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Wie unsere Wahrnehmung uns täuschen kann

Esteban Pardo
12. März 2023

Wenn Sie irgendetwas auf einmal häufiger sehen, heißt das nicht automatisch, dass es davon auch mehr gibt. Ursache könnte ein psychologisches Phänomen sein, das Sie hereinlegt.

James Bond springt aus einem roten Cabrio
Sie haben ein schickes rotes Auto gekauft und sehen nun an jeder Ampel rote Autos? Das könnte eine Täuschung sein.Bild: dpa/picture-alliance

Haben Sie sich schon einmal ein ausgefallenes Oberteil gekauft - und dann trägt es jeder um Sie herum? Oder Sie haben ein neues Wort gelernt und es begegnet Ihnen nun ständig? Oder eine Freundin erzählt, dass sie schwanger ist und plötzlich sehen Sie überall nur noch Schwangere?

Wenn Sie so etwas erlebt haben, könnte es ein Beispiel für Frequenzillusion oder das Baader-Meinhof-Phänomen gewesen sein.

Was ist die Frequenzillusion?

Dabei handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, die in unserem Kopf stattfindet und beeinflusst, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen. Den Begriff "Frequenzillusion" prägte Arnold Zwicky, ein Linguistik-Professor an der US-amerikanischen Stanford-Universität, im Jahr 2005.

Wenn wir etwas Neues lernen oder erfahren, dann sind wir dafür sensibilisiert und bemerken es häufiger - weshalb wir dann glauben, etwas geschehe viel häufiger, als es tatsächlich der Fall ist.

Zum Beispiel: Wenn Sie sich ein rotes Auto kaufen, kann es sein, dass Sie plötzlich häufiger rote Autos sehen. Und deshalb glauben, dass mehr Menschen rote Autos kaufen oder das rote Autos gerade modern sind. In Wirklichkeit kann es sein, dass sich die Zahl roter Autos überhaupt nicht verändert hat.

Die Schwester ist schwanger und Sie sehen überall neugeborene Babys - auch das ist eine Verzerrung im GehirnBild: FRANK HOERMANN/SVEN SIMON/picture alliance

Bei dem Phänomen geht es darum, wie Fakten wahrgenommen werden, nicht um die Fakten selbst. Und das ist wichtig, denn diese verzerrte Wahrnehmung - oder Frequenzillusion - kann unser Denken oder unsere Entscheidungen beeinflussen. Zum Beispiel könnten wir Kriminalitätsraten überschätzen, wenn häufiger über Verbrechen in Medien berichtet wird.

Warum gibt es die Frequenzillusion?

"Evolutionär gesehen sind wir darauf trainiert, Erklärungen zu suchen", sagt der Mathematikprofessor David Hand vom Imperial College in London. Das kann hilfreich sein, wenn man Neues lernen möchte. Es kann unser Gehirn aber auch zu einseitigen, verzerrten Meinungen führen.

Wenn zum Beispiel besagte Berichte über Kriminalität sich auf eine bestimmte Art von Verbrechen fokussieren - sagen wir Messerstechereien unter jungen Leuten - und die Berichte beziehen sich alle auf eine bestimmte Gruppe, könnte uns das dazu verleiten zu glauben, dass diese Verbrechen nur in solchen Gruppen geschehen.

Wir neigen dazu, einfache Schlussfolgerungen zu ziehen, weil sie das Belohnungszentrum in unserem Gehirn anregen. Es fühlt sich gut an, wenn wir eine Sache erklären können - selbst wenn wir es nur uns selbst erklären - und sich diese Erklärung dann bestätigt, nicht wahr?

Das Problem ist: Wenn unsere Erklärung - vermeintlich - bestätigt wird, wächst unsere Überzeugung, dass diese Erklärung richtig ist. Selbst wenn wir nur wenig darüber wissen, Fakten oder Kontext vernachlässigen oder sogar völlig falsch liegen.

Die Frequenzillusion kann dazu führen, dass wir die Häufigkeit von Naturkatastrophen wie Tornados überschätzenBild: Dr. Christoph Sommergruber/dpa/picture alliance

Der Psychologe Daniel Kahneman sagt, das schaffe eine Illusion von Gültigkeit oder Glaubwürdigkeit, die es uns schwermache zuzugeben, dass wir falsch liegen könnten.

