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Politik

Prozess gegen Gezi-Aktivisten begonnen

24. Juni 2019

Unter großer internationaler Aufmerksamkeit hat in der Türkei der Prozess gegen den inhaftierten Intellektuellen Osman Kavala und weitere Angeklagte begonnen. International sorgt das Verfahren für Kritik.

Ein Bild von Kavala auf einer Pressekonferenz seiner Anwälte (Archivbild)
Ein Bild von Kavala auf einer Pressekonferenz seiner Anwälte (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/O. Kose

Der Bürgerrechtler und Kulturmäzen Osman Kavala muss sich zusammen mit 15 weiteren Aktivisten wegen des "Versuchs zum Sturz der Regierung" von Recep Tayyip Erdogan vor Gericht verantworten. Kavala und der ebenfalls inhaftierte Yigit Aksakoglu wurden in das Gerichtsgebäude am Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul gebracht. Es herrschte großer Andrang. Unter anderem waren der deutsche Generalkonsul in Istanbul, Michael Reiffenstuel, und die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) anwesend.

Der angebliche Umsturzversuch wird den Angeklagten in Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen. Kavala wird zudem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Als Beweise führt die Anklageschrift vor allem Treffen mit Vertretern ausländischer Organisationen an, darunter auch ein deutscher Diplomat. Die 657 Seiten lange Anklageschrift stützt sich unter anderem auf abgehörte Telefonate und Twitter-Nachrichten. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft unter erschwerten Bedingungen für alle Angeklagten.

Das Gerichtsgebäude am Gefängnis SilivriBild: picture-alliance/AP Photo/M. Guzel

Die Gezi-Proteste hatten sich im Sommer 2013 an der Bebauung des Gezi-Parks im Istanbuler Zentrum entzündet. Sie weiteten sich aus zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Regierung ließ die Proteste brutal niederschlagen. Nach Angaben von Amnesty International starben mindestens vier Menschen an den Folgen von Polizeigewalt.

Kavala, der mit seiner Stiftung Anadolu Kültür unter anderem mit dem Goethe-Institut zusammenarbeitet, sitzt seit November 2017 in Untersuchungshaft. Aksakoglu ist seit November 2018 inhaftiert. Unter den Angeklagten sind außerdem bekannte Gezi-Aktivisten wie die Architektin Mücella Yapici, der Anwalt Can Atalay und der Journalist Can Dündar, der im deutschen Exil lebt.

Polizeieinsatz im Juni 2013 am Eingang des Gezi-ParksBild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Roth nannte den Prozess vor Beginn der Verhandlung eine "Farce". Es handele sich um ein "brandgefährliches" Verfahren. Wenn eine prominente Persönlichkeit wie Kavala vor Gericht gezerrt werden könne, sei das ein Signal, dass es jeden treffen könne.

Die Vorsitzende der Istanbuler Architektenkammer, Esin Köymen, sagte, statt die Aktivisten vor Gericht zu stellen, müssten diejenigen verurteilt werden, die für die Polizeigewalt bei den Gezi-Protesten verantwortlich gewesen seien.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, Bärbel Kofler, bezeichnete den Prozessauftakt als "schwarzen Tag für die türkische Zivilgesellschaft". In einer gemeinsamen Erklärung mit dem französischen Botschafter für Menschenrechte, François Croquette, würdigte sie Kavala "als herausragendes Beispiel für kulturelles und bürgerschaftliches Engagement". Eine starke Türkei brauche "mehr, nicht weniger Stimmen seines Kalibers", mahnten Kofler und Croquette.

stu/ar (dpa, afp)

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