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Prozess gegen Putins mutmaßlichen BND-Spion

12. Dezember 2023

Carsten L. arbeitete für den Bundesnachrichtendienst und soll heimlich brisante Informationen an Moskau verraten haben. Nun steht er vor Gericht.

Ein hoher Gitterzaun mit der Aufschrift "Bundesnachrichtendienst" soll verhindern, dass Unbefugte die dahinter befindlichen Gebäude der Geheimdienst-Zentrale in Berlin betreten.
Ausspionierte Geheimdienstzentrale? Irgendwo hinter diesen Gittern hat der mutmaßliche BND-Spion gearbeitet - auch für den russischen Geheimdienst?Bild: Jörg Carstensen/picture alliance

Auf diese Bescherung hätte der für die Auslandaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst (BND) wenige Tage vor Heiligabend 2022 gerne verzichtet: "Festnahme wegen mutmaßlichen Landesverrats" lautete die Überschrift der Pressemitteilung, die der Generalbundesanwalt in Karlsruhe am 22. Dezember verschickte.

Tags zuvor war der beim BND beschäftigte Carsten L. festgenommen worden. Der Vorwurf: "Im Jahr 2022 übermittelte er Informationen, die er im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit erlangt hatte, an einen russischen Nachrichtendienst." Die Meldung löste auch deshalb große Sorgen aus, weil Russlands Präsident Wladimir Putin am 24. Februar desselben Jahres den Befehl zum völkerrechtswidrigen Angriff auf die benachbarte Ukraine gegeben hatte.   

Russlands Krieg in der Ukraine: Bekommt Putin, was er will?

42:36

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Der BND-Mann hatte mutmaßlich Komplizen

Knapp ein Jahr nach seiner Festnahme muss sich der Angeklagte ab dem 13. Dezember 2023 vor dem Berliner Kammergericht verantworten. Das gilt auch für seinen mutmaßlichen Komplizen, den Geschäftsmann Arthur E., der im Januar 2023 festgenommen wurde. Die beiden sollen zusammen mit einem gesondert verfolgten Unternehmer in Russland sensible Daten an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB geliefert haben.

Laut Generalbundesanwalt wurden die Ermittlungen in enger Kooperation mit dem BND und mit Unterstützung des US-amerikanischen Federal Bureau of Investigation (FBI) geführt. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, "besonders schweren" Landesverrat begangen zu haben. In der Anklage ist von neun Dokumenten des Bundesnachrichtendienstes die Rede. Dabei soll es sich um ein Projekt zur technischen Informationsgewinnung handeln.

Generalbundesanwalt Peter Frank hat den mutmaßlichen BND-Spion Carsten L. wegen Spionage für Russland angeklagtBild: Uli Deck/dpa/picture alliance

Geheime Informationen aus BND-Computern 

Carsten L. soll das streng geheime Material im September und Oktober 2022 an seinen Computern in der Berliner BND-Zentrale und am Standort Pullach ausgedruckt oder am Bildschirm abfotografiert haben. Arthur E. habe es anschließend nach Moskau gebracht und an den russischen Geheimdienst weitergereicht. Diese Treffen sollen von dem russischen Unternehmer arrangiert worden sein. Dieser Unternehmer soll auch die Flüge von Arthur E. nach Moskau gebucht und bezahlt haben.

Die Anklageschrift nennt weitere Details: "Während eines Treffens in Moskau im September 2022 händigte ein FSB-Mitarbeiter Arthur E. eine Liste mit Fragen aus, die für den Geheimdienst von besonderem Interesse waren. Zur Beantwortung steuerte Carsten L. abermals Informationen aus dem Bestand des Bundesnachrichtendienstes bei. Arthur E. leitete die Antworten im Rahmen eines Treffens im Oktober 2022 an den FSB weiter."

Das Hauptquartier des russischen Geheimdienstes FSB in Moskau: Hier sollen die geheimen Dokumente des BND gelandet seinBild: Mladen Antonov/AFP

Gefahr für die äußere Sicherheit Deutschlands?

Die so offenbarten BND-Informationen seien Staatsgeheimnisse gewesen. Ihr Verrat habe zur "Gefahr eines besonders schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" geführt. Dem russischen Geheimdienst scheinen die Informationen eine Menge Geld wert gewesen zu sein. Carsten L. soll vom russischen Geheimdienst 450.000 Euro erhalten haben, Arthur E. mindestens 400.000 Euro - in bar. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft holte Arthur E. diese Bargeldbeträge im November 2022 in Moskau ab. Beim Einschmuggeln dieser Summen soll sich der Einfluss seines BND-Komplizen als hilfreich erwiesen haben: "Bei dieser Gelegenheit sorgte Carsten L. dafür, dass Arthur E. bei seiner Wiedereinreise nach Deutschland am Flughafen aus einem vorgeblich dienstlichen Anlass an der Zollkontrolle 'vorbeigeschleust' wurde", heißt es in der Anklageschrift.

Der tatsächlich eingetretene Schaden scheint aber nach Einschätzung des BND-Präsidenten Bruno Kahl geringer zu sein, als ursprünglich befürchtet. Die Menge der Richtung Moskau abgeflossenen Informationen und ihre Verwertbarkeit seien "sehr überschaubar", sagte er dem "Tagesspiegel" in Berlin. Es sei auch kein Material gewesen, das man von anderen Diensten bekommen habe. Der BND habe "Glück im Unglück" gehabt, betonte Kahl.

Bruno Kahl ist seit 2016 BND-Präsident und regelmäßig Gast in Ausschüssen des Deutschen BundestagsBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

BND-Personal muss mit Taschenkontrollen rechnen

Folgen hat der Spionage-Fall wenige Monate nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine dennoch – zunächst für das Personal des deutschen Auslandsgeheimdienstes: Unter dem Eindruck des Lecks in den eigenen Reihen muss sich die Belegschaft auf verdachtsunabhängige Kontrollen einstellen. "Wir bitten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, uns den Inhalt ihrer Taschen zu zeigen", hofft der BND-Präsident auf Verständnis im eigenen Haus.   

Wie er die Gefahrenlage insgesamt einschätzt, war im Oktober 2023 im Deutschen Bundestag zu hören: "Unser sicherheitspolitisches Umfeld befindet sich im Umbruch", sagte Kahl in einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste (PKGr). Die internationale Ordnung werde zunehmend aggressiv infrage gestellt.

Der Krieg sei als Mittel der Durchsetzung von Interessen nach Europa zurückgekehrt. Der BND müsse den neuen Entwicklungen strategisch Rechnung tragen: in seiner Aufgabenerfüllung, seinem Selbstverständnis, seiner Zukunftsplanung und seiner Organisation, beschrieb Kahl den Kurswechsel seiner Sicherheitsbehörde.

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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