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Politik

Prozessbeginn im Fall Adil Demirci

Hülya Topcu
20. November 2018

Vor sieben Monaten wollte der Kölner Deutschtürke Adil Demirci Urlaub in Istanbul machen. Vor der Rückreise wurde er festgenommen. Der Vorwurf: Terrorpropaganda. Nun beginnt sein Prozess. Ihm drohen bis zu 22 Jahre Haft.

Der Prozess gegen Kölner Adil Demirci fängt am 20. November in der Türkei an
Bild: Twitter@mesale_tolu

"Die letzten sieben Monate waren für uns als Familie sehr schwer. Wir können es kaum erwarten, dass mein Bruder endlich vom Richter angehört wird." So Tamer Demirci über seinen Bruder Adil, einem 33 Jahre alten Deutschtürken aus Köln, der als Sozialarbeiter und Reporter der Nachrichtenagentur Etkin Haber Ajansı (ETHA) tätig war. Die Agentur bezeichnet sich selbst als "sozialistisch, aber unabhängig".

An diesem Dienstag (20.11.2018) beginnt der Prozess im Fall Demirci in Istanbul. Dass Demirci erst sieben Monate nach seiner Festnahme vor den Richter kommt, stößt bei seiner Familie und seinen Freunden auf heftige Kritik. Tamer Demirci berichtet, sein Bruder sei im vergangenen April mit seiner kranken Mutter nach Istanbul geflogen. Bei der Einreise habe es keine Probleme gegeben.

Erst als Adil seine Rückreise plante, sei er festgenommen worden. Seitdem ist Adil Demirci in Silivri in einer Drei-Mann-Zelle untergebracht. Zusammen mit ihm sollen 23 weitere Verdächtige angehört werden, zwölf von ihnen sind ebenfalls in Haft.

Vorwurf Terrorpropaganda

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und Verbreitung von Terrorpropaganda vor. Demirci soll für 15 bis 22 Jahre in Haft, so die Forderung des zuständigen Staatsanwalts.

Keleş Öztürk ist der Anwalt von Demirci. Der geistige Zustand seines Mandanten sei stabil, erklärt Öztürk. Doch er fügt hinzu: "So gut wie er eben bei jemandem sein kann, der monatelang im Gefängnis ist und nur zwei Menschen zu Gesicht bekommt." Gegen seinen Mandanten habe kein Haftbefehl vorgelegen, erklärt Öztürk. "Andernfalls wäre Adil Demirci gleich am Flughafen festgenommen worden, als er im April mit seiner Mutter in Istanbul eintraf. So war es aber nicht. Kurz vor seiner Rückreise führte die Polizei eine Razzia in der Wohnung durch, in der er sich aufhielt, und nahm ihn fest."

Anwalt Öztürk: Es fehlen Beweise

Demircis Anwalt erklärt weiter, es gebe keine hinreichenden Beweise für die Anschuldigung der Staatsanwaltschaft, dass Demirci Mitglied einer terroristischen Organisation sei.

Eine Demonstration für die Freilassung von Adil Demirci in Köln Bild: picture-alliance/Geisler-Fotopress

"In der Anklageschrift heißt es, Adil Demirci habe an Beerdigungen von mutmaßlichen Mitgliedern der MLKP (Marxistisch Leninistische Kommunistische Partei) teilgenommen. Aber bei diesen Beerdigungen waren insgesamt über 2000 Menschen. Heißt das nun, dass alle Anwesenden Verbrecher sind?"

Hoffnung auf Freilassung von Demirci

Nach Adil Demircis Inhaftierung gründeten seine Familie und Freunde in Köln die Initiative "Freiheit für Adil Demirci". Einmal in der Woche organisieren sie eine Mahnwache und Veranstaltungen, auf denen sie seine Freilassung fordern. Einer, der regelmäßig an diesen Veranstaltungen teilnimmt, ist Demircis Freund Said Boluri. "Es ist uns gelungen, die Öffentlichkeit zu mobilisieren, auch wenn sie nicht so groß ist wie bei Mesale Tolu oder Deniz Yücel. Die Beweise sprechen für sich: Adil ist unschuldig", so Boluri.

Er und alle anderen hofften eigentlich, dass Demirci schon nach der ersten Anhörung freigesprochen wird, sagt er. "Die deutsche Sängerin Hozan Cane erhielt bei ihrem Prozess eine lange Haftstrafe. Das hat unseren Hoffnungen auf eine Freilassung von Adil einen Dämpfer versetzt."

Die Initiative "Freiheit für Adil Demirci" hat eine Beobachtergruppe für den Prozess zusammengestellt, darunter Kollegen von Demirci, Politiker und Menschenrechtsaktivisten. Auch Adil Demircis Bruder Tamer hofft, dass sein Bruder bei der ersten Anhörung freigesprochen wird. "Es gibt keine Beweise, die eine Inhaftierung rechtfertigen würden. Aber uns beunruhigt die derzeitige Situation der Justiz in der Türkei."

In der Türkei inhaftierte Deutsche

Derzeit sind neben Adil Demirci vier weitere deutsche Staatsbürger in der Türkei in Haft. Am 14. November wurde die unter dem Künstlernamen Hozan Cane bekannte Sängerin Saide Inac zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Ende Oktober wurde der Gießener Patrick K. wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation in Elazig ebenfalls zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Er sei in die Türkei gegangen, um sich der Kurdenmiliz YPG anzuschließen, hieß es.

Enver Altayli, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, wurde vor über einem Jahr in Ankara festgenommen. Er wurde im Rahmen von Ermittlungen gegen die Gülen-Bewegung inhaftiert. Eine Anklageschrift liegt bislang nicht vor. Und der kurdisch-stämmige 55-jährige Hamburger Dennis E. wurde in Iskenderun festgenommen. Er wird beschuldigt, PKK-Propaganda über soziale Medien verbreitet zu haben.

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