitten.  

Sie interessiere sich nicht für den Prozess, erklärt sie. "Es mag vielleicht gut sein, aber ich habe das Gefühl, ich kann erst Gerechtigkeit erfahren, wenn ich auf irgendeine Art eine Entschädigung erhalte um wieder normal leben zu können."

In Den Haag vertreten Anwälte die Opfer - zumindest diejenigen aus den Tatorten, die in der Anklageschrift genannt werden. Sollte Ongwen verurteilt werden, haben sie Anspruch auf eine Entschädigung. Da die Zahlungen voraussichtlich an lokale Nichtregierungsorganisation gehen würden, könnten noch mehr davon profitieren. Doch bis dahin ist es ein langer Prozess.  

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