"Pushback" steht für das Zurückdrängen von Geflüchteten. Der Begriff verschleiere einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Asyl, so die Unwort-Jury.
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Der aus dem Englischen stammende Begriff Pushback wurde zum "Unwort des Jahres 2021" gewählt. Es ist, wie auch schon im vergangenen Jahr, ein Begriff aus dem Bereich der Migrationspolitik. Er beschreibt das Zurückdrängen oder Zurückweisen von Geflüchteten an den Landesgrenzen. Mit dem Begriff werde ein menschenfeindlicher Prozess beschönigt, begründete eine Jury ihre Wahl.
Außerdem wurden zwei weitere Worte als Unwörter hervorgehoben. Den zweiten Platz belegt der Begriff "Sprachpolizei", mit dem Menschen bezeichnet werden, die sich für eine gendergerechte, diskriminierungsfreie Sprache einsetzen. Platz drei geht nicht an ein einzelnes Wort, sondern an Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, die von Impfgegnerinnen, Impfgegnern oder den sogenannten "Querdenkern" verwendet werden. Darunter fallen Begriffe wie "Impfnazi" oder "Ermächtigungsgesetz" als Synonym für das Infektionsschutzgesetz. Solche Ausdrücke würden den Nationalsozialismus verharmlosen und die Opfer der NS-Diktatur verhöhnen.
Bürgerinnen und Bürger konnten Vorschläge einreichen
Rund 1300 Einsendungen hat die Jury der sprachkritischen Aktion gesichtet, die das "Unwort des Jahres" wählt. Bis zum 31.12.2021 konnten alle Bürgerinnen und Bürger Vorschläge einreichen. Ein Großteil der Begriffe drehte sich um die Corona-Pandemie, die uns seit zwei Jahren begleitet und für Spannungen in der Gesellschaft sorgt.
Unwort des Jahres: "Biodeutsch" - Hier gibt es alle Unwörter von 2013 bis 2024
Seit 1991 benennt eine Jury das "Unwort des Jahres" und stellt damit besonders zynische Begriffe an den Pranger. "Biodeutsch" ist das Unwort des Jahres 2024.
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Biodeutsch ist Unwort des Jahres 2024
Mit dem Wort "biodeutsch" würden Menschen vor dem Hintergrund
vermeintlich biologischer Abstammungskriterien eingeteilt und diskriminiert. So begründete die Jury der sprachkritischen "Unwort"-Aktion ihre Entscheidung. Mehr als 2.000 Einsendungen waren für das Unwort des Jahres am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft an der Uni Marburg eingegangen.
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2023: Remigration
Mit "Remigration" wies die Jury auf die Umdeutung eines an sich neutralen Begriffes hin. Sozialwissenschaftler verstehen unter "Remigration" das Phänomen, wenn Menschen nach einem Lebensabschnitt im Ausland wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren. Rechtsextreme Gruppierungen aber, darunter auch die AfD, benutzten das Wort als Kampfbegriff, um Menschen mit Migrationshintergrund abzuschieben.
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2022: Klimaterroristen
Mit dem Ausdruck "Klimaterroristen" wurden 2022 Akteurinnen und Akteure bezeichnet, die sich für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen und die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einsetzten. Die Jury kritisierte die Verwendung des Ausdrucks, weil somit Protestierende mit Terroristen gleichgesetzt würden. Zudem träten so die inhaltlichen Forderungen in den Hintergrund.
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2021: Pushback
Das Wort Pushback fiel 2021 immer wieder in den Debatten um die europäische Migrationspolitik. Es bezeichnet das Zurückdrängen von Geflüchteten an den Landesgrenzen durch Grenzschutzbeamte. Die Jury stellte sich gegen den Begriff, weil er einen menschenfeindlichen Prozess beschönige und selbst von Kritikerinnen und Kritikern dieser Abschiebepraxis unreflektiert verwendet werde.
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2020: Corona-Diktatur
Der Ausdruck "Corona-Diktatur" wird seit Beginn der öffentlichen Diskussion um Pandemie-Maßnahmen von der "Querdenker"-Bewegung und rechtsextremen Propagandisten verwendet. Der Jury zufolge stehe er im Widerspruch zu den ausdrücklich in der Bundesrepublik erlaubten Demonstrationen und verharmlose das Leben in tatsächlichen Diktaturen. Erstmals wählte die Jury außerdem ein zweites Unwort.
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2020: Rückführungspatenschaften
Diesen 41 mal vorgeschlagenen Begriff führte die EU-Kommission im September 2020 für einen neuen Mechanismus der Migrationspolitik ein: Mitgliedsstaaten, die sich weigerten, Geflüchtete aufzunehmen, sollen sich solidarisch zeigen, indem sie die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber übernehmen. Dies als "Rückführungspatenschaften" zu bezeichnen, hielt die Jury für zynisch und beschönigend.
