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Punktsieg für Frauen in einem Traditionsverein

28. Juli 2021

Dürfen Vereine aus Tradition Frauen von Bräuchen ausschließen? Im Allgäu hat eine Frau deswegen ihren eigenen Fischerei-Verein verklagt - und vor Gericht zweimal recht bekommen.

Deutschland Memmingen | Fischertagsprozess, Klägerin Christiane Renz
Klägerin Christiane Renz fischt von nun an am Memminger Fischertag mitBild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa/picture alliance

Der Memminger Fischertagsverein muss künftig auch weibliche Mitglieder zu seinem traditionellen Stadtbachfischen zulassen, urteilte das Landgericht Memmingen. Noch im Gerichtssaal nahm bei Klägerin Christiane Renz die Vorfreude überhand. "Die Schuhe stehen parat", sagte die Allgäuerin mit Blick auf den nächsten Fischertag. "Dann wird pünktlich am Bach gestanden und reingejuckt." Jahrelang war Renz das "Jucken", das jährliche Ausfischen des Stadtbachs in Memmingen mit Tausenden Zuschauern, vom eigenen Verein verwehrt worden - weil sie eine Frau ist.

Präzedenzurteil bestätigt

Das Urteil sei ein wichtiger Schritt zu mehr Gleichberechtigung, sagte die Juristin Sarah Lincoln von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF). Damit habe das Gericht ein von der GFF erstrittenes Präzedenzurteil für mehr Geschlechtergerechtigkeit bestätigt. Die Entscheidung unterstreiche, dass Vereine Frauen nicht willkürlich benachteiligen dürfen, sagte Lincoln.

Bislang nur Männer im Stadtbach in MemmingenBild: picture-alliance/dpa/K.-J. Hildenbrand

Der Fischertagsverein ist der zentrale örtliche Kulturverein in Memmingen. Wichtigste Aufgabe des Vereins ist die Ausrichtung des jährlichen Fischertags, ein Traditionsfest mit bis zu 30.000 Besuchern und Besucherinnen. Dabei wird der Mann, der die schwerste Forelle fängt, zum Fischerkönig gekürt. Frauen und Mädchen konnten bisher keine Stadtbachfischerinnen werden.

Kein "Sonderrecht" für Männer

Im Urteil des Gerichts hieß es, die Teilnahme darf nicht aus Tradition Männern vorbehalten bleiben. Dieses "Sonderrecht" für männliche Mitglieder in der Satzung des Vereins sei "nicht mehr gerechtfertigt", sagte Vorsitzender Richter Konrad Beß. Vereine dürften zwar grundsätzlich die Regeln für eine Teilnahme frei festlegen. Doch wenn sie Mitglieder dabei unterschiedlich behandeln, müsse dies mit dem Zweck des Vereins begründbar sein.

Renz hatte zunächst vor dem Amtsgericht Memmingen geklagt und gewonnen. Der Fischertagsverein hatte daraufhin Berufung eingelegt. Das Urteil des Memminger Landgerichts, gegen das ebenfalls noch eine Revision möglich ist, könnte nun Auswirkungen auf andere Männertraditionen haben. Das Verfahren sei "über den Einzelfall hinaus für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung", sagte der Vorsitzende Richter. Der Erste Vorsitzende des Fischertagsvereins, Michael Ruppert, sprach von einem Tag, der viele, viele Vereine in ganz Deutschland betreffen könnte. Er finde es "schade, dass die Vereinsautonomie nicht im Vordergrund war".

fab/ie (epd, dpa)