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KriminalitätDeutschland

Prozess wegen Messerattacke in Zug bei Brokstedt beginnt

7. Juli 2023

Bei dem Verbrechen im Januar wurde ein junges Paar getötet. Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen. Nun steht ein Palästinenser wegen mutmaßlichen Mordes vor Gericht.

Brokstedt - Prozess
Justizbeamte bringen den Anklagten an seinen Platz im GerichtssaalBild: Christian Charisius/dpa/dpa-POOL/picture alliance

Der 34 Jahre alte Ibrahim A. muss sich von diesem Freitag an für die tödliche Messerattacke in einem Regionalzug im schleswig-holsteinischen Brokstedt vor dem Landgericht Itzehoe verantworten. Zum Auftakt des Prozesses erklärte der Palästinenser, er sei unschuldig. Er räumte zwar ein, im Zug gewesen zu sein; den Messerangriff habe er jedoch nicht verübt. Dagegen hatte sein Verteidiger Björn Seelbach zu einem früheren Zeitpunkt vor Beginn des Verfahrens gesagt, sein Mandant bestreite die Tat nicht.

Vor der Einlassung des Beschuldigten hatte Staatsanwältin Janina Seyfert die Anklageschrift verlesen und detailliert den Ablauf der Bluttat Ende Januar geschildert. Demnach stach der Angreifer aus Frust über einen erfolglosen Behördentermin in Kiel zunächst auf eine 17 Jahre alte Jugendliche ein. Sie starb nach 26 Messerstichen, wobei unter anderem die Oberschenkelarterie durchtrennt worden war.

Tödlicher Stich ins Herz

Anschließend habe er zwölf Mal auf den 19 Jahre alten Freund der Jugendlichen eingestochen. Dieser erlitt einen tödlichen Stich ins Herz. Im weiteren Verlauf der Tat soll Ibrahim A. dann in verschiedenen Waggons des Zuges vier weitere Fahrgäste angegriffen und schwer verletzt haben; eine dabei verwundete Frau nahm sich später das Leben.

Staatsanwältign Janina Seyfert sieht die Mordmerkmale "niedrige Beweggründe" und "Heimtücke" erfülltBild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Mit einer Aktentasche und einer Laptoptasche gelang es einem Fahrgast, den Bewaffneten so zu schlagen, dass er das Messer verlor und aufgab. Nach einem Halt des Zuges im Bahnhof Brokstedt wurde er überwältigt. Seyfert warf dem Angeklagten zweifachen Mord und vierfachen versuchten Mord aus niedrigen Beweggründen und in Heimtücke vor.

40 Verhandlungstage, 127 Zeugen

Für den Prozess sind rund 40 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten geplant. Acht Nebenkläger treten in dem Verfahren auf, es wurden 127 Zeugen benannt. Ob alle Zeugen vom Gericht gehört werden, werde die Beweisaufnahme zeigen, sagte die Sprecherin des Landgerichts, Frederike Milhoffer. Die Beweisaufnahme soll in der übernächsten Woche beginnen. Nach Milhoffers Angaben wird die Schuldfähigkeit des Angeklagten mit Hilfe eines Sachverständigen geprüft.

Mitarbeiter der Spurensicherung am Tatort (Archivbild)Bild: Jonas Walzberg/picture alliance/dpa

Derzeit sitzt der Angeklagte in Untersuchungshaft. Dort fiel er mehrfach wegen aggressiven Verhaltens auf und gilt als schwieriger Gefangener. "Die Tathandlungen des Angeschuldigten, der das Messer zuvor in einem Supermarkt entwendet haben soll, resultierten aus Sicht der Anklage aus Verärgerung über seine aus vielen Gründen ungeklärte persönliche Situation", hatte Oberstaatsanwalt Peter Müller-Rakow nach Verkündung der Anklage erklärt. "Wir gehen von Schuldfähigkeit aus", sagte der Jurist vor Prozessbeginn.

Der Mann war erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke aus einer Untersuchungshaft entlassen worden, die er in Hamburg wegen einer anderen Straftat abgesessen hatte. Während dieser Zeit hatte er sich wegen psychischer Auffälligkeiten 16 Mal mit einem Psychiater getroffen.

Der mutmaßliche Mörder sitzt derzeit in der Justizvollzugsanstalt Neumünster ein (Archivbild)Bild: Frank Molter/dpa/picture alliance

Der Fall Ibrahim A. beschäftigte auch mehrere Landesparlamente, weil es Mängel beim Austausch von wichtigen Informationen zwischen Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen gegeben hatte, wo Ibrahim A. jeweils lebte und auch Straftaten beging. Wenige Monate vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Gefängnis soll sich der mutmaßliche Mörder mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen haben.

jj/sti (dpa, afp)