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2019: Klimahysterie
2018 lag das Klima zwar auch schon im Argen, aber seitdem Greta Thunberg die weltweite "Fridays for Future"-Bewegung ins Rollen brachte, ist der Klimawandel in aller Munde. Und zwar so oft, dass Spötter und Kritiker despektierlich das Wort "Klimahysterie" prägten.
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2018: Anti-Abschiebe-Industrie
Diesen Begriff prägte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Mai 2018 in einem Interview zur Asyldebatte. Die Jury unter Leitung von Nina Janich (Foto) kürte den Ausdruck zum "Unwort des Jahres", weil Dobrindt damit denjenigen, die abgelehnte Asylbewerber rechtlich unterstützten, die Absicht unterstelle, auch kriminell gewordene Flüchtlinge schützen zu wollen, um damit Geld zu verdienen.
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2017: Alternative Fakten
Wer kennt sie nicht - die "alternativen Fakten" von US-Präsident Trump. Erstmals nahm seine Beraterin Kellyanne Conway im Januar 2017 diese Worte in den Mund, um in der Polit-Talksendung "Meet the Press" eine falsche Aussage des damaligen Pressesprechers des Weißen Hauses, Sean Spicer, zu rechtfertigen: Es ging darum, dass die Amtseinführung Trumps angeblich die bestbesuchte überhaupt war.
Das Unwort des Jahres 2016 wurde aus 594 Vorschlägen ausgewählt. Diese Vokabel "ist ein typisches Erbe von Diktaturen, vor allem der Nationalsozialisten", urteilte die Jury 2016. Als Vorwurf gegenüber Politikern (hier: Sören Herbst von Bündnis 90/Die Grünen) sei das Wort diffamierend und würge die für die Demokratie notwendigen Diskussionen in der Gesellschaft ab.
Bild: Sören Herbst
2015: Gutmensch
Im Jahr 2015 spaltete die Flüchtlingsdebatte die Nation. Der Duden definiert jemanden als "Gutmensch", "der sich in einer als unkritisch, übertrieben oder nervtötend empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält". Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer so zu beschimpfen, diffamiere "Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd", urteilte die Jury.
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2014: Lügenpresse
Es gibt Begriffe, die nach Ansicht von Sprachkritikern niemand in den Mund nehmen sollte. Dazu gehört "Lügenpresse": Das Wort diente bereits im Ersten Weltkrieg als Kampfmittel, die Nationalsozialisten diffamierten so unabhängige Medien, und zuletzt schrieben Anhänger der Pegida-Bewegung das Wort auf ihre Plakate. Eine solch pauschale Verurteilung gefährde die Pressefreiheit, befand die Jury.
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2013: Sozialtourismus
"Mit dem Begriff wird von einigen Politikern und Medien gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht", war sich die Jury bei der Wahl des Unworts 2013 einig. Man unterstelle ihnen, Sozialleistungen abgreifen zu wollen. Die Kombination aus "sozial" und "Tourismus" sei besonders polemisch, weil es suggeriere, die Zuwanderung aus Not sei eine Vergnügungsreise.
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Die Jury setzt sich zusammen aus vier Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern, einer Journalistin und einem jährlich wechselnden Mitglied aus der Kultur- und Medienbranche. In diesem Jahr wurde das Unwort des Jahres erstmals in Marburg bekanntgegeben, da die Germanistin und Jury-Sprecherin Constanze Spieß an der hiesigen Universität lehrt. Die sprachkritische Aktion ist an keine Institution gebunden. Alle Mitglieder arbeiten ehrenamtlich.
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"Rückführungspatenschaften" war eines der beiden Unwörter 2020
Mit der Wahl des Unworts soll für Sprache sensibilisiert werden. Anwärter für das Unwort des Jahres sind Begriffe, die gegen das Prinzip der Menschenwürde oder die Prinzipien der Demokratie verstoßen. Hinzu kommen Wörter, die einzelne Menschen oder gesellschaftliche Gruppen diskriminieren, die zynisch sind, in die Irre führen oder verschleiern, was sich eigentlich hinter einem Begriff bewirkt. Manche Wörter sind positiv aufgeladen, also euphemistisch, obwohl sie im Grunde etwas Negatives ausdrücken.
Ein Beispiel dafür ist der Begriff "Rückführungspatenschaften", der 2020 zu einem von zwei Unwörtern des Jahres gewählt wurde ("Corona-Diktatur" war das zweite). Die EU-Kommission nutzte das Wort für eine Maßnahme in der europäischen Migrationspolitik: Mitgliedsstaaten, die keine geflüchteten Menschen aufnehmen wollen, deren Asylanträge bereits in anderen Ländern abgelehnt wurden, sollen sich um die Abschiebung kümmern.