Meuterei bei der Marine
24. September 2013Der Vorwurf lautet "Meuterei" - eine gewaltsame Zusammenrottung auf einem Schiff. Auf der Anklagebank in Rostock: Sechs deutsche Soldaten im Alter zwischen 22 und 27 Jahren. Ihr Schiff, das Schnellboot "Hermelin", lag Anfang des Jahres im Rahmen der UN-Libanon-Mission UNIFIL im Hafen von Beirut vor Anker. Dort - so die Anklage - sollen die sechs jungen Soldaten einen Bootsmann an einen Tisch gefesselt haben. Anschließend hätten sie dem Vorgesetzten mit einem Filzstift den Satz "Hier wohnen die Mongos" aufs Bein geschrieben. Zuvor hatte der Bootsmann die Soldaten angeblich seinerseits als "Mongos" bezeichnet, was in der Jugendsprache so viel wie "Idiot" bedeutet.
Da sie zum Teil bereits geständig waren, erwarten Prozessbeobachter ein schnelles Urteil. Bei einem Vorgehen gegen Vorgesetzte in der Bundeswehr sind Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren möglich. Eine Meuterei kann sogar noch härter bestraft werden. In besonders schweren Fällen sei eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren möglich, sagt Bernd Podlech-Trappmann, Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Wehrrecht. Im Fall der sechs geständigen Besatzungsmitglieder der "Hermelin" in Rostock könnte die Strafe aber auch zur Bewährung ausgesetzt werden, so die Einschätzung des Rechtsanwalts.
Im Auslandseinsatz gilt deutsches Strafrecht
Nicht nur vor der Küste Libanons sind deutsche Soldaten im Auslandseinsatz - zum Beispiel auch in Afghanistan, im Kosovo oder am Horn von Afrika. Und auch dort kommt es vor, dass Bundeswehrsoldaten straffällig werden. Beleidigungen, Körperverletzung, Vergehen im Zusammenhang mit Alkohol - die Bandbreite möglicher Straftaten ist genauso groß wie bei der Truppe in Deutschland. Klar ist: Mögliche Vergehen von Bundeswehrangehörigen im Auslandseinsatz werden nicht von Gerichten des jeweiligen Einsatzortes geahndet. Für die mutmaßlichen Täter gilt deutsches Strafrecht. Und anders als in anderen Staaten gibt es in Deutschland keine Militärgerichtsbarkeit, sondern die Soldaten kommen vor Zivilgerichte.
Bis Anfang des Jahres konnten für solche Fälle alle Staatsanwaltschaften in Deutschland zuständig sein - entscheidend war der Heimatort des verdächtigen Soldaten. Seit April liegt die Verantwortung zentral bei der Staatsanwaltschaft in Kempten. Aus Sicht von Fabian Stam schafft dies mehr Rechtssicherheit für die Angeklagten, "weil die Staatsanwälte sich mit der Materie auskennen und es so zu einer Beschleunigung der Verfahren kommen kann." Der Experte für Wehrstrafrecht von der Universität Köln nennt ein Beispiel: "Wenn ich schon weiß, wie ein Checkpoint in Afghanistan ungefähr aussieht, welche Belastungen damit für die Soldaten verbunden sind, dann kann ich die Sachverhalte zügiger beurteilen."
Auch Rechtsanwalt Podlech-Trappmann findet die Zusammenführung sinnvoll: "Das ist vernünftig. Weil wir ja das Problem haben, wenn verschiedene Soldaten an verschiedenen Orten zugelassen sind, dann wären verschiedene Gerichte zuständig." An der Zusammenführung gab es aber auch Kritik, wie zum Beispiel vom verteidigungspolitischen Sprecher der Linkspartei, Paul Schäfer. Im Norddeutschen Rundfunk warf Schäfer der Bundeswehr vor, mit der Staatsanwaltschaft Kempten eine "Sonderjustiz" zu schaffen. Der Begriff erinnert manche an ein dunkles Kapitel deutscher Rechtsgeschichte. "Eine Sonderjustiz, damit verbindet man die NS-Wehrmachtsjustiz", so Fabian Stam. "Das ist aber völlig verfehlt. Auch in Kempten sitzen ganz normale, zivile Staatsanwälte, die eben nur für solche Straftaten zuständig sind."
Seearbeitsgesetz bei Vergehen auf Schiffen
Warum der Fall der sechs mutmaßlichen Meuterer in Rostock und nicht in Kempten verhandelt wird, erklärt sich daraus, dass es um einen Fall auf einem Schiff geht. Hier greift das Seearbeitsgesetz, das für all diejenigen gilt, die auf einem deutschen Schiff angeheuert haben. Da das Schiff seinen Heimathafen in Rostock hatte, ist dies nun auch der Gerichtsstand.
Allerdings könnte die Angelegenheit für die sechs Soldaten mit dem Prozess in Rostock noch nicht beendet sein. "Ich gehe davon aus, dass hier in zivilrechtlicher Hinsicht das Verfahren nur ein Vorläufer ist und dann in disziplinarrechtlicher Hinsicht noch die Truppendienstgerichte eingeschaltet werden", schätzt Anwalt Podlech-Trappmann. "Davon gibt es derzeit in Deutschland zwei Stück, nämlich in Nord und Süd, eins in Münster und eins in München." Dort droht den Soldaten dann zu der möglichen Freiheitsstrafe auch noch die unehrenhafte Entlassung aus der Truppe oder zumindest die Degradierung. Die Mission im östlichen Mittelmeer dürfte dann wohl ihr letzter Auslandseinsatz gewesen sein.