Psychologe: "Beim Autokauf zählt allein das Image"
Brigitte Osterath
19. Januar 2018
Rundumblick, gutes Sitzen, mehr Sicherheit - alles Quatsch, sagt Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep: Für Fahrer von Geländewagen ist etwas ganz anderes wichtig. Aber auch Elektroautofahrer kommen bei ihm schlecht weg.
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Deutsche Welle: Herr Hossiep, warum haben SUVs und Geländewagen einen solchen Erfolg auf dem deutschen Markt? In Städten sind solche dicken Autos doch total überflüssig.
Rüdiger Hossiep: Ja, aber der Mensch ist kein rationales Wesen, sondern ein rationalisierendes. Das heißt: Er hat für sein Handeln immer sehr gute Gründe. So ist das beim Autokauf auch. Die Leute sagen beispielsweise: "Im SUV kann ich höher sitzen." Wenn Sie aber nur höher sitzen wollen, dann können Sie sich auch einen Panda mit Allradantrieb kaufen, der kostet 15.000 Euro, und da sitzen Sie auch höher.
Es geht also um etwas ganz anderes als das hohe Sitzen?
Ja, es geht um das Image. Ein Auto ist der teuerste Konsumgegenstand, den Sie sich zulegen können. Man will sich nach außen präsentieren und ein Signal setzen.
Wenn also jemand sagt, dass er einen SUV aus gesundheitlichen Gründen kauft, etwa weil er Hüftprobleme hat - ist das nur vorgeschoben?
Wir können davon ausgehen, dass die Leute, die so etwas sagen, das aus tiefstem Herzen glauben. Aber so ein Geländewagen vermittelt vor allem ein Gefühl der Überlegenheit: Es geht darum, mit mehr Masse aufzutreten. Und man behandelt Sie im Verkehr auch ganz anders.
Sprich, mit einem SUV erkauft man sich Respekt auf der Straße?
Genau. Das können Sie auch experimentell prüfen. Stellen Sie sich an eine Straßenkreuzung vor eine rote Ampel, und zwar mit zwei unterschiedlichen Wagen. Zuerst zum Beispiel mit einem Jeep Grand Cherokee - am besten noch in schwarz, die SRT-Ausführung, also so ein Ding mit 500 PS - und dann mit einem Fiat Cinquecento. Die Ampel springt auf Grün, und Sie messen die Zeit, bis der Erste anfängt zu hupen. Ich glaube, man muss kein Prophet sein, um zu wissen, was bei dieser Studie herauskommt.
Wer kauft denn bevorzugt solche große Wagen?
Es gibt zum Beispiel viele Frauen, die kleine SUVs fahren. Warum - darüber können wir nur spekulieren. Aber ich denke, die fühlen sich dann sicherer.
Ist ein Geländewagen tatsächlich sicherer als ein Kleinwagen?
Ja und nein. Die Frage ist, wie das Unfallgeschehen ist. Wenn es ein Zusammenprall mit einem anderen Fahrzeug ist, dann hat der schwerere Gegenstand gegenüber dem Unfallgegner tatsächlich einen Vorteil. Andererseits haben schwere Autos auch einen längeren Bremsweg. Und es kommt auch auf das jeweilige Modell an, wie es gebaut ist und wie effektiv die Sicherheitssysteme sind.
Fahren SUV-Fahrer eigentlich aggressiver oder haben die das nicht mehr nötig?
Das kommt immer drauf an. Nach unseren Profilen sind die Leute, die echte Geländewagen fahren, deutlich gelassener.
Es heißt ja, dass Amerikaner gerne besonders große Autos fahren. Hat man in den USA ein anderes Verhältnis zu SUVs?
Amerikaner fahren häufig gar keine SUVs, sondern Trucks, also Pick-Ups, die 2,5 Tonnen wiegen. Da kann ich dann hinten noch ein Rind aufladen oder eine Tonne Feuerholz. An den Küsten in den großen amerikanischen Städten ist das natürlich wieder ganz anders.
