Prozessauftakt gegen mauretanischen Menschenrechtler
18. Dezember 2014Biram Dah Abeid wollte sich an die Spitze des Protests setzen. Mit einer Informationskarawane wollte er diesmal durch den Süden seiner Heimat Mauretanien ziehen, um die dortige Bevölkerung über Sklaverei und Landraub aufzuklären. Der Kampf gegen die Sklaverei ist Abeids Leben. Dafür riskiert er viel, nimmt seit Jahren Unbequemlichkeiten und sogar Gefängnis in Kauf. So kam es auch dieses Mal wieder: Am 11. November 2014, noch bevor Abeid zur Karawane dazu stoßen konnte, ließ die Regierung ihn gemeinsam mit neun Mitstreitern verhaften. Ihnen werden u.a. Aufruf zur Gewalt und Störung der öffentlichen Ordnung vorgeworfen.
Der Prozessauftakt war zunächst für den 18.12.2014 festgesetzt worden. Doch der kurzfristig einberaumte Termin wurde inzwischen mehrfach verschoben, zuletzt auf den 15. Januar 2015. Der kurzfristige Prozessbeginn erschwere die Vorbereitung der Verteidigung, klagte ein Anwalt Abeids. Die Anti-Sklaverei-Bewegung IRA (Initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste), deren Gründer und Präsident Abeid ist, hätte es zudem gern gesehen, wenn der Prozess von nationalen und internationalen Beobachtern begleitet würde.
Damit, dass er festgenommen werden würde, hatte Abeid bereits gerechnet: Die mauretanischen Behörden hätten schon seit einer Weile nach einer Ausrede gesucht, um ihn zu verhaften, berichtete der IRA-Gründer am Telefon aus seiner Gefängniszelle in der Stadt Rosso im Süden Mauretaniens. Dort konnte die Deutsche Welle nach seiner Festnahme erreichen. Er gebe nicht auf, sagte Abeid: "Ich fühle, dass ich diesen moralischen und ideologischen Widerstand gegen die Sklaverei und den Rassismus, die Ausbeutung von Menschen durch andere Menschen durchhalten muss bis zum Ende."
Offiziell ist die Sklaverei in Mauretanien längst abgeschafft. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, doch der 2013 erstmals veröffentlichte Welt-Sklaverei-Index der australischen Stiftung "Walk Free" sieht Mauretanien zahlenmäßig auf dem ersten Platz der Länder, in denen es noch Sklaverei gibt. Zwischen 140.000 und 160.000 Mauretanier, wird geschätzt, leben in dem westafrikanischen Land als Sklaven - etwa vier Prozent der Gesamtbevölkerung von ca. 3,8 Millionen Menschen.
Morddrohung vom Imam
Abeid, der unter anderem mit dem Menschenrechtspreis der Vereinten Nationen 2013 und mit dem der Stadt Weimar 2011 ausgezeichnet wurde, ist selbst Nachkomme von Sklaven, ein sogenannter "Haratin". Sein Vater wuchs als Sklave auf, wurde später befreit. Abeid wurde in Freiheit geboren, dennoch sagt er: "Mein Leben und das der Menschen, die sind wie ich, ist geprägt durch Sklaverei."
Zuletzt hatte Biram Dah Abeid 2012 einige Monate in Haft verbracht, nachdem er und seine Organisation IRA frühe islamische Schriften verbrannt hatten, die Sklaverei billigten. Das brachte ihm eine Verhaftung und Todesdrohungen ein. Die Regierung warf Abeid Anstiftung zum Aufruhr vor. Erst Mitte Oktober 2014 soll der Imam der großen Moschee in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott wieder zum Mord an Abeid aufgerufen haben, den er der Gotteslästerung bezichtigte.
In seinem Viertel am Rande von Nouakchott, wo vor allem schwarze Mauretanier wohnen - oft ebenfalls Nachkommen von Sklaven - ist Biram Dah Abeid jedoch ein Held. Sein Spitzname: der "Sklavenhalterjäger". Die Türen seines Hauses stehen immer offen für Menschen, die seinen Schutz oder seine Unterstützung brauchen. Ein Mann ist gekommen, weil er hofft, dass der "Sklavenhalterjäger" seiner Mutter hilft: "Meine Mutter ist eine Haratin, eine Sklavin", sagt er. "Biram kann uns helfen. Wir zählen auf ihn, um die Sklaven zu befreien. Wenn Gott es will, werden wir Mauretanien mit ihm verändern."
Den Präsidenten herausgefordert
Eine junge Frau namens Meriem berichtet, dass sie dank Abeid heute eine freie Frau sei. "Viele Jahre lang war ich Sklavin", erzählt sie. "Meine Eltern hatten mich verlassen. Erst heute bin ich eine Person. Biram ist wie mein Vater. Er hat aus mir das gemacht, was ich heute bin." Freiwillig hatte der Sklavenhalter Meriem, nach einem zunächst gescheiterten Fluchtversuch, nicht gehen lassen. Aber nach einem einwöchigen Sit-in durch Sklavereigegner vor seinem Haus gab er schließlich auf und ließ sie gehen.
Den Behörden ist Abeid nicht nur wegen dieser Art von Aktionen ein Dorn im Auge. Beamte in Zivil überwachen rund um die Uhr, was er tut und mit wem er redet. Auch Journalisten werden unter die Lupe genommen und, wenn nötig, eingeschüchtert. Denn außer durch seinen Kampf gegen die Sklaverei ist Abeid für die autoritäre Regierung auch auf andere Weise unbequem: Er hat eine eigene Partei gegründet und den derzeitigen Präsidenten herausgefordert. Seine letzte "Provokation": Bei den Präsidentschaftswahlen im Juni 2014 präsentierte er sich als Alternative zum zu Machthaber Mohamed Ould Abdel Aziz. "Mit Erfolg", erzählt der Journalist und Philosoph Kissima Diagana, "denn er ist auf den zweiten Platz gekommen."
Bequem will Abeid nicht sein bei seinem politischen Kampf. "Es gab immer wieder Menschenrechtler, die sich gegen die Sklaverei einsetzten", erläutert Diagana. "Aber Biram Abeid hat einen anderen Stil: einen, der von vielen als aggressiv und gewalttätig empfunden wird." Er scheue kein Risiko, sei auch zu Konfrontationen mit den Sicherheitskräften bereit.
UN-Beauftragter rät zur Vorsicht
Genau das aber bringt ihm auch Kritik ein von Seiten, die seine Ziele unterstützen. "Biram gehört zu den Menschen im Land, die positiv dazu beigetragen haben, dass Sklaverei ein Thema ist und dass sich auch die Regierung dem konkret annimmt", sagt etwa der UN-Menschenrechtsbeauftragte in Mauretanien, der Deutsche Ekkehard Strauss. Bei "der Wahl der Mittel" rät der Diplomat allerdings dazu, vorsichtiger zu sein.
Für die Gesellschaft für bedrohte Völker aus Göttingen, die die sofortige Freilassung Abeids und seiner Mitstreiter fordert, sieht in der Verhaftung des Menschenrechtlers einen schwerem Rückschlag im Kampf gegen die Sklaverei in Mauretanien. "Wir befürchten, dass Biram Dah Abeid nur unter einem Vorwand festgenommen wurde", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. Denn als Präsident der Anti-Sklaverei-Organisation IRA sei er ein unbequemer Mahner, der "mundtot" gemacht werden solle.
Aktualisierte Version eines Artikels vom 14. November 2014