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Politik

Faktencheck: Versprechen eines Präsidenten

Mikhail Bushuev
29. Dezember 2019

Vor 20 Jahren kam Wladimir Putin an die Macht, zunächst als Interimspräsident. Damals wussten viele nicht, wofür der Ex-Geheimdienstchef steht. Doch Putin machte viele Versprechen. Was davon konnte er umsetzen?

Russland Moskau - Vladimir Putin
Bild: Reuters/M. Klimentyev

Das Jahr 2000 beginnt alles andere als gewöhnlich für Russland. In der Silvesternacht 1999/2000 tritt der amtierende Präsident Boris Jelzin zurück und überrascht mit der Wahl seines Nachfolgers: Ein bis dato international wenig bekannter Ex-Chef des russischen Geheimdienstes FSB und erst seit kurzem amtierender Ministerpräsident Wladimir Putin soll es für den gesundheitlich angeschlagenen Jelzin provisorisch richten - bis zu den Wahlen im März 2000. Kurz nach Jelzins Abschiedsrede wurde auch die Neujahrsrede Putins im Fernsehen gezeigt. "In der Silvesternacht werden Träume wahr. Umso mehr in dieser besonderen Nacht", sagte Putin. Er bat die Zuschauer, die Gläser "auf das neue Jahrhundert" zu erheben.

Dass er die nächsten 20 Jahre dieses Jahrhunderts so stark prägen würde, ahnten damals die wenigsten. Putins Popularität wuchs gerade, aber die meisten wussten nicht recht, für was dieser Geheimdienstler wirklich steht. Man musste ihn somit damals mehr anhand seiner Versprechen als anhand seiner Taten einschätzen. Und von den Versprechen, die im Gedächtnis blieben, gab es einige. Konnte er diese für seine Wähler einhalten? Eine kleine Analyse.

Wladimir Putin bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000 mit Boris JelzinBild: Imago/ITAR-TASS

Putin wollte "den Staat stärken"

Noch als Premier schrieb Wladimir Putin 1999: "Es ist zu früh, Russland als Großmacht zu beerdigen." Er versprach, Russland auf die internationale Bühne zurückzubringen. Heute ist Russland wieder da - trotz westlicher Sanktionen und des Rauswurfs aus den G8. Die Syrienkrise, die Ukraine, das iranische Atomprogramm - ohne Russland kommt die internationale Gemeinschaft da nicht weiter.

Vor der Wahl 2000 verschickte Putin einen Brief an die Wähler. Darin hat er versprochen, den Staat zu stärken, Militär und Rüstungsindustrie zu erneuern. Die Stärke eines Staates lässt sich nicht mit einer Zahl wie der des Bruttoinlandsprodukts (BIP) berechnen und ist daher nicht so einfach messbar. Doch es gilt als Konsens sowohl im In- als auch im Ausland, dass Russland heute ein stärkerer Staat ist als 2000. Es steht auch fest, dass die heutige russische Armee im Unterschied zu 2000 über ein effektives, modernes Heer verfügt und auch einige Erfolge (hier wertfrei gemeint) vorzuweisen hat: im Krieg mit Georgien 2008, bei der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim Anfang 2014 oder in Syrien - seit 2015. Die Umrüstung dauerte einige Jahre und kostete den russischen Staat schätzungsweise mindestens 315 Milliarden US-Dollar.

Russlands Staat wirkt heute stabiler als in den Jahren der zwei Tschetschenienkriege (1994-1996 und 1999-2009), wo nicht wenige, selbst Putin, den Zerfall Russlands fürchteten und einzelne Regionen sich öffentlich Unabhängigkeits-Phantasien erlaubten. Andererseits gab es in Putins Amtsjahren einen Demokratieverlust. Regelmäßige Machtwechsel auf lokaler oder föderaler Ebene im Sinne westlicher Demokratien, die für mehr Kontrolle sorgen könnten, gibt es nicht.