Sprich, Amerikaner kaufen im Gegensatz zu den Deutschen Geländewagen, weil sie sie tatsächlich brauchen?
Größtenteils ja, auch aufgrund vieler unbefestigter Straßen. Außerdem machen Amerikaner aber auch ganz andere Sachen mit ihrem Wagen: Sie fahren zum Beispiel damit zum Angeln in einen Fluss. Das ist in Deutschland natürlich nicht erlaubt. Auch ist es für Amerikaner viel wichtiger, dass ein Auto funktionell ist, das heißt, dass es nicht kaputt geht, einen geringen Wartungsaufwand hat und einfach zu reparieren ist. Unsere Hightech-Autos kann man ja nur schwer reparieren.
Viele Menschen sagen nun, sie wollen keinen Geländewagen und kaufen stattdessen einen Tesla oder einen Hybridwagen. Was treibt die Menschen an, das Geld in so einen teuren Wagen zu investieren?
Die eigene Psychohygiene. Es geht überhaupt nicht darum, was wirklich ist, sondern ein gutes Gewissen zu haben.
Also es geht nicht um Umweltschutz?
Nein. Wenn es ein reines Elektroauto ist wie ein Tesla etwa, dann ist das sogar die Pessimal-Lösung für die Umwelt: Wir haben eine enorme Umweltbelastung bei Produktion und Entsorgung der Batterien. Der Betrieb des Autos fällt dabei kaum ins Gewicht.
Ja, das Statussymbol, sich vermeintlich umweltgerecht zu verhalten. Das ist, wie wenn ein Veganer aus tiefster Überzeugung erzählt, wie ökologisch er als Veganer lebt und dann sagt: "Mein Hobby sind Fernreisen." Aber diesen Widerspruch ziehen die Leute für sich selber glatt.
Fahren Leute mit einem Elektroauto denn wenigstens rücksichtsvoller und kraftsparender?
Ja, das müssen sie. Sonst kommen sie ja nicht weit.
Elektroautos: Zweite Blütezeit einer uralten Technik
Der erste Elektro-Porsche stammt aus dem Jahr 1899. Damals gab es weit mehr Elektroautos als Verbrenner. 70 Jahre nach dem Niedergang erlebt die E-Mobilität seit den 1990ern eine Renaissance. Ihre Geschichte in Bildern.
Bild: Gemeinfrei
Das erste E-Bike
Im Jahr 1881 fuhr der Erfinder Gustave Trouvé mit einem dreirädrigen Elektro-Fahrrad durch Paris - dem Trouvé Tricycle. Das weltweit erste Gefährt seiner Art fuhr bis zu 12 km/h schnell und hatte eine Reichweite von zwölf bis 26 Kilometern. Unter der Achse war ein modifizierter Siemens-Motor eingebaut, hinter dem Fahrer ein 12-Volt-Bleiakku.
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Oberleitung statt Pferdegespann
Der erste Vorläufer heutiger Oberleitungsbusse stammt aus dem Jahr 1882. Werner Siemens führte den elektrisch angetriebenen Kutschenwagen "Elektromote" in Halensee bei Berlin - auf dem heutigen Kurfürstendamm - auf einer 540 Meter langen Teststrecke vor. Den Strom bezog der Wagen von einer zweipoligen Oberleitung.
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Das erste Auto war elektrisch
Der Coburger Unternehmer und Erfinder Andreas Flocken (im Bild mit seiner Frau) baute im Jahr 1888 das wahrscheinlich erste Elektroauto der Welt. Der Flocken Elektrowagen bestand aus einem hochrädrigen Kutschenwagen mit einem Elektromotor, der eine Leistung von 0,7 kW hatte. Er übertrug die Kraft über einen Lederriemen auf die Hinterachse.
Bild: Gemeinfrei
Geschwindigkeitsrekord mit dem E-Auto
"La Jamais Contente" heißt das erste Straßenfahrzeug, das schneller als 100 km/h fuhr. Den Rekord stellte der Konstrukteur der "nie Zufriedenen", der belgische Ingenieur und Rennfahrer Camille Jenatzy, im Jahr 1899 auf. Das Fahrzeug war nach aerodynamischen Gesichtspunkten, in Form eines Torpedos, gebaut. Zwei 25-kW-Elektromotoren trieben den Wagen an.