Zwei Prozesse, die die Verzerrung hervorrufen

Die Frequenzillusion ist das Ergebnis zweier psychologischer Prozesse.

Der erste ist die selektive Aufmerksamkeit. Diese Fähigkeit ermöglicht es uns, uns auf das zu fokussieren, was gerade für uns wichtig ist. Das könnte das neue Auto, ein neues Thema oder die Naturkatastrophe sein, von der wir gehört haben. Sie ist wichtig für Lernprozesse und für unser Gehirn, um bestimmte Dinge zu speichern.

Wir brauchen die selektive Aufmerksamkeit, um uns auf Aufgaben konzentrieren zu können oder auf das, was jemand in einer Unterhaltung zu uns sagt. Sie ermöglicht uns, andere Signale auszublenden, wie vorbeifliegende Flugzeuge, zwitschernde Vögel, Gerüche oder andere Ablenkungen. Ohne die Fähigkeit der selektiven Aufmerksamkeit wären wir zu vielem nicht imstande.

War früher alles besser?

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Der zweite Prozess ist der sogenannte Bestätigungsfehler. Wir neigen dazu, Informationen so zu interpretieren oder auszuwählen, dass sie unsere bereits bestehende Haltung bestätigen. Der Bestätigungsfehler und die Illusion von Gültigkeit liegen nah beieinander. Weil wir mehr rote Autos sehen, sind wir überzeugt davon, dass rote Autos beliebter werden und das bestätigt weiter unseren Glauben, dass es mehr rote Autos gibt.

Was hat Baader-Meinhof damit zu tun?

Die Frequenzillusion wird auch das Baader-Meinhof-Phänomen genannt, auch wenn es nicht direkt mit der terroristischen deutschen Gruppe zu tun hat. Der Ursprung des Begriffs liegt in dem Diskussionsforum einer US-Zeitung.

Im Jahr 1994 schrieb ein Leser, er habe kürzlich erstmals von Baader-Meinhof gehört und seitdem seien ihm diese Namen ständig begegnet. Andere Leser teilten ähnliche Erlebnisse um die Namen, eine Diskussion kam auf. Geblieben ist der Name "Baader-Meinhof" für das Phänomen.

Frequenzillusion als mentale Abkürzung

Die Frequenzillusion kann auch als eine Art mentale Abkürzung gesehen werden, die man Heuristik nennt. 1974 schrieb der Psychologe Kahnemann mit seinem Kollegen Amos Tversky in der Fachzeitschrift Science, Heuristiken hülfen uns, Entscheidungen zu treffen und Aufgaben schneller zu erfüllen.

Heuristiken können nützlich sein, wenn zwar nicht alle Informationen vorliegen, um eine völlig rationale Entscheidung zu treffen, aber aus Zeitgründen eine Entscheidung getroffen werden muss. Also etwa, wenn man einer Faustregel folgt, das heißt Erfahrungswerten statt konkreten Berechnungen.

So entscheiden wir mal aufgrund von vorgefassten Meinungen, mal aufgrund von Informationen, die für unser Gehirn leicht verfügbar sind. Solche Heuristiken oder Entscheidungsmuster brauchen wir, um im Alltag zurechtzukommen. Aber sie sind nicht perfekt und sorgen manchmal dafür, dass wir Fehler machen, sagt Sekoul Krastev, der sich mit der Wissenschaft von Entscheidungsprozesses beschäftigt.

Nehmen wir als Beispiel das Problem von Baseballschläger und Ball. Ein Schläger und ein Ball kosten zusammen 1,10 Euro, der Schläger kostet 1 Euro mehr als der Ball. Wie teuer ist der Ball? Die Auflösung gibt es unter dem Foto.

Können Sie das Rätsel um Baseballschläger und Ball lösen - oder scheitern Sie wie Bo Bichette bei diesem Schlagversuch?Bild: ChristopherKatsarov/ZUMA Press/IMAGO

Die meisten Leute sagen intuitiv: 10 Cent. Aber die richtige Antwort ist 5 Cent.

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr

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