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Putin und Erdogan beenden Eiszeit

9. August 2016

Nach monatelangem Streit haben Russlands Präsident Putin und sein türkischer Kollege Erdogan einen Neuanfang der Beziehungen besiegelt. In St. Petersburg kündigten sie an, die beschädigten Verbindungen wieder aufzubauen.

Recep Tayyip Erdogan (rechts) und Wladimir Putin in St. Petersburg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Nikolsky

Die beiden Staatschefs trafen sich in St. Petersburg, der Heimatstadt von Wladimir Putin, erstmals seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei im November, der zu einer massiven Verschlechterung in den Beziehungen beider Staaten geführt hatte. Nach der rund zweistündigen Unterredung sagte Putin vor der Presse, die Gespräche seien schwierig gewesen. Ziel sei jedoch, in den bilateralen Beziehungen wieder das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen. "Wir wollen die Wiederherstellung der Beziehungen mit der Türkei in vollem Umfang und werden dies machen", betonte Putin.

"Wir werden die Sanktionen gegen türkische Unternehmen schrittweise aufheben", kündigte er weiter an. Russland hatte unter anderem den Import türkischer Lebensmittel verboten. Zudem stoppte Moskau alle Charterflüge für russische Touristen in die Türkei. Auch die geplante Gaspipeline TurkStream galt als tot.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte: "Ich glaube daran, dass wir mit diesem Schritt und zukünftigen Schritten in eine ganz andere Phase eintreten." Nach dem monatelangen Austausch von Beleidigungen nannte Erdogan Putin vor laufenden Kameras zweimal "mein geschätzter Freund".

Grünes Licht für TurkStream

Der Plan zum Bau der Schwarzmeer-Gaspipeline mit Russland werde zügig umgesetzt, unterstrich Erdogan. Das Gleiche gelte für das erste Atomkraftwerk der Türkei, das ein türkisch-russisches Konsortium errichten soll.

Nach den ursprünglichen Plänen soll von der südrussischen Stadt Anapa eine Leitung unter dem Schwarzen Meer bis nach Kiyiköy im europäischen Teil der Türkei verlegt werden. Die Pipeline soll eine Kapazität von 63 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr haben. Die Auswirkungen auf Europa sind noch nicht klar. Viele Politiker in der EU fordern schon länger, dass die Union von russischem Gas unabhängiger werden müsse. Wenn künftig über TurkStream Gas nach Europa fließt, würde allerdings sowohl die Abhängigkeit von Russland als auch von der Türkei steigen.

Kritik am Westen

Für Erdogan war der Besuch in der früheren Zarenmetropole die erste Auslandsreise seit dem Putschversuch vom 15. Juli. Putin stärkte seinem türkischen Kollegen demonstrativ den Rücken. Russland verurteile jeden Versuch verfassungswidriger Umstürze, sagte er. Erdogan sagte, Putins Rückendeckung habe "auch unser Volk glücklich gemacht". Der türkische Präsident kritisierte dagegen die mangelnde Solidarität des Westens.

Die Staatschefs berieten zunächst rund zwei Stunden im kleinen Kreis, wie die russische Agentur Tass meldete. Dann kamen die Delegationen dazu. Zu ihnen gehören auch ranghohe Militärs und Geheimdienstler, die mit dem Krieg in Syrien befasst sind. Russland unterstützt in Syrien Präsident Baschar al-Assad, die Türkei fordert seinen Rücktritt. "Demokratische Änderungen in Syrien sind nur mit demokratischen Mitteln zu erreichen", bekräftigte der Kremlchef.

Die türkische Führung hatte vor der Reise versucht, Sorgen zu zerstreuen, Erdogans Besuch könnte eine Abkehr des Nato-Landes von Europa bedeuten. "Nur weil man Putin besucht, bedeutet das nicht, dass man sich von der EU abwendet", hieß es aus Regierungskreisen. Hauptziel sei, die Krise zu überwinden. Deshalb begrüßte die Bundesregierung das Treffen der Präsidenten. Die Wiederannäherung sei wichtig, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier der "Bild"-Zeitung. "Gleichzeitig glaube ich nicht, dass das Verhältnis zwischen beiden Ländern so eng wird, dass Russland der Türkei eine Alternative zur Sicherheitspartnerschaft der NATO bieten kann", sagte Steinmeier. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Türkei genau weiß, auf welche Seite sie gehört."

kle/gri (afp, ape, dpa, rtre)

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