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Politik

Putin in Japan: Gefühlter Durchbruch

Roman Goncharenko
14. Dezember 2016

Russlands Präsident Putin reist nach Japan und will auf Tokios Wunsch auch über den Kurilen-Streit reden. Beide Seiten zeigten sich zuletzt kompromissbereit. Experten warnen jedoch vor zu hohen Erwartungen.

Russland Japan Wladimir Putin und Premierminister Shinzo Abe in Wladiwostok
Premier Shinzo Abe und Präsident Wladimir Putin in Wladiwostok (September 2016)Bild: Reuters/Sputnik/Kremlin/A. Druzhinin

Als Wladimir Putin vor wenigen Tagen japanischen Journalisten in Moskau ein Interview gab, überraschte er sie gleich zu Beginn: Der russische Präsident erschien mit einer Hündin. Das Tier bekam der Hunde-Liebhaber im Kreml 2012 von einem japanischen Gouverneur aus Dankbarkeit für die russische Hilfe nach der Tsunami-Katastrophe geschenkt. Es heißt: Yume (Traum).

Träume werden wahr - das scheint das Stichwort beim zweitägigen Besuch Putins in Japan zu sein, der am Donnerstag beginnt. Auf wessen Seite diese Träume größer sind, lässt folgende Reisebilanz vermuten. Während der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe fast jedes Jahr nach Russland reist, in diesem Jahr sogar zweimal, liegt der jüngste Besuch Putins in Japan elf Jahre zurück.

Neuer Ansatz in Tokio

Im Mittelpunkt der Gespräche dürfte ein alter Streit um die südlichen Kurilen-Inseln stehen, auch wenn der Kreml dies ungern sieht. Es sei falsch, Putins Reise nur darauf zu reduzieren, sagte ein Sprecher. Es geht um vier Inseln: Etorofu, Kunashiri, Schikotan und die Habomai-Inselgruppe, die von der Sowjetunion in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs besetzt worden waren. Japan spricht von "nördlichen Territorien" und will sie zurückhaben.

Die Antwort Moskaus darauf lautete seit Jahrzehnten "Nein", doch jetzt hört man ein "Vielleicht". Russland sei bereit, auf der Grundlage einer sowjetisch-japanischen Erklärung von 1956 zu verhandeln. Damals bot die UdSSR an, zwei kleinere Inseln, Schikotan und Habomai, Japan zurückzugeben, allerdings erst nach der Unterzeichnung eines Friedensvertrages. Tokio ging darauf nicht ein und fordert alle vier Inseln zurück. Einen Friedensvertrag gibt es bis heute nicht.

Zuletzt signalisierte Abe Kompromissbereitschaft und bot Putin im Mai einen Acht-Punkte-Plan an. Das Kalkül: Mit japanischen Investitionen, vor allem im russischen Fernen Osten, solle zunächst ein Klima des Vertrauens geschaffen werden, um dann über das Schicksal der Inseln zu sprechen. Damit änderte der japanische Premier den Ansatz seiner Vorgänger, die zu einer vertieften wirtschaftlichen Zusammenarbeit erst nach der Rückgabe der Inseln bereit waren. 

Seit dem Zweiten Weltkrieg streiten Japan und Russland um die Kurilen-Inseln

Experten: Kein wirklicher Durchbruch

Alexander Gabujew vom Moskauer Carnegie-Zentrum glaubt nicht an einen Durchbruch beim jetzigen Putin-Besuch. "Die beiden Seiten liegen noch sehr weit auseinander und sind derzeit nicht zu großen Zugeständnissen bereit", sagte der Experte in einem Gespräch mit der Deutschen Welle. Informell habe Japan angedeutet, man sei bereit, zwei kleinere Inseln zu akzeptieren und die Frage der weiteren zwei zu vertagen. "Das ist für Russland inakzeptabel, es will die Frage ein für alle Mal lösen", meint Gabujew. "Mehr als japanische Souveränität für zwei kleine Inseln und wirtschaftliche Beteiligung an der Entwicklung der zwei größeren wird es nicht geben". Das sei Moskaus "rote Linie".

Auch Alexandra Sakaki von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) ist skeptisch. "Ich glaube nicht, dass schon bei diesem Treffen alles unter Dach und Fach sein wird", sagte die Asien-Expertin der DW. Japan sei zwar an einem Durchbruch interessiert, doch Russland sei noch nicht so weit.

Neueste Raketen auf zwei Inseln 

In einem SWP-Papier im Sommer beschrieb Sakaki ein hypothetisches Überraschungsszenario, bei dem es 2017 zu einem Durchbruch im Kurilen-Streit kommen könnte. In diesem Szenario würde Russland die größte Insel, Etorofu, behalten, und drei kleinere schrittweise übergeben. Heute sei ein solches Szenario unwahrscheinlich, sagte die Expertin: "Realistisch kann Japan derzeit nicht viel mehr erwarten, als die zwei kleineren Inseln, die nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche ausmachen."

Russland jedenfalls schaffte vor kurzem vollendete Tatsachen. Auf den zwei größeren Kurilen-Inseln, Etorofu und Kunashiri, wurden Ende November neueste Raketensysteme vom Typ "Bastion" und "Bal" stationiert.

Annäherung im Schatten von China und USA

Die jetzige Annäherung werde vor allem von Japan vorangetrieben, sind sich die Experten einig. Abe sehe in Putin einen Staatschef, mit dem Tokio den historischen Insel-Streit beilegen könne, sagte Alexander Gabujew aus Moskau. Außerdem beobachte Japan mit Sorge, wie Russland seit der Krim-Annexion immer weiter Richtung China abdrifte. Russland seinerseits sei an japanischen Investitionen als Ergänzung zu chinesischen Projekten im Fernen Osten interessiert. "Es ist durchaus ein Ziel Russlands, die japanische Karte am Verhandlungstisch mit Peking zu spielen", sagt Gabujew.

Alexandra Sakaki glaubt ebenfalls, dass sich Russland durch eine Annäherung an Japan gegen eine zu große Abhängigkeit von China absichern möchte. Die Berliner Expertin sieht noch einen weiteren möglichen Grund für Moskaus Vorgehen: Sanktionen. "Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise ist es grundsätzlich russisches Interesse, die G7-Linie zu brechen." Japan verhängte wie die USA und die Europäische Union Sanktionen gegen Russland. Bisher sei Tokio darauf bedacht gewesen, die gemeinsame G7-Linie einzuhalten. Doch die Expertin schließt eine schrittweise Lockerung der Sanktionen nicht aus. Vieles werde von der Politik des künftigen US-Präsidenten Donald Trump abhängen.

Die Moskauer Fachzeitschrift "Russland in der globalen Politik" lobte Abe für seinen "Mut". Der japanische Premier werde Putin gegen den Willen seines Verbündeten USA empfangen. Washington habe davon abgeraten.

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