Putins Nahost-Reise
27. Juni 2012"Wir heißen Präsident Putin willkommen und schätzen die russische Rolle in der Region", schrieb die überregionale palästinensische Tageszeitung "Al Quds" noch euphorisch zum Auftakt der Visite des russischen Präsidenten. Doch andere Ereignisse drängten Wladimir Putins Besuch in Israel, den Palästinensergebieten und Jordanien schnell in den Hintergrund: Das abgeschossene türkische Militärflugzeug an der Grenze zu Syrien, die Diskussionen in Folge der ägyptischen Präsidentschaftswahl sowie innenpolitische Themen beherrschten in den meisten arabischen und israelischen Zeitungen die Schlagzeilen.
Hoffnung auf Gegengewicht zu den USA
Die wenigen Kommentare, die in palästinensischen Medien zu seinem Besuch erschienen, lobten entweder die russische Rolle in der Region - oder zeigten sich enttäuscht, dass diese Rolle als Gegengewicht zu den USA bisher kaum Früchte trage.
Während Russland im Westen wegen seiner Kooperation mit dem Regime in Damaskus in der Kritik steht, lobte die eingangs zitierte "Al Quds" ausdrücklich Moskaus Position in der Syrien-Krise: "Russland spielt eine sehr effiziente Rolle im Syrien-Konflikt, es setzt sich gegen jede militärische Intervention von außen ein. (...) Außerdem spielt Russland eine eher objektive Rolle im Konflikt um das iranische Atomprogramm. (...) Wir hoffen, dass Moskau das westliche Politik-Monopol in der Region beendet und das Gleichgewicht wiederherstellt."
"Der kleine Pilger-Zar besucht uns"
Kritischere Töne schlug die ebenfalls überregionale palästinensische Zeitung "Al Ayyam" an. In einem Leitartikel unter dem Titel "Der kleine 'Pilger'-Zar besucht uns" hieß es dort: "Der russische Präsident Wladimir Putin besucht das Heilige Land wie ein politischer 'Pilger'. (...) Russland hat es aber bis jetzt nicht geschafft, eine internationale Friedenskonferenz nach dem Vorbild von Madrid 1991 zu organisieren". Damit griff das Blatt einen Wunsch von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas auf, den dieser bei der Putin-Visite auch selbst direkt vortrug.
Registriert wurde in palästinensischen Medien durchaus, dass Putin die "verantwortliche Position" von Abbas im Friedensprozess lobte, und dass in Bethlehem nun sogar eine Straße nach dem russischen Präsidenten benannt werden soll. Dennoch ließ "Al Ayaam" auch Enttäuschung erkennen: "Außer in Iran und Syrien haben die USA fast ein Lösungsmonopol für die Konflikte in Nahost, insbesondere nach dem arabischen Frühling."
Noch kritischer wirkte das Echo auf Putins Besuch in den großen israelische Zeitungen. So schrieb die "Jerusalem Post" "Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Israel und Russland sind nicht zu übersehen. Trotz der festen Beziehungen zwischen Jerusalem und Moskau unterstützt der Kreml Staaten, die stark Israel-feindlich sind, insbesondere Syrien und Iran."
Relativierend fügte der Kommentator allerdings hinzu: "Zwar bemüht sich Russland nicht aktiv um die Förderung israelischer Interessen in der Region. Es hat aber auch kein Interesse an der Untergrabung des jüdischen Staates. Israelische und russische Interessen mögen sich nicht verzahnen. Die Meinungsverschiedenheiten sind aber Nebenprodukte des russischen Versuchs, dem amerikanischen Einfluss in der Region entgegenzuwirken."
"Russlands Haltung ist inakzeptabel"
Schärfer ging die israelische Zeitung "Maariv" mit dem russischen Präsidenten zu Gericht. "Sagt ihm die Wahrheit", titelte der Leitartikler des Blattes zum Auftakt der Visite und schrieb: "Fast alle wichtigen Interessen Israels sind mit Russland verbunden. Deswegen schauen wir weg und spielen mit (…) Es wäre schön, wenn man Putin die Wahrheit sagte oder ihn zumindest zwischen den Zeilen darauf hinweist. Irgendjemand muss Putin erklären, dass die russische Haltung mit Blick auf das Massaker in Syrien inakzeptabel ist. Irgendjemand muss ihm erklären, dass die russische Heuchelei Al-Assad erlaubt, sein Volk zu massakrieren und dass eine Achse des Bösen von Teheran über Damaskus, Beirut, Gaza und vielleicht nun auch Kairo den Weltfrieden bedroht."
In Israel steht Russland nicht zuletzt dafür in der Kritik, dass es im Weltsicherheitsrat bisher ein schärferes Vorgehen gegen Syrien und gegen das iranische Atomprogramm blockiert. So äußerte Staatspräsident Schimon Peres nach dem Gespräch mit seinem russischen Amtskollegen denn auch die Hoffnung, dass Russland "Faschismus bekämpft und ähnliche Bedrohungen nicht zulassen wird".
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu brachte Putin zudem mit russischen Einwanderern zusammen - ein protokollarischer Trick, der dem russischen Präsidenten nach allgemeiner Einschätzung die Gefährdungslage Israels am Beispiel der dort lebenden russischen Juden verdeutlichen sollte. Israel sieht sich vor allem durch das iranische Atomprogramm und die martialische antizionistische Rhetorik des dortigen Regimes bedroht und erwägt Gegenmaßnahmen. Dennoch warnte Putin bei seinem Besuch erneut vor den unkalkulierbaren Folgen eines Militärschlags gegen Iran.