Im Frühjahr 2014 besetzen russische Soldaten ukrainische Kasernen auf der KrimBild: picture alliance/CITYPRESS24/

Russland und das Motto "Portugal einholen"

Als Putin an die Macht kam, war die Erinnerung an den Staatsbankrott im August 1998 noch frisch. Viele Russen verloren von einem Tag auf den anderen ihre wenigen Rubel. In einem programmatischen Artikel kurz vor der Machtübernahme versprach Putin dagegen die "Anhebung des Lebensstandards der Bevölkerung" und "dynamisches Wirtschaftswachstum". Konkret rechnete er vor, man könne das gegenwärtige Pro-Kopf-BIP von Portugal erreichen, wenn Russland ein BIP-Wachstum von jährlich acht Prozent etwa 15 Jahre halten könne. Oder gar Großbritannien oder Frankreich - bei zehn Prozent Wachstum.

Daraus wurde schnell ein geflügeltes Wort in Russland: "Portugal einholen". Meist nutzte man es ironisch, manchmal aber durchaus ernst, zumal die Wachstumsraten der ersten Jahre Putins als Präsident hoch waren: 7,1 Prozent jährlich von 1999 bis 2007. Die Weltwirtschaftskrise traf Russland, aber der Schock war nur kurz. Hatte Russland Anfang 2000 noch ein BIP in Höhe von umgerechnet 300 Milliarden US-Dollar, so ist sind es heutzutage rund 1,66 Billionen US-Dollar - eine Verfünffachung.

Russlands Pro-Kopf-BIP war auch an einem Zeitpunkt knapp mit dem Portugals vergleichbar - 2013 betrug es 24.300 US-Dollar, das von Portugal rund 25.600 US-Dollar. Doch seitdem läuft es wirtschaftlich nicht mehr rund. Portugal konnte man am Ende bis heute nicht einholen, dabei räumte Putin schon 1999 ein, dass Portugal nicht zu den reicheren Ländern der EU gehöre. Es ist ein verbreiteter Mythos, dass Russlands Wirtschaft erst nach der Krim-Annexion und den darauf folgenden westlichen Sanktionen 2014 eingebrochen ist.

Tatsache ist, dass das Wachstum bereits 2013 zum Erliegen gekommen war. Eine wichtige Ursache dafür sehen Wirtschaftsexperten im russischen Wirtschaftsmodell. Putin versprach seit seinem Amtseintritt immer wieder, Russland würde sich von einem reinen rohstoffexportierenden Land zu einem breiter aufgestellten Land wandeln, das auch High-Tech exportiert. Doch dem Versprechen zum Trotz ist Russland aktuell genauso rohstofforientiert wie 2000 - vielleicht sogar noch mehr. Der Staatsetat ist von den Schwankungen der Weltmarktpreise abhängig.

In Nowy Urengoj in Westsibirien befinden sich die weltweit größten Erdgas-LagerstättenBild: dpa - Bildfunk

Russlands Demographie: zwei Schritte nach vorn, einer zurück

Viel eklatanter als marode Staatsstrukturen und die Wirtschaft war Russlands demographische Lage beim Amtseintritt Wladimir Putins. Die Bevölkerung schrumpfte um fast eine Million Menschen jährlich. Wladimir Putin bezeichnete die sinkende Einwohnerzahl als "Gefahr für die schiere Existenz Russlands". Diese negative Tendenz konnte man lange nicht umkehren. Doch mit steigendem Wohlstand wuchs auch die Zahl der Geburten. 2011 verkündete Putin, die demographische Krise sei überwunden Tatsächlich schrumpfte die Bevölkerung zwischen 2013 und 2015 nicht mehr, sondern wuchs - zum ersten Mal in diesem Jahrhundert. Putin erklärte es 2012 zum "nationalen Ziel", einen nachhaltigen Bevölkerungszuwachs zu sichern. Dazu kam auch die steigende Lebenserwartung. Lag sie noch am Anfang des Jahrhunderts bei 65,5 Jahren, stieg diese nach Angaben des Gesundheitsministeriums dann kontinuierlich an auf 73,6 Jahre im Jahr 2019.

Doch seit 2016 schrumpft Russlands Bevölkerung wieder - mit immer schnellerem Tempo. In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 überstieg die Zahl der Sterbefälle die der Geburten um mehr als eine Viertel Million -  laut der staatlichen Statistikbehörde Rosstat der schlechteste Wert seit elf Jahren.

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