Bild: Gemeinfrei
Siegeszug der Elektroautos
Im Jahr 1899 fuhren 90 Prozent der Taxis in New York mit Elektromotor. Ebenfalls 1899 konstruierten Ludwig Lohner und Ferdinand Porsche den elektrischen Lohner-Porsche. Um die Reichweite zu steigern, baute Porsche ihn im Jahr 1902 zum ersten Hybridauto der Welt um: Der "Mixte-Wagen" hatte einen Verbrennungsmotor, der den Akku auflud. Im Rekordjahr 1912 bauten 20 Hersteller 33.842 Elektroautos.
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Verdrängung durch Verbrennung
Im Jahr 1911 wurde der elektrische Anlasser für Benziner erfunden, der Ölpreis war niedrig, die Verbrennungsmotoren erzielten immer höhere Reichweiten. Die Produktion von Elektroautos kam um 1920 fast komplett zum Stillstand. Eine Nische, in der sich E-Mobile hielten, war der Nahverkehr mit kleinen Lieferwagen - etwa zum Liefern von Milchflaschen, den "milk floats", in Großbritannien und den USA.
Bild: Brian Snelson
Ölkrise sorgt für Renaissance
In den 1990er Jahren sorgten die durch den Golfkrieg ausgelöste Ölkrise und ein wachsendes Umweltbewusstsein für eine Renaissance des Elektroautos. Vor allem das von der kalifornischen Umweltbehörde CARB ausgearbeitete Gesetz, emissionsfreie Fahrzeuge anbieten zu müssen, zwang die Automobilindustrie zu Produktentwicklungen. Das Elektroauto EV1 von General Motors wurde von 1996 bis 1999 gebaut.
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Für Tüftler und Ökos
Um die Jahrtausendwende wurden die Emissionsbestimmungen wieder gelockert - das gab den meisten Elektroautos den Todesstoß. Ab dem Jahr 2003 waren es vor allem kleine, unabhängige Unternehmen, die Elektroautos entwickelten oder Serienfahrzeuge mit einem Elektromotor ausstatteten. Der seit 2010 von German E-Cars vertriebene "STROMOS" etwa nutzt als Basis den Suzuki Splash oder den Opel Agila B.
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Tesla bringt den Imagewandel
2006 stellte das US-amerikanische Unternehmen Tesla mit dem Tesla Roadster einen Sportwagen vor, der die Elektromobilität aus der Öko-Nische holte. Die späteren Modelle beschleunigten in 3,7 Sekunden auf 100 km/h. Mit bis zu 350 km Reichweite und einer elektronisch abgeriegelten Höchstgeschwindigkeit von 201 km/h war es das erste für längere Strecken geeignete, autobahnfähige Elektroauto.
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Deutsche Autobauer legen nach
Erst einige Jahre später stiegen auch die großen deutschen Autobauer in den Elektro-Markt ein: Seit 2013 sind der VW E-up! und der BMW i3 im Verkauf. Sie sind wesentlich teurer als Autos mit Verbrennungsmotor und ihre Reichweite als reine Elektro-Fahrzeuge ist mit 100 bis 200 Kilometern begrenzt. Das hält viele vom Kauf ab: Elektroautos haben in Deutschland einen Marktanteil von nur 0,6 Prozent.
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Zweiter E-Porsche nach 121 Jahren
Die Autobauer sind sich sicher: Die Zukunft ist elektrisch. Volkwagen hat sich zum Ziel gesetzt, im Jahr 2025 jedes vierte Auto als reines Elektro-Fahrzeug zu verkaufen. VW, Daimler und Co wollen dem amerikanischen Vorreiter Tesla Paroli bieten und haben die Aufholjagd aufgenommen. Der Porsche Mission E soll im Jahr 2020 in Serie gehen - 121 Jahre nach dem Bau des ersten Elektro-Porsche.