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Politik

Pussy Riot gibt nicht auf

Zhanna Nemzowa | Markian Ostaptschuk
22. Juni 2017

Sie wurde verfolgt, eingesperrt und auf internationalen Druck freigelassen: Maria Aljochina von der Punk-Band Pussy Riot. Mit der DW spricht sie über ihre Arbeit als Künstlerin im Westen und ihre Probleme in Russland.

Deutschland Festival Theater der Welt in Hamburg
Szene aus dem Theaterstück "Burning Doors"Bild: DW/O.Kapustina

"Ich wäre sehr froh, wenn wir das in Russland aufführen könnten", sagt Marija Aljochina über "Burning Doors", ein Theaterstück über die Unterdrückung künstlerischer Freiheit. Aljochina ist zusammen mit dem Theaterkollektiv "Belarus Free Theatre" zu Gast in Hamburg. Die Truppe ist aus Weißrussland verbannt und produziert im englischen Exil. "Das Theaterstück setzt sich aus drei Storys zusammen - aus meiner, der von Pjotr Pawlenski und der von Oleg Senzow", erläutert Aljochina.

Der ukrainische Regisseur Oleg Senzow wurde von einem russischen Gericht wegen "Terrorismus" zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er stammt von der Krim und war gegen die Annexion der Halbinsel durch Russland. Pjotr Pawlenski, ein Kreml-kritischer Konzeptkünstler, wurde in Frankreich als politischer Flüchtling anerkannt. Er hatte die Tür des russischen Geheimdienstes angezündet. In einer anderen Aktion nähte er sich aus Solidarität mit der Moskauer feministischen regierungskritischen Punkrock-Band Pussy Riot den Mund zu.

Maria Aljochina setzt sich gegen die Unterdrückung künstlerischer Freiheit einBild: DW

Protest gegen Kirche und Kreml

Maria Aljochina ist Mitglied von Pussy Riot. Sie ist auch Schauspielerin und Menschenrechtsaktivistin. Doch sie will nur "Mascha von Pussy Riot" genannt werden, sagt sie im Gespräch mit DW-Reporterin Zhanna Nemzowa, Tochter des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow.

Die Band wurde 2011 gegründet. Ihre Mitglieder sorgten für Aufsehen mit spontanen Auftritten an öffentlichen Orten, bei denen sie Sturmhauben und leichte, grelle Kleider und Strümpfe trugen. Das Punk-Gebet vor dem Altar der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar 2012 ging um die Welt.

Aljochina betont, sie sei getauft. Doch die Kirche in Russland sei zu etwas geworden, das mit Christentum wenig zu tun habe. "Das Punk-Gebet, die ganze Aktion in der Christ-Erlöser-Kathedrale, war dazu da, um genau darauf aufmerksam zu machen", erzählt sie. "Die enge Verbindung zwischen Kirche und Geheimdienst geht noch auf die Stalin-Zeit zurück. Das hat bis heute gewisse Spuren hinterlassen."

Der Protest gegen die Nähe der Russischen Orthodoxen Kirche zum Kreml blieb für die Bandmitglieder Nadeschda Tolokonnikowa, Maria Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch nicht ohne Folgen. Im August 2012 wurden sie wegen "Rowdytums aus religiösem Hass" zu zwei Jahren Haft verurteilt, was international Kritik auslöste. Samuzewitschs Haftstrafe wurde wenig später in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Tolokonnikowa und Aljochina wurden rund drei Monate vor dem regulären Ablauf ihrer Haftstrafe freigelassen.

Die Frauen von Pussy Riot bei ihrem Punk-GebetBild: picture alliance / dpa

Neues Buch und eine Bühnenshow

Über das Punk-Gebet schreibt Aljochina auch in ihrem neuen Buch "Riot Days", in dem sie ihre Verhaftung und die Zeit schildert, in der sie sich in der Gewalt des russischen Staates befand. Das Buch erscheint im Herbst in Großbritannien, in den USA, in Frankreich und Deutschland. "In Russland kann es nur im Samisdat herausgegeben werden", beklagt die Autorin. Als Samisdat, Selbstverlag, wurde in der Sowjetunion die Verbreitung von alternativer, nicht systemkonformer Literatur auf nicht offiziellen Kanälen bezeichnet.

"Überhaupt machen wir in Russland alles selbst. Als ich erfuhr, dass das Buch verlegt wird, haben wir daraus eine Bühnenshow gemacht. Ich würde sie als lebendiges Buch bezeichnen. Eine Kreuzung zwischen Konzert, musikalisch gesprochenem Wort und Schauspiel. All das haben wir einfach Pussy Riot Theater genannt", erzählt Aljochina.

"Im Westen, besonders in den USA, kam die Bühnenshow in der heutigen politischen Lage unter Trump sehr gut an", so die Künstlerin. Trotz des umfangreichen Textes und der Übersetzung per Untertitel hätten die Zuschauer alles begriffen. "Sie haben nicht nur einfach danke gesagt. Sie haben mit mir diskutiert."

"Das interessanteste Land der Welt"

Als sie nach Russland zurückgekehrt sei, habe sie einen Monat lang nach einer Möglichkeit gesucht, die Bühnenshow auch in Moskau zu zeigen. "Die erste Aufführung fand im Transformator statt, in den Räumen des Alternativtheaters Teatr.Doc." Doch danach sei das unabhängige Theater aus den Räumlichkeiten vertrieben worden. "Die zweite Aufführung fand in der Galerie Art 4 unseres Freundes Igor Markin statt", berichtet Aljochina. Markin ist russischer Unternehmer und Kunstsammler.

Doch in Russland seien viel weniger Menschen zu den Aufführungen gekommen als in den USA. "Wenn man sich im Westen, überall in Europa, für Pussy Riot einsetzt, dann ist das cool. Wenn man in Russland Pussy Riot unterstützt, bekommt man eine Faust ins Gesicht. Die Menschen, die uns in Russland unterstützen, sind einem ganz anderen Risiko ausgesetzt. Ja, es sind wenige Menschen, aber sie stehen mir sehr nah und sie sind mir sehr wichtig."

Trotzdem und gerade deswegen findet Aljochina es wichtig, in Russland etwas zu unternehmen. "Russland ist das interessanteste Land der Welt”, unterstreicht sie: "Weil Russland unberechenbar ist